Nun hat Gigaset mit einer großen Variantenvielfalt zu kämpfen. 60 Produktfamilien fertigt das Unternehmen, wegen der vielen Varianten – allein schon aufgrund der unterschiedlichen Sprachen und Bestimmungen in den verschiedenen Ländern – produziert Gigaset rund 1.300 Varianten. Dazu kommt, dass pro Jahr rund 320 Ramp-ups statt finden.
Auf der anderen Seite nehmen die Kunden nur relativ kleine Mengen ab: 98 Prozent der Aufträge umfassen weniger als 500 Einheiten, 65 Prozent der Aufträge weniger als 10 Stück. »Darin liegt unsere Stärke: Wir können in jede Filiale kleine Mengen liefern – und zwar schnell. Ein Unternehmen in Asien könnte das nicht.«
Und Gigaset hat mit einer weiteren Herausforderung zu kämpfen. Das Geschäft unterliegt großen saisonalen Schwankungen. Im November macht das Unternehmen mit 60 Mio. Euro den größten Umsatz, im Sommer herrscht eher Flaute, der Juli bringt es erfahrungsgemäß auf einen Umsatz von 25 bis 28 Mio. Euro.
»Diese Schwankungen federn wir nicht über ein Lager ab, sondern nur indem wir die Produktion hoch- und runterfahren«, sagt Streb. »So können wir auf kurzfristige Anforderungen der Märkte reagieren. Die kundenbezogene Fertigung geht bei uns vor Maschinenauslastung.« Das hat enorme Arbeitszeitschwankungen zur Folge. Deshalb beschäftigt Gigaset in Bocholt neben den 500 eigenen Angestellten in der Produktion in Spitzenzeiten zwischen 300 und 350 Leiharbeiter.
Das ganze Konzept erfordert ein ausgeklügeltes Forecast-System, das herunter gebrochen auf die Jahreszeit, den Monat und die Woche zu erstaunlich genauen Vorhersagen führt. Innerhalb von 3 bis 20 Tagen kann Gigaset den Kunden beliefern – nicht ab Lager sondern ab Produktion. Das heißt nicht, dass es gar kein Lager gibt. Es umfasst rund 400.000 Einheiten. Eine wesentliche Voraussetzung, dieses Konzept umsetzen zu können, besteht darin, das Bewusstsein dafür bei den Mitarbeitern zu schaffen. Das ist nicht einfach, weil oft frühere Vorgehensweisen auf den kopf gestellt werden, das ist auf den ersten Blick nicht einsichtig. Streb nennt als Beispiel die Einstückfertigung statt Losgrößen (die Losgrößen haben sich von 20.000 im Jahr 1999 auf 100 reduziert). Auch der Vorrang der kundenbezogene Fertigung satt Maschinenauslastung gehört dazu.
Mit dem Fokus auf der Supply Chain konnte Gigaset sich bisher eine gute Wettbewerbsposition sichern. In regelmäßigen Abstünden führt das Management Analysen durch, um zu ermitteln, ob es sich zumindest für bestimmte Typen nicht doch lohnen würde, die Fertigung zu verlagern. Bisher ist niemand in Versuchung gekommen, das zu tun. Streb geht davon aus dass das auch so bleiben wird.