FBDi rechnet mit einem starken Einfluss der Finanzkrise auf den Bauelementemarkt

Elektronikmarkt im Würgegriff

14. Januar 2009, 14:30 Uhr | Georg Steinberger
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Europas Marktanteil schrumpft weiter

Europas Anteil an der weltweiten Elektronikindustrie schrumpft weiter. Es gibt keine nennenswerte Computer- und Telekommunikationsindustrie mehr. Da beide Branchen rund 60 Prozent des weltweiten Komponentenverbrauchs ausmachen, findet dieser Markt schon mal ohne Europa statt, zumindest fertigungstechnisch. Consumer Electronics, ein weiterer Wachstumstreiber, passiert ebenfalls in Asien. Bleiben zwei Bereichen, in denen Europa eine wichtige Rolle spielt: Automotive und Industrie. Diesen beiden Branchen ist es zu verdanken, dass Europas Anteil am weltweiten Komponentenmarkt überhaupt noch bei 15 Prozent liegt. Allein die deutsche Autoindustrie steht für 25 Prozent des weltweiten Bedarfs für Automotive-Halbleiter. Und die deutsche Industrieelektronik spielt in all ihren Facetten, von der Automatisierung bis zur Medizintechnik, ganz vorne mit. Wie lange das noch so bleibt, ist abzuwarten. In der Automobilbranche samt Zulieferern macht sich spätestens mit der jetzigen Krise eine Aufbruchstimmung bemerkbar, deren Folgen für den europäischen Elektronikmarkt durchaus radikal sein können. Mehr Elektronik ja, aber nicht in Europa gefertigt.

Daraus lässt sich – Krise hin oder her – schnell ableiten, dass das künftige Wachstum des Komponentenmarkts an Europa vorbeigeht. Entwicklungen mögen nach wie vor hier laufen, Entscheidungen hier getroffen werden, die Fertigung der Elektronik und damit der Markt finden anderswo statt. Was übrig bleibt: weniger Markt, weniger Entwicklung, weniger Interesse der Komponentenhersteller. Für immer mehr von ihnen spielt die Musik in Asien, Europa wird zu einer reinen substrategischen Vertriebsregion, die keinerlei Rechtfertigung für eine Betreuung durch eine eigene Sales-Force bietet.

Das Dilemma der großen Zahl: Die großen Elektronik verbrauchenden Plattformen Mobiltelefone, PCs, Notebooks, Spielkonsolen, Automobile laufen alle in großen Stückzahlen – global in toto jenseits der 10-Millionen-Grenze oder teils sogar deutlich über der 100-Millionen-Grenze. In Europa herrscht das Dilemma der kleinen Zahl – abertausende Anwendungen von großer Innovationskraft, die bestenfalls mittlere Stückzahlen erreichen. Die Herausforderung der Zukunft wird nicht sein, dass es diese breite Innovation nicht mehr gibt, sondern dass der Zugang zu Innovation fördernder Technologie und der notwendigen Unterstützung schwieriger wird.

 

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Georg Steinberger, Vorstandsvorsitzender des FBDi e.V.

Eine andere Herausforderung birgt Europa selbst. Mit 27 Ländern ist die EU an der Grenze zur Unregierbarkeit angekommen, das heißt viele wichtige Struktur- und Zukunftsentscheidungen gehen in lauen Kompromissen unter – wir sind zum Beispiel gerade dabei, unsere führende Rolle in Sachen Umweltschutz und Umwelttechnologie zu verspielen. Außerdem herrscht eine Bürokratie, die es vielen Unternehmen hierzulande unmöglich macht, einigermaßen sinnvoll ihrem Geschäft nachzugehen.

Bestes Beispiel sind auch hier die Umweltdirektiven, die dummerweise auch noch in verschiedenen Generaldirektoraten zum größten Teil völlig unkoordiniert nebeneinander her geplant werden. Ein falsch verstandener Verbraucherschutz führt dazu, dass immer schärfere Regeln für eine immer breitere Produktpalette erlassen werden, die im harmlosesten Fall zu einem massiven unkontrollierbaren Informationswust führt und im schlimmsten Fall die Wettbewerbsfähigkeit der noch verbliebenen produzierenden Elektronikindustrie stark beeinträchtigt. Wir erleben im Fall REACH soeben, dass die Elektronikindustrie zum Kollateralschaden der eigentlich für die Großchemieproduzenten gedachten Chemikalienverordnung wird und dass es chinesische Spielzeugproduzenten künftig wohl einfacher haben, ihre Produkte nach Europa einzuführen als für europäische (umwelttechnisch oft schon vorbildliche) High-Tech-Produzenten, ausreichend dokumentierte Vorprodukte für ihre eigene Produktion zu bekommen. Der Informationsaufwand, der inzwischen für die Umwelt-Compliance innerhalb der Elektronik-Lieferkette zu betreiben ist, kommt fast schon den Beipackzetteln der Pharmaindustrie gleich, nur dass Mikrochips von niemandem gegessen werden.


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