Komplexes Zusammenspiel

Den E-Lkw von morgen bauen

28. April 2025, 8:00 Uhr | Mark Patrick, Director of Technical Content, EMEA, Mouser Electronics
Das schwedische Unternehmen Einride hat sich auf elektrisch betriebene, autonome Lkw spezialisier
© Mouser

Anders als bei der raschen Einführung neuer Elektrofahrzeuge für den Personenverkehr hat der gewerbliche Transportsektor den Übergang nur langsam vollzogen. Es hapert bislang vor allem an der Reichweite und der Infrastruktur.

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Obwohl sie weniger als 10 Prozent der Fahrzeuge im Straßenverkehr ausmachen, tragen leichte und schwere Nutzfahrzeuge (LGVs/HGVs) aufgrund ihrer großen Dieselmotoren und ihrer hohen jährlichen Fahrleistung zu einem unverhältnis­mäßig hohen Anteil an den weltweiten Treib­hausgasemissionen im Vergleich zu mit fossilen Brennstoffen betriebenen Pkw bei. Deshalb drängen Regierungen weltweit auf eine rasche Dekarbonisierung der Branche, um den Verkauf von mit fossilen Brennstoffen betriebenen Lkw bis 2030 in weiten Teilen der EU und bis 2035 im Vereinigten Königreich, den USA und in Teilen Asiens zu beenden.

Gewicht und Nutzlast

Nutzfahrzeuge, die von LGVs bis zu HGVs reichen können, sind für den Transport schwerer Lasten ausgelegt. HGVs wiegen mehr als 3,5 Tonnen, einschließlich des Fahrzeugs selbst und seiner Ladung. Sie sind in verschiedenen Ausführungen erhältlich, von Sattelschleppern und Tiefladern bis hin zu Tank­wagen und Einsatzfahrzeugen wie Feuerwehrwagen. Die Umstellung auf Elek­troantriebe ist eine komplexe Angelegenheit, da das Gewicht (einschließlich des Batteriegewichts) mit der Nutzlastkapazität ausbalanciert werden muss. Ein optimiertes Fahrzeugdesign ist entscheidend für eine ausreichende Reichweite und Nutzlastkapazität – insbesondere, wenn die Ladung gekühlt werden muss, da dies zusätzlichen Strom verbraucht.

Kosten

E-Nutzfahrzeuge haben oft höhere Anschaffungskosten als ihre Pendants mit Verbrennungsmotor, was hauptsächlich auf die Kosten der Batterie oder der Wasserstoff-Brennstoffzelle zurückzuführen ist. Es ist jedoch wichtig, die Gesamtbetriebskosten zu berücksichtigen, einschließlich Faktoren wie Betrieb, Wartungskosten und staatliche Förderungen. Nutzfahrzeughersteller müssen Flottenbetreiber über die langfristigen Vorteile von E-Fahrzeugen aufklären und darauf hinarbeiten, die Vorlaufkosten durch Größenvorteile und technologische Fortschritte zu senken. Renault geht beispielsweise davon aus, dass die durchschnittlichen Kosten pro Kilometer für Elek­tro-Lkw in Europa 40 Prozent weniger als für Diesel-Lkw für den Stadtverkehr betragen werden.

Infrastruktur

Die Infrastruktur für das Laden und Betanken von Wasserstoff ist entscheidend für die breite Einführung von Elektrofahrzeugen im gewerblichen Bereich. Batterieelektrische Fahrzeuge (BEV) und Plug-in-Hybridfahrzeuge (PHEV) haben oft größere Batteriekapazitäten, benötigen aber Schnelllademöglich­keiten, um die Zeit abseits der Straße zu begrenzen. Obwohl massiv in neue Anlagen ­investiert wird, reicht die derzeitige Lade­infrastruktur im Hinblick auf die technischen Möglichkeiten möglicherweise nicht aus. Nach Angaben der Europäischen Beobachtungsstelle für alternative Kraftstoffe (EAFO) gab es 2023 europaweit mehr als 550.000 öffentliche Ladestationen.  Doch selbst bei kontinuierlichen Investitionen werden dem Europäischen Verband der Automobilhersteller (ACEA) zufolge bis 2025 nur 40.000 Ladepunkte für mittelschwere und schwere Lkw zur Verfügung stehen. Auch die Verfügbarkeit von Lade- und Wasserstofftankstellen entlang der Hauptverkehrsstraßen ist begrenzt. Bis zum Elektrifizierungsziel 2030 müsste nach Schätzungen der ACEA die Zahl der Ladepunkte auf 270.000 steigen, um das wachsende Netz von Elektro-Lkw zu unterstützen. Um diese Infrastrukturmängel zu beheben, ist eine Zusammenarbeit zwischen Nutzfahrzeugherstellern, Regierungen und Infrastrukturanbietern erforderlich, um die Ladestationen zu verbessern und die Netze zu erweitern.

Vorschriften

Vorschriften spielen eine wichtige Rolle bei der weiteren Entwicklung des Marktes für ­E-Nutzfahrzeuge. Anreize wie Subventionen und Steuervergünstigungen können ihre Einführung fördern, während Unsicherheit oder fehlende Unterstützung den Wandel möglicherweise bremsen. Nutzfahrzeughersteller sind auf klare und konsistente Vorschriften angewiesen, die die Einführung von E-Fahrzeugen unterstützen und gleichzeitig Belange wie Emissionsstandards und Fahrzeugsicherheit berücksichtigen.

Lieferkette

Die Umstellung auf E-Nutzfahrzeuge erfordert eine grundlegende Überarbeitung der Herstellungs- und Wartungsprozesse. Nutzfahrzeughersteller müssen eine stabile Lieferkette für kritische Bauteile wie Batterien, Elektromotoren und Ladegeräte sicherstellen. Dazu können Partnerschaften mit Zulieferern, die Entwicklung neuer Fertigungskapazitäten und die ­Sicherstellung einer angemessenen Ausbildung von Servicetechnikern für die Wartung und Reparatur von Elektrofahrzeugen gehören. Unterbrechungen der Lieferkette, insbesondere im Zusammenhang mit globalen ­Ereignissen oder Engpässen bei wichtigen ­Materialien, können für Hersteller von E-Nutz­fahrzeugen eine zusätzliche Herausforderung darstellen.

Lösungen für mehr Reichweite

Eines der größten Hindernisse für den E-LKW ist die begrenzte Reichweite. Durch eine strategische Kombination aus technologischer Innovation, Infrastrukturentwicklung und Stärkung der Lieferkette kann dieses Hindernis jedoch wirksam angegangen werden.
Um die Reichweite von Lkw der nächsten Generation zu erhöhen, können verschiedene technologische Fortschritte genutzt werden. Die Maximierung der Batteriekapazität und die Effizienzsteigerung des Antriebsstrangs optimieren den Energieverbrauch erheblich – ebenso wie die Erhöhung der Energiedichte durch den Einsatz von Festkörperbatterien. Durch die Weiterentwicklung von Innova­tionen bei kleineren Batterien, wie dem wieder­aufladbaren Solid-State-SMD-Akku CeraCharge von TDK, wird eine leistungsstarke Version im größeren Maßstab möglich.

Batterien mit höherer Spannung, wie z. B. 800-V-Systeme, ermöglichen schnellere Lade­vorgänge. Bei solchen höheren Spannungen werden fortschrittliche Siliziumkarbid-(SiC-)Bauteile wie die NXH80B120MNQ0 SiC-MOSFETs von onsemi benötigt, um herkömmliche Silizium-Bauteile zu ersetzen, die Schaltverluste zu reduzieren und gleichzeitig die höheren Durchbruchspannungen zu bewältigen. Wasserstoff-Brennstoffzellen sind ebenfalls eine vielversprechende Möglichkeit, um die Reichweite zu erhöhen. Darüber hinaus kann die Implementierung der Batteriewechseltechnologie eine schnelle und bequeme Alternative zum herkömmlichen Aufladen darstellen, wodurch Unterbrechungen minimiert und die Betriebseffizienz optimiert werden.

Beispiel: Autonomer Lkw

Einige Entwicklungen lassen aufhorchen; darunter das schwedische Unternehmen Einride, das sich  auf elektrisch betriebene, autonome Lkw spezialisiert hat.  Diese können über lange Strecken völlig autonom fahren. Wenn das Fahrzeug jedoch in einen komplizierteren Bereich einfährt, z. B. in eine Laderampe oder eine belebte städtische Umgebung, kann der Fahrer die Kontrolle über das Fahrzeug aus der Ferne übernehmen.  
Die von Menschen unterstützte autonome Technologie senkt die Gesamtbetriebskosten und gleicht damit die höheren Anschaffungskosten eines E-Lkw aus. Im Vergleich zu Diesel-Lkw sorgt die Technologie von Einride, die seit 2019 im Einsatz ist, für eine durchschnittliche Reduzierung der Treibhausgasemissionen um 95 Prozent.

Fazit

Der Umstieg auf elektrische Transport- und Lieferfahrzeuge stellt einen Wendepunkt für Nachhaltigkeit und Innovation im globalen Nutzfahrzeugverkehr dar. Zwar bieten die Erfahrungen aus der Entwicklung von E-Autos wertvolle Erkenntnisse, doch die besonderen Anforderungen von Nutzfahrzeugen erfordern oft eine neue Perspektive. Der Erfolg hängt dabei auch von einer branchenweiten Zusammenarbeit ab.


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