Zwar ist DigiKey momentan der einzige Katalogdistributor in der Diskussionsrunde der sich den Einstieg in Produktionsvolumen strategisch auf die Fahnen geschrieben hat, aber wenn im Gespräch des Außendienstes mit dem Kunden »als Zufallsprodukt« ein Design-Win herauskommt, »dann gehen wir schon auch in Volumengeschäfte«, erklärt Komminaho-Franz.
Dass ein Katalogdistributor einen Design-Win für sich verbuchen kann ist nicht ungewöhnlich. Denn letztlich, so Christian Lelonek, Geschäftsführer von Distrelec Deutschland, erwarte der Kunde, dass er von jedem Lieferanten das gesamte Spektrum zu bekommt: »Die neue Wettbewerbssituation, dass die Volumendistribution auch ins Kleinmengengeschäft einsteigt, bringt die Katalogdistribution dazu, genau auf diese Kundensicht zu schauen.« Aber strategisch forciere Distrelec das Thema Volumengeschäft nicht, so der Distrelec-Deutschland Chef.
RS Components grenzt sich nach den Worten von Wolfgang Bonsen, Head of Corporate Account Management grundsätzlich vom Volumengeschäft ab: »Unser klassisches Metier ist Null- und Vorseriengeschäft, hohe Stückzahlen sind nicht unser Geschäft.«
Schlussendlich hängt es auch vom Hersteller ab, inwieweit er beim Volumengeschäft »mitspielt«. Für MPE-Garry beispielsweise macht es keinen Unterschied, ob das Projekt vom Katalog-oder Volumendistributor kommt, wie Fuchs erklärt: »Wer bei uns ein Projekt bringt, bekommt Support. Wir haben kein Problem damit, wenn ein Katalogdistributor ins Volumengeschäft geht.« Nach Ansicht von Bier funktioniert das aber nur, wenn der Hersteller wie Recom ein global ausgereiftes Projektregistrierungssystem hat. »Das Ganze muss abgestimmt werden. Ansonsten wird alles vermischt und am Ende leiden alle darunter.
Eine wirkliche Konkurrenz zwischen Volumen- und Katalogdistribution sieht Florian Schrott, Director EMEA Distribution von Maxim aber nicht, schließlich füllen beide ihre Position in der Lieferkette gut aus: »Es ist für uns sehr wichtig, dass die Produkte richtig eingeführt werden und da führt nichts an der Katalogdistribution vorbei. Wenn es dann ins Volumen geht, führt wiederum nichts an den großen Volumendistributoren vorbei«. Zwar werden die großen Volumendistributoren kaum einen Wettbewerb mit den Katalogdistributoren fürchten, aber, so Bier: Bei kleineren Design-In Firmen wird es da schon schwieriger. Hier ist es wichtig, dass Sie als Hersteller darauf achten, dass alle ein Stück vom Kuchen abbekommen.
Gefährliche Preisspirale?
So lange der Kunde beim Katalogdistributor tiefer in die Tasche greifen muss, weil er dafür die schnelle Verfügbarkeit und die Ware ab einem Stück bekommt, werden sich die Überlappungen der beiden Geschäftsmodelle in Grenzen halten. »Wir Katalogdistributoren betreiben alle ein ähnliches Geschäftsmodell, dadurch haben wir auch alle ein ähnliches Preismodell – dennoch ist das noch ganz anders als in der Volumendistribution«, betont Stefan Fuchs, Geschäftsbereichsleiter Kernelektronik von Conrad. Wenn ein Katalogdistributor allerdings hier ausscheren und dazu übergehen würde, 1000er Stückzahlen oder mehr aktiv zu promoten, dann könnte das durchaus eine Preisspirale auslösen und das eingespielte System auf den Kopf stellen und auch zum verschärften Wettbewerb der Katalogdistributoren untereinander führen. »Nur darstellen und abgreifen könnte gefährlich werden«, gibt Bier zu bedenken. Gegen eine Projektregistrierung hingegen spricht nach seinen Worten nichts, denn dann habe man die Situation ja Griff.
Aber noch gilt die Prämisse: Es geht um Verfügbarkeit und nicht um den Preis in der Katalogdistribution: »Wir wollen keinen Preiskrieg«, erklärt John Fancher, Supplier Marketing & Business Development EMEA von Mouser. »Denn es ist unbestritten ein Risiko, sich über den Preis zu definieren«, bekräftigt Lelonek. »Wir bemerken schon, dass es diese Diskussion auf dem Markt gibt. Aber die Frage ist, wie stark man sie annimmt.« Immer der günstigste sein zu wollen, das wird auf Dauer auch kein Katalogdistributor durchhalten können. Reiter plädiert allerdings schon dafür, dass eine klare Konkurrenzfähigkeit in der Katalogdistribution geschaffen werden muss. »Denn wenn der Preis eines Produktes nicht einigermaßen akzeptabel ist für das Design, dann wird es der Entwicklungsingenieur erst gar nicht eindesignen.« Dass der Preis im R&D Bereich eine große Rolle spielt, glaubt die Mehrzahl der Teilnehmer zwar nicht, aber Fakt ist auch: Nicht nur die Grenzen zwischen Volumen- und Katalogdistributor verschwimmen, auch der Wettbewerb der Katalogdistributoren, die vorwiegend im B2B-Geschäft agieren wird zunehmen. Und das vor allem dann, wenn das Konzept »vom Prototypen zur Produktion« von DigiKey weitere »Follower« findet.
Großkundengeschäft: Ein Vertrag sichert noch keine Exklusivität
Auch das vertraglich geregelte Großkundengeschäft in der Katalogdistribution weicht nach den Worten von Ulf Timmermann, Geschäftsführer von reichelt mehr und mehr auf: »Der Markt ist offen und freier geworden, auf einen zu fokussieren ist heute nicht mehr in Stein gemeißelt.« Denn wenn der im Kontrakt vorgesehene Katalogdistributor die gewünschte Marke nicht im Programm hat, ist zwar eine Produktumschlüsselung grundsätzlich möglich, aber im Einzelfall ist es gerade im MRO-Segment oft schwierig, die Features – beispielsweise eines Messgerätes - zu vergleichen. »Da hat der Kunde dann doch immer Möglichkeiten auszuscheren und woanders zu bestellen, als im Großkundenkontrakt vorgesehen«, so Timmermann. Nicht zuletzt deshalb gehen die Einkäufer dazu über »solche Aufträge nicht exklusiv zu vergeben, sondern ihren Topf auf mehrere Katalogdistributoren zu verteilen«, erklärt Komminaho-Franz. »So hat der Einkäufer auch mehr Verhandlungsspielraum, wenn es um den Preis geht.«