Ein neuartiges Niederfrequenz-Radioteleskop wird in Australien gebaut – und stellt alle Beteiligten vor große Herausforderungen. Dazu gehört auch die Elemaster Group, die im Auftrag ein hochentwickeltes digitales Verarbeitungssystem in sechsstelliger Stückzahl industrialisiert und produziert.
Ein Teleskop, das 135-mal schneller in die Weiten des Universums vordringen und Bilder mit einer deutlich höheren Auflösung liefern kann als die derzeit modernsten Teleskope – kein Traum, sondern Wirklichkeit. Geleitet wird die Umsetzung dieses Projekts vom SKA-Observatorium (SKAO), einer zwischenstaatlichen Organisation mit Mitgliedstaaten aus fünf Kontinenten und Sitz in Großbritannien.
Die Einrichtung ist einzigartig: Das Observatorium betreibt zwei Teleskope. SKA-Low (das in Australien stationierte Teleskop) und SKA-Mid (in Südafrika) werden das Universum auf verschiedenen Frequenzen im Radiospektrum beobachten. Beide Teleskope befinden sich derzeit im Bau. Für die Verarbeitung ihrer gesammelten Datenflut werden fortschrittliche Verarbeitungstechnologien und Algorithmen benötigt, weshalb sie oft auch als Software-Teleskope bezeichnet werden.
Die beiden hochmodernen Radioteleskope werden die Erforschung bisher unzugänglicher wissenschaftlicher Gebiete ermöglichen. Sie sollen unser Verständnis von grundlegenden Prozessen verbessern, z. B. von der Entstehung und Entwicklung von Galaxien, der Grundlagenphysik in extremen Umgebungen um Schwarze Löcher und den Ursprung des Lebens.
Die Größenordnung der Projektzahlen ist beträchtlich: Das SKA-Low-Teleskop besteht aus insgesamt 131.072 Antennen, die auf 512 Stationen verteilt sind. Das entspricht 256 Antennen pro Station. Der größte Abstand zwischen den Antennenstationen beträgt 74 km. Die Rechenleistung des für dieses Vorhaben eingesetzten Supercomputers ist 25 Prozent höher als die der derzeit fortschrittlichsten Supercomputer und erreicht einen Datenfluss von 157 Terabyte pro Sekunde. Das entspricht dem Fünffachen des weltweiten Internetverkehrs von 2015 – ein bedeutender Schritt für die Astrophysik. Umso wichtiger ist, dass alle beim Bau von SKA-Low verwendeten Komponenten den höchsten Qualitäts- und Leistungsstandards entsprechen.
Die Errichtung eines hochmodernen digitalen Verarbeitungssystems für das SKA-Low-Teleskop stellt ein EMS-Unternehmen (Electronics Manufacturing Services) vor enorme Herausforderungen.
Das Signalverarbeitungs-Subsystem (SPS) soll eine sehr große Datenmenge erfassen und verarbeiten, die durch Zehntausende von Antennen in 65.000 Radiofrequenzbändern gleichzeitig erzeugt wird. Die zwei Meter hohen Antennen sind relativ einfach konstruiert und ähneln einer baumartigen Struktur. Sie absorbieren Signale, die dann an eine Smartbox gesendet werden, welche jeweils die Datenströme von 16 Antennen sammelt. Dort werden die elektrischen Signale zur Übertragung in optische Signale umgewandelt.
Alle 131.072 Antennen benötigen daher digitale, softwaregestützte Schaltkreise, um die Radiowellen zu digitalisieren, zu korrelieren, zu kombinieren und die Interpretation zu optimieren, bevor sie zur weiteren Verarbeitung Hunderte von Kilometern weit zu einem zweiten Supercomputer transportiert werden. Jedes einzelne System muss in der Lage sein, permanent und zuverlässig mit den anderen zu kommunizieren und aussagekräftige Daten zu erzeugen. Um dies zu gewährleisten, werden auch ausreichend Ersatzteile produziert, die während der Lagerung nicht altern dürfen.
Die Aufgabe von Elemaster besteht darin, die vom italienischen Nationalen Institut für Astrophysik (INAF) erstellten Basisentwürfe in die industrielle Produktion zu überführen, die Produkte herzustellen und sicherzustellen, dass alle Spezifikationen erfüllt werden. Mitarbeiter aus mehreren Ländern werden zu verschiedenen Teilen des Gesamtprojekts beitragen.
Um die erforderliche Anzahl der Komponenten erfolgreich zu produzieren, wird ein bewährtes Verfahren konsequent umgesetzt: Der »Design for«-Ansatz ist eine Schlüsselmethodik im ODM- (Original-Design-Manufacturer) und EMS-Sektor, um die Effizienz und Qualität von Elektronikprodukten sicherzustellen. Dieser Ansatz umfasst drei Kernphasen: Design for Testability, Design for Manufacturability und Design for Cost. Die Methodik soll sicherstellen, dass alle zukünftigen Test- und Produktionsvorgänge so effizient und kostengünstig wie möglich durchgeführt werden.
Die hohe Komplexität des Projekts erfordert eine möglichst vollständige Testabdeckung. Dafür wurde eine detaillierte Testbarkeitsanalyse nach jedem Fertigungsschritt entwickelt, um eine vollständige Abdeckung der kritischen Parameter der Baugruppen zu gewährleisten. Die notwendigen Testreihen wurden so konzipiert, dass sie alle Anforderungen des Projekts erfüllen, denn das SKA-Low muss 50 Jahre lang zuverlässig und mit extrem hoher Leistung funktionieren.
Die Prozessvalidierung konzentriert sich darauf, Probleme bei der Herstellung von Leiterplatten und deren Bestückung zu vermeiden, die Zuverlässigkeit der Produkte zu verbessern, ihren Alterungsprozess zu kontrollieren und die Gesamtkosten zu senken. Die notwendigen Komponenten müssen auch in den kommenden Jahren und Jahrzehnten verfügbar sein, damit das SKA-Low über Jahre hinweg zuverlässig funktioniert.
Die Industrialisierung des Produkts stellt die Verbindung zwischen Forschung und Entwicklung und der Produktion dar. Dabei stellt das Entwicklungsteam fest, ob der für die Herstellung des Produkts nutzbare Automatisierungsgrad den Verkaufskosten und den erwarteten Mengen angemessen ist. Es ist eine einfache Rechnung: Bei einer großen Anzahl von Produkten summieren sich die Kosten schnell, weshalb der strategische Einkauf von größter Bedeutung ist, da die Qualität nicht unter dem Preisdruck leiden darf. Außerdem wird sichergestellt, dass alle Erwartungen erfüllt werden. Es ist von entscheidender Bedeutung, das optimale Gleichgewicht zwischen der Langlebigkeit und den vorhersehbaren Kosten der SKA-Low-Komponenten zu finden.
Mehr als 50 Mitarbeiter aus verschiedenen Abteilungen, darunter Produktion, Einkauf, F&E sowie Prüflabor, arbeiten eng zusammen, um die reibungslose Umsetzung des Projekts sicherzustellen. Im Rahmen eines solchen Projekts unterliegt das Produkt besonders strengen Anforderungen. Es ist unerlässlich, dass es über Jahre hinweg zuverlässig funktioniert und alle in Australien geltenden Normen erfüllt. Das Eletech-Lab ist nach ISO/IEC 17025:2017 akkreditiert und für die Durchführung verschiedenster Tests ausgerüstet, etwa auf EMV, Klima, Vibration und Erschütterung. So können die Anforderungen an die Zuverlässigkeit eingehalten und die landesspezifischen Zulassungsverfahren abgeschlossen werden.
Um dieses gigantische Projekt erfolgreich umzusetzen und die Ideen und Konzepte der Wissenschaftler in ein industriell hergestelltes Produkt zu verwandeln, ist ein sehr pragmatischer, zielgerichteter Ansatz erfahrener Experten erforderlich, wobei der Schwerpunkt auf dem Konzept »Design for« liegt.
Elemaster deckt den gesamten Produktlebenszyklus von der Idee bis hin zum fertigen Elektronikprodukt und darüber hinaus ab. Das italienische Unternehmen mit rund 1700 Mitarbeitenden weltweit bündelt seine Forschungs- und Entwicklungsarbeit (F&E) in seinen International Design Centers mit Sitz in Italien und Deutschland und verfügt über weltweite Produktionsstätten.