Welche Herausforderungen sehen die EMS-Firmen 2012 auf sich zukommen? Trotz aller positiven Planzahlen: Immun ist die EMS-Industrie gegen die Unwägbarkeiten der Finanzmärkte natürlich nicht: »Besorgniserregend ist, dass es noch immer zu einem drastischen Rückgang kommen kann, wenn die Hausaufgaben am Finanzmarkt nicht erledigt werden«, mahnt Michael Velmeden, Geschäftsführer von cms electronics. Diese Unsicherheiten schlagen sich je nach Branche und EMS-Unternehmen mehr oder weniger stark auch in den Forecasts der Kunden nieder. »Wir haben bislang weder Auftragsstornierungen noch drastische Forecastabsenkungen als Vorboten einer heranziehenden Krise zu verzeichnen. Allerdings sind die Märkte sehr nervös, und es besteht daher die Gefahr, dass singuläre Ereignisse überinterpretiert werden und dann zu der von vielen herbeigeredeten Krise führen«, erklärt Schmidt-Streier. »Ich hoffe, dass es den Politikern in Europa endlich gelingt, durch den Beschluss eines klaren, abgestimmten Maßnahmenpaketes und konsequenter Umsetzungskontrolle die Stimmung zu drehen. Das weit verbreitete Warten auf die Krise muss durch Zuversicht und Handeln ersetzt werden!«
Solche Planungsunsicherheiten möglichst gut zu kompensieren und zu puffern, gehört zwar längst zum Alltagsgeschäft der EMS-Firmen. Der Teufel steckt allerdings bekanntlich im Detail: Schnell reagieren und dabei alle Risken im Blick zu haben, ist durch alle Wertschöpfungsstufen der Lieferkette hindurch noch immer eine große Herausforderung. »Die fixen Bedarfe werden leicht zurückgefahren, gleichzeitig werden aber die Forecast-Zahlen erhöht«, gibt Weber zu bedenken. Helfen kann hier nach Ansicht von Weber zum Beispiel eine atmende Supply Chain«, denn »der Markt gibt den Takt vor!«, so Weber. Und darauf muss sich ein EMS-Unternehmen einstellen können.
Neben den Aufträgen, bei denen ein EMS vorwiegend in der Fertigung und der Prozessentwicklung gefordert ist, nehmen auch die komplexen Projekte zu, bei denen das EMS-Unternehmen bereits in die Entwicklungsphase mit einbezogen ist. Damit steigen gleichzeitig aber auch die Anforderungen an die Mitarbeiter und das Personalmanagement beim EMS. Denn gute Entwicklungsingenieure sind bekanntlich rar. So sieht Eberhard Grünert, Geschäftsführer von Turck duotec, die größte Herausforderung darin, den Bedarf an qualifizierten Mitarbeitern zu decken: »Es muss uns gelingen, aus einem geringer werdenden Aufkommen an jungen Menschen den weiterhin wachsenden Bedarf an Elektronikfachleuten für die Zukunft zu decken, insbesondere dann, wenn wir künftig die Entwicklungs- und Fertigungsstandorte in Deutschland sichern und im weltweiten Wettbewerb bestehen wollen.«
Konfrontiert sieht sich die Branche darüber hinaus mit einem möglichen Preiskampf, weil 2010 und 2011 sehr viele neue Fertigungskapazitäten aufgebaut wurden und darüber hinaus auch mehr und mehr OEMs, zum Beispiel Gigaset und Siemens Enterprise Communications, ihre zyklisch schwankenden Produktionskapazitäten in Deutschland mit EMS-Aufträgen auffüllen. »Sollte es 2012 ein verlangsamtes Wachstum geben, wird es im Markt ein Überangebot an Kapazitäten geben«, befürchtet Velmeden.
Deutlich entspannt hat sich die Situation für die EMS-Firmen dagegen auf der Einkaufsseite, was das Wachstum der EMS-Firmen zusätzlich beflügeln dürfte. Zur Erinnerung: Noch im Ausblick für 2011. also vor gut einem Jahr, bezeichneten die EMS-Firmen die schlechte Verfügbarkeit der Bauelemente als Wachstumshemmnis. Die Bauelemente-Lieferzeiten haben sich, bis auf wenige Ausnahmen, inzwischen wieder im normalen Bereich eingependelt, bestätigen die EMS-Firmen einhellig. Auch Bauteile, die bis vor einigen Wochen noch Lieferzeiten von mehr als 40 Wochen hatten, sind mittlerweile wieder ab Lager verfügbar, und auch die Preisentwicklung hat sich laut Aussage der EMS-Firmen weitgehend normalisiert bzw. ist bei einigen Produkten sogar rückläufig. Eine Ausnahme bilden hier noch die hohen Preise für Festplatten aufgrund der Produktionsausfälle in Thailand, bedingt durch die Flutkatastrophe Ende letzten Jahres.