Für moderne Anwendungen wie E-Autos bedarf es elektrischer Steckkontakte, die auch bei großer Belastung zuverlässig halten. Möglich macht dies ein neues Schichtsystem aus Hartsilber mit Antimon als Legierungselement sowie Graphit als Dispersionsstoff. Diese Schichtfolge hat viele Vorteile.
Elektromobilität und automatisiertes Fahren bringen stark steigende Anforderungen an elektronischen Komponenten im Fahrzeug mit sich. So sind silberbasierte, elektrische Steckverbundsysteme größeren mechanischen Belastungen durch eine hohe Steckzyklenanzahl und eine Verschiebung der Temperatur-Lastkollektive ausgesetzt – und das alles bei einer gleichzeitigen Forderung nach einem geringen elektrischen Kontaktwiderstand.
Je nach Einsatzgebiet können die konkreten Anforderungen an die Silberschicht variieren: So sind auch in Verbrennerfahrzeugen Anwendungen für spezifische Steckverbinder im Motorraum vorstellbar, die bis zu 50 Steckzyklen bei einer derzeit angestrebten Temperaturlast von circa 180 °C erreichen können müssen. Im Bereich der Ladebuchse hingegen sind bis zu 10.000 Steckzyklen bei einer maximalen Temperaturlast von 150 °C gefordert. Darüber hinaus sind hier in Zukunft noch höhere Temperaturlasten denkbar.
Physikalisch bedingt sind galvanische Feinsilberbeschichtungen allein nicht in der Lage, diese Vielzahl an unterschiedlichen Bedingungen gleichzeitig zu erfüllen. Warum? Feinsilber hat die ausgeprägte Eigenschaft des Kaltverschweißens. Dies kann für einige Anwendungsfälle wie Pressfits eine willkommene Eigenschaft sein; für lösbare Steckverbindungen mit hoher Anzahl an Steckzyklen ist das jedoch nicht geeignet.
Daneben zeigen Silber und Kupfer ein sehr ausgeprägtes Diffusionsverhalten ineinander, sodass bei elektrischen Kontakten eine Diffusionsbarriere nötig ist. Diese wird typischerweise durch eine dünne Zwischenschicht in Form von Nickel realisiert. Damit entsteht jedoch ein weiteres Problem: die Delamination der Silberschicht von der Nickel-Diffusionsbarriere im Temperaturbereich von über 150 °C aufgrund der Bildung von Nickeloxid an der Silber-Nickel-Grenzschicht. Dies ist bedingt durch das ausgeprägte Diffusionsverhalten von Sauerstoff in Silber bei Temperaturen oberhalb von 160 °C.
Die hohen Anforderungen an elektrische Steckverbindungen und die physikalischen Eigenschaften von Silber machen geeignete Lösungen für die beschriebenen Problemstellungen nötig, die beispielsweise auf weitere Edelmetalle wie Palladium setzen.
In diesem Zuge hat man vor einigen Jahren Silber-Graphit-Dispersionsschichten für Gleitkontakte in der Mittel- und Hochspannung entwickelt und über die Jahre an neue technische Anforderungen angepasst und optimiert. Die in die Silberschicht eingebauten Graphitpartikel sorgen aufgrund ihrer schmierenden Eigenschaft für eine deutliche Reduzierung des Reibkoeffizienten der Schicht und verhindern damit auch die von Feinsilber bekannte Fähigkeit des Kaltverschweißens. So lässt sich die Anforderung in Bezug auf eine hohe Steckzyklenanzahl erreichen – bei gleichzeitig geringem Übergangswiderstand und hoher elektrischer Leitfähigkeit.
Ungelöst bleibt bei Silber-Graphit-Dispersionsschichten jedoch die Erfüllung der Anforderung an das Schichtsystem in Bezug auf die Stabilität bei hohen Temperaturlasten. Dies wird durch die Einführung einer Diffusionsbarriere zwischen der Nickel- und der Silber-Graphitschicht gelöst. Diese Diffusionsbarriere besteht aus einer funktionellen antimonhaltigen Hartsilberschicht. Prinzipiell sind hierfür auch andere Legierungselemente wie Se, In, Te, Bi oder ähnliche Elemente beziehungsweise Kombinationen daraus geeignet, um Diffusionspfade für Sauerstoff in Silber effektiv zu reduzieren oder diese sehr stark zu behindern.
Im Folgenden werden die Ergebnisse einer solchen Schichtfolge mit antimonhaltiger Hartsilberzwischenschicht und Silber-Graphit als Endschicht (Slotoconnect HT 4200 CF) beziehungsweise mit ODT-passiviertem Feinsilber als Endschicht (Slotoconnect HT 4200) sowie ohne Antimon-haltiger Hartsilberzwischenschicht und Silber-Graphit als Endschicht (Slotosil SG1910) dargelegt. Als Serien-Referenz wird ODT-passiviertes Feinsilber verwendet.
Für die entsprechenden Untersuchungen zur Charakterisierung der Schichtfolge wurden auf vernickelte Kupfer-Testbleche die entsprechenden Schichtfolgen galvanisch appliziert. Dabei erhielten die Prüfkörper eine Beschichtung mit etwa 4 µm antimonhaltigem Hartsilber und etwa 4 µm Silber-Graphit beziehungsweise etwa 4 µm Feinsilber als Endschicht oder nur Silber-Graphit mit einer Schichtdicke von etwa 8 µm.
Als Referenz kamen vernickelte Kupferbleche zum Einsatz mit etwa 8 µm Feinsilber als Endschicht. Die Feinsilber-Endschichten wurden zusätzlich noch ODT-passiviert. Die gewählten Schichtdicken sind exemplarisch und lassen sich je nach technischer Anforderung auch höher oder niedriger wählen. Die Musterteile sowie die Schichtfolgen sind in Bild 1 zu sehen.
Die beschichteten Bauteile wurden auf einem in Kooperation mit iChemAnalytics entwickelten physikalischen Prüfstand (Weco-X) untersucht. Die Besonderheit dieses Prüfstandes liegt unter anderem darin, dass während der zyklischen Messung der Reibzahl in situ auch der Kontaktwiderstand gemessen werden kann, sodass eine zyklen- beziehungsweise zeitaufgelöste direkte Korrelation zwischen Reibzahl und elektrischem Kontaktwiderstand der jeweiligen untersuchten Oberfläche möglich ist. Derartige Messungen sind an vier Prüfkörpern gleichzeitig möglich. Der entsprechende Prüfstand ist in Bild 2 dargestellt.
Für die Beurteilung der Steckzyklenbeständigkeit werden die in Bild 1a abgebildeten Schichtsyseme auf Plattenprüfkörpern (siehe Bild 1b) verwendet. Als Prüfgegenkörper fungieren Silberkugeln mit einem Durchmesser von 3 mm. Die Prüfkörper wurden bei 23 °C für jeweils 1.000 Zyklen bei einer Normalkraft von 1,5 N, einer Testfrequenz von 1 Hz, einer Auslenkungsamplitude von 500 µm und einem Prüfstrom von 100 mA im tribologischen Prüfstand getestet.
Die entsprechenden zyklenaufgelösten Messdaten des Reibwertes sowie des elektrischen Kontaktwiderstandes sind in Bild 3 dargestellt. Bild 3a zeigt, dass der initiale Reibwert der beiden mit Silber-Graphit als Endschicht beschichteten Prüfkörper initial zwischen 0,1 und 0,2 liegt. Mit fortschreitender Anzahl an Testzyklen steigt die Reibzahl linear auf etwa 0,26 nach 1.000 Testzyklen.
Die mit ODT passivierten Feinsilber-Schichtsysteme zeigen mit etwa 1,1 initial eine deutlich höhere Reibzahl, die innerhalb der ersten Zyklen auf etwa 1,3 ansteigt, nach etwa 30 Zyklen anfängt zu fallen und nach 400 Zyklen etwa 0,9 (antimonhaltiges Hartsilber/Feinsilber-Schichtsystem) beziehungsweise 1,1 (Feinsilber-Schichtsystem) erreicht, damit aber sehr deutlich oberhalb der Silber-Graphit-Systeme liegt.
Die mit Silber-Graphit beschichteten Prüfkörper zeigen aufgrund der Schmierung durch Graphit nach 1.000 Testzyklen keinen Hinweis auf Verschleiß. Dies zeigt sich auch in den in situ durchgeführten, zyklenaufgelösten Messungen des Kontaktwiderstandes.
Bei den beiden mit Silber-Graphit als Endschicht beschichteten Prüfkörpern zeigt sich, dass der initial gemessene Kontaktwiderstand bei etwa 1,1 mΩ liegt und mit fortschreitender Zyklenanzahl linear abfällt bis er nach 1.000 Zyklen bei etwa 0,9 mΩ liegt – analog zum Reibwert. Das bedeutet: Auch in Bezug auf den elektrischen Kontaktwiderstand ergibt sich für die Schichtsysteme mit Silber-Graphit als Endschicht kein Hinweis auf wesentlichen Verschleiß. Beim Silber-Referenzsystem verhält sich der Kontaktwiderstand ähnlich. Der initiale Kontaktwiderstand sinkt von 0,9 mΩ auf etwa 0,8 mΩ.
Wie eingangs beschrieben ist die Stabilität bei hoher Temperaturbelastung der beschichteten Bauteile von großer Bedeutung für die Anwendung (Bild 4). Diese wurde im Rahmen von Temperatur-Auslagerungsversuchen bei 200 °C für 1.000 h mit Zwischenentnahmen nach 200 h, 400 h, 600 h und 800 h untersucht. Hierzu wurde die Haftfestigkeit der Silberschichtsysteme mittels klassischer Biegeprüfung auf den vernickelten Kupfer-Prüfkörpern nach Temperaturauslagerung bewertet. Dabei zeigte sich, dass die Silberschichtsysteme ohne antimonhaltige Hartsilberzwischenschicht bereits nach 600 h aufgrund von lokalen Delaminationen an der Nickelschicht versagten (Bild 4a). Die Prüfkörper mit Schichtaufbauten bestehend aus antimonhaltiger Hartsilberzwischenschicht und Silber-Graphit als Endschicht beziehungsweise antimonhaltiger Hartsilberzwischenschicht und Feinsilber hingegen bestanden die Haftungsprüfungen durchgängig (Bild 4b).
Die hier vorgestellten Ergebnisse konnten unabhängig auch von Zulieferern aus dem Automotive-Sektor reproduziert werden. Zusammenfassend lässt sich damit feststellen, dass das Schichtsystem Slotoconnect HT 4200 CF die technischen Anforderungen in Bezug auf die eingangs beschriebene Temperaturstabilität, Steckzyklenanzahl und elektrischen Kontaktwiderstand sehr gut erfüllt und damit eine kosteneffiziente Lösung darstellt, ohne dabei weitere geforderte Ansprüche an ein silberbasiertes Serienstecksystem negativ zu beeinflussen. Sofern die Eigenschaften von Feinsilber in Bezug auf maximal mögliche Steckzyklenzahlen die gestellten Anforderungen an die Schicht erfüllen können, bietet sich das Schichtsystem Slotoconnect HT 4200 als optimale graphitfreie Lösung an.
Die Autoren
Vera Lipp
ist Teamleiterin F&E für PCB und Elektronik bei Dr.-Ing. Max Schlötter.
Dr. Stefan Henne
ist Teamleiter F&E für PCB und Elektronik bei Dr.-Ing. Max Schlötter
Dr.-Ing. Mark-Daniel Gerngroß
ist Leiter F&E bei Dr.-Ing. Max Schlötter.