Ethernet-Netzwerke richtig validieren

TSN/AVB-basierte ECUs und Fahrzeugvernetzungen testen

17. Mai 2017, 11:00 Uhr | Von Thomas Schulze
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Fortsetzung des Artikels von Teil 1

Wie lässt sich Konformität zu TSN-Standards garantieren?

Das TSN-Netzwerk unterliegt, wie jede andere Komponente im Fahrzeug auch, den strengen Vorschriften des Regelwerks der Automobilhersteller in Bezug auf Qualitätssicherung, Sicherheitsaspekte und Produkttests.
Aber in welchem Umfang und mit welcher Zielsetzung lassen sich Ethernet-TSN-Geräte am effektivsten testen? Wie sollten die Testprogramme der Automobilhersteller aufgebaut sein, was sollte man genau herausfinden?
Die Ethernet-TSN-Protokolle sind als offene Standards erhältlich. Demnach muss eines der wichtigsten Testergebnisse der Nachweis sein, dass eine Komponente oder ein Gerät wirklich standardkonform ist. Konformität ist aus zweierlei Gründen wichtig:

  • Erstens garantiert sie, dass das zu prüfende Gerät (Device under Test, DUT) die Minimalanforderungen des Standards in Bezug auf Latenzzeit, Verfügbarkeit und Synchronisierung erfüllt.
  • Zweites garantiert sie Nutzern der getesteten Komponenten oder Module Interoperabilität zu jedem anderen verifizierten Gerät.

Konformitätstests werden unter anderem von der Avnu Alliance standardisiert. Die Avnu Alliance ist ein Industriekonsortium, das die Entwicklung offener Standards und die Zertifizierung von Geräten für zeitkritische Netzwerke fördert. Die von der Organisation veröffentlichten Konformitätstestpläne gelten in der Industrie als anerkannte Grundlage, um Konformität zu den TSN-Standards zu verifizieren.

Um sicherzustellen, dass die Ergebnisse eines Konformitätstestprogramms von der Automobilindustrie anerkannt werden, dürfen Testgerätehersteller nur Testlösungen verwenden, die vorher selbst zum Testen von TSN-Konformität zertifiziert wurden.

Spirent bietet Testausrüstung an, um die Konformität von Ethernet-TSN-Geräten in der Automobilindustrie zu verifizieren. Das Avnu Automotive AVB Conformance Test Suite Pack basiert auf Avnu-Alliance-Testspezifikationen und enthält ein komplettes Paket an Konformitätstests für TSN:
den Standard, IEEE 802.1BA: Audio Video Bridging systems

  • IEEE 802.1AS: Timing and Synchronization for Time-Sensitive Applications (gPTP)
  • IEEE 802.1Qav: Forwarding and Queuing for Time-Sensitive Streams (FQTSS)
  • IEEE 1722: Layer 2AVB Transport Protocol

Die Avnu AVB Conformance Test Suite läuft auf dem Spirent TestCenter C50. Dieses Testsystem ermöglicht es Anwendern, Testszenarien individuell anzupassen und somit den Umfang der Tests über die Testspezifikationen der Avnu Alliance hinaus zu erhöhen. Es unterstützt auch negatives Testen, wodurch Nutzer das Verhalten des zu prüfenden Gerätes analysieren können, wenn ein Netzwerkelement versagt oder außerhalb der festgelegten Grenzen operiert. Des Weiteren kann es gemischten TSN- und Nicht-TSN-Traffic generieren und präzise Zeitmessungen liefern. Verhält sich das Netzwerk so, wie es erwartet wird?
Konformität zu den Spezifikationen des Ethernet-TSN-Standards garantiert nicht die uneingeschränkte Leistungsfähigkeit eines Netzwerks unter allen potenziell möglichen Einsatzbedingungen. Zwar stellt der Standard Ressourcen für geringe Latenzzeiten und eine hochverfügbare Netzwerkleistung bereit; dennoch wäre möglich, dass die Leistung von Komponenten, des Systems oder des Netzwerkes unter stressigen, realen Stressbedingungen beeinträchtigt wird.

Eine gängige Methode der Automobilindustrie zum Verifizieren von Komponenten- oder Systemleistung ist der Drive Test. Er setzt das DUT sozusagen unter reale On-the-Road-Belastungen. Die Netzwerkleistung lässt sich jedoch mit dem Drive Test nur unter massiven Einschränkungen testen:

  • Der Tester kann nicht genau kontrollieren, welchen Testbedingungen das DUT ausgesetzt ist. Bei einem Drive Test wird das DUT nicht unbedingt mit extremen oder harten Betriebsbedingungen konfrontiert.
  • Die Testbedingungen können nicht vollständig wiederholt oder reproduziert werden.
  • Testparameter können nicht isoliert und kontrolliert werden. Im Fall, dass das DUT ein Fehlverhalten zeigt, wird die genaue Ursache nicht immer feststellbar sein.

Netzwerkgerätehersteller der Enterprise-Computing- und der Telekom-Industrie nutzen seit vielen Jahren die Technik der Netzwerksimulation, um die Leistungsfähigkeit von Geräten und Systemen zu testen. Testen in einer simulierten Umgebung hebt alle oben genannten Nachteile des Drive Testing wieder auf:

  • Mit einem Simulator kann der Tester oder Entwickler die Testbedingungen exakt festlegen. So kann er beispielsweise herausfinden, wie sich das DUT verhält, wenn es über seine spezifizierten Leistungsgrenzen hinaus gestresst wird.
  • Ein Simulator kann die genauen Bedingungen reproduzieren, in denen ein Fehlverhalten auftritt. So kann der Tester analysieren, ob der Fehler grundsätzlicher Natur ist oder durch bestimmte Bedingungen verursacht wurde. Diese Bedingungen können präzise und schrittweise modifiziert werden, wodurch der Tester den exakten Punkt im Verhalten bestimmen kann, der den Fehler ausgelöst hat.
  • Jeder Testparameter kann bis aufs Kleinste kontrolliert werden. So kann der Tester trotz komplexer Netzwerk¬umgebung die Ursache eines jeden beobachteten Verhaltens isolieren.
  • In einer simulierten Umgebung kann jedes Verhaltensmerkmal des Netzwerks präzise und an jedem Verbindungsknoten gemessen werden. Das schließt auch den Zeitverlauf eines jeden gesendeten oder erhaltenen Datenpakets ein. In einem prototypischen Fahrzeugnetzwerk gibt es die Möglichkeit der detaillierten, genauen Analyse und Auswertung im Allgemeinen nicht.

Das Durchführen von Performance Testing beantwortet Automobilherstellern u.a. folgende Fragen:

  • Wird das Netzwerk in der Lage sein, das zu erwartende hohe Datenaufkommen in der zu testenden Applikation zu bewältigen?
  • Erreicht der hochpriorisierte Traffic verschiedener Anwendungsszenarien seinen Bestimmungsort innerhalb der festgelegten Latenzzeit und Synchronisation?
  • Wenn 20 Prozent der Bandbreite des Netzwerkes für hochpriorisierten Traffic reserviert ist, was passiert, wenn die Menge des „Best Effort“ Traffic doppelt so hoch ist wie normalerweise erwartet?

Der große Vorteil von Netzwerksimulation ist die Möglichkeit, dass der Tester jede Art von „What if“-Szenarien festlegen und das Verhalten des DUT dabei genauestens validieren kann. Diese Fähigkeit ermöglicht auch negatives Testen, falls das Netzwerk absichtlich außerhalb seiner spezifizierten Verhaltensparameter arbeiten soll. Ein Netzwerksimulator kann zum Beispiel testen, wie sich synchronisierte Audio/Video-Datenströme beim Ausschalten der zentralen Netzwerkuhrzeit verhalten.

Ein Multi-Port-Simulator kann eine große Anzahl verschiedener Netzwerkkonfigurationen emuliere
Bild 2. Ein Multi-Port-Simulator kann eine große Anzahl verschiedener Netzwerkkonfigurationen emulieren.
© Spirent Communications

Folgende Testkonfigurationen können beispielsweise mit einem Netzwerksimulator wie dem Spirent 16-Port BroadR-Reach TestCenter implementiert werden:

  • Emulation von multiplen Sendern (Talkers) oder Empfängern (Listeners) an jedem Anschluss (Bild 2)
  • Gemischter TSN- und Nicht-TSN-Traffic
  • zweiteiliger Testaufbau, in welchem der Simulator als Sender und Empfänger agiert, zum Beispiel beim Testen eines Ethernet Switch oder einer Bridge
  • einteiliger Testaufbau, in welchem der Simulator entweder als Sender oder Empfänger agiert, wie beim Testen eines End Point wie einem Ethernet Transceiver

Die Fähigkeit, TSN- und Nicht-TSN-End-Points zu emulieren, ermöglicht es dem Spirent TestCenter, eine realistische Netzwerkumgebung für ein Gerät oder zu testendes System zu erstellen.


  1. TSN/AVB-basierte ECUs und Fahrzeugvernetzungen testen
  2. Wie lässt sich Konformität zu TSN-Standards garantieren?
  3. Beispiel eines Testfalls

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