Robuste Entwicklung von Kabelbaumsystemen

Das Virtuelle Fahrzeug (Teil 3)

25. November 2008, 9:30 Uhr | Thorsten Gerke und Stefan Lagerqvist
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Fortsetzung des Artikels von Teil 1

Verifikation des Leitungssatzes durch Simulation

Die angesprochenen Schritte entsprechen im Wesentlichen dem Standard bei der Leitungssatzentwicklung. In jüngster Zeit hat sich aber gezeigt, dass es notwendig ist, einen weiteren Schritt in den Entwicklungsablauf einzubeziehen: die Verifikation des Leitungssatzes mittels Simulation. Dies ist zum einen aus sicherheitstechnischen Aspekten notwendig und zum anderen zur Kosten- und Systemoptimierung.

Der Querschnitt der einzelnen Leitung richtet sich nach dem Strom, welche diese Leitung führt. Ist der Durchmesser der Leitung zu klein ausgelegt, kann es im schlimmsten Fall zum Kabelbrand führen. Werden die Leitungen mit unnötig großem Durchmesser ausgelegt, steigen Gewicht und Volumen des Kabelbaums. Das Gewicht hat wiederum auch einen negativen Einfluss auf den Kraftstoffverbrauch.

Um optimiert den Leitungssatz auslegen zu können, bietet es sich an, die im Fahrzeug auftretenden Ströme zu simulieren, wobei es hier maßgeblich um die stationären Stromzustände geht. Da Saber Harness ein Bestandteil der gesamten Saber-Entwicklungsumgebung ist, gibt es eine nahtlose Integration in den Saber Simulator und die zugehörige Modellbibliothek. Basierend auf dem erstellten Schematic des Leitungssatzes in Verbindung mit zu ergänzenden Lasten und Stimuli kann unmittelbar eine Simulation für den Leitungssatz durchgeführt werden (Bild 6). Dabei ermöglicht die Filtermethode, gezielt auch nur Teile des Systems zu simulieren, falls z.B. Daten über einige der im Bordnetz verbauten Komponenten noch fehlen. Für den Leitungssatz relevante Simulationsszenarien sind z.B.

  • FMEA (Failure Mode Effect Analysis) wie z.B. Leitungskurzschluss.
  • Auslegung von Sicherungen.
  • Strombelastung der Leiter.

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Bild 6. Simulationsbasierte Verifikation des Leitungssatzes.

Die einfache Verwaltung und Konfiguration von Varianten und die flexible Produktkonfiguration durch das Assembly Tool erleichtern das Arbeiten mit vielen Fahrzeugplattformen und zugehörigen Varianten des Leitungssatzes. Durch die Ausgabe von kompletten Fertigungsdaten ist eine unproblematische Weitergabe der Daten an den Kabelbaumhersteller gewährleistet. Die Möglichkeit, eine Verifikation des Leitungssatzes mittels eines simulationsbasierten Ansatzes durchzuführen, erlaubt eine frühzeitige Bewertung des Systems aus sicherheits-, qualitäts- und kostenspezifischen Aspekten. go

Literatur
[1] Willhammar, D.: Using Saber Multisite for Global Product Development. Synopsys User Group Meeting 2007.
[2] Thijs, R.: Handling Saber Exports After Engineering. Synopsys User Group Meeting 2007.
[3] Karlsson, H.: Validation of Saber Harness Simulation. Synopsys User Group Meeting 2006.
[4] Gerke, Th.: Das Virtuelle Fahrzeug. Teil 1: Entwurf von Vernetzungs-Topologien (In-Vehicle Networks). Elektronik automotive 2008, H. 5, S. 46 bis 49.
[5] Gerke, Th.: Das Virtuelle Fahrzeug. Teil 2: Frühzeitige Validierung von Bordnetzen und Energiemanagement. Elektronik automotive 2008, H. 6, S. 30 bis 33.

Thorsten Gerke
studierte an der Universität Duisbug Maschinenbau/ Mechatronik und begann dann als Support und Applikations-Ingenieur bei Avanti Systems. Seit 2002 ist er bei Synopsys und war zunächst für die Bereiche Applikation und Presales für Automotive-Lösungen zuständig. Seit 2006 leitet er das Technische Marketing der Saber-Produktfamilie in Europa.

thorsten.gerke@synopsys.com

Stefan Lagerqvist
studierte Mechatronik an der Chalmers Universität in und begann dann als Supportund Applikations-Ingenieur bei Avant Systems. Seit 2002 ist er bei Synopsys als Applikationsingenieur tätig und zuständig für den Bereich Kabelbaumentwicklung und Produktspezialist für die Saber-Harness-Produktfamilie.

stefanl@synopsys.com

Da die Bordnetzimplementierung viele unterschiedliche Varianten hat, ist eine Methode notwendig, solche Varianten ohne großen Aufwand zu verwalten. Eine primitive Lösung wäre, für jede Variante ein einzelnes Schematic zu zeichnen. Nachteile: Sehr großer Aufwand und ein unnötig großes Datemvolumen würden produziert. Saber Harness nutzt hier wieder das Konzept der Single Design Database. Hierzu wird der Leitungssatz inklusive aller Komponenten in seiner maximalen Ausbaustufe einmal komplett im Schematic Editor aufgebaut. Anschließend wird für jede Komponente definiert, zu welcher Ausstattungsvariante bzw. zu welchem Leitungssatz sie gehört. Ist dieser Schritt erfolgt, kann der Entwickler grafisch die gewünschte Variante auswählen. Alle Komponenten, die nicht diesem Variantentyp angehören, werden ausgeblendet und sind auf dem Schematic nicht mehr sichtbar. Somit hat der Entwickler bequem Zugriff auf alle Varianten, ohne unterschiedliche Schematics anlegen zu müssen. Bild 2 zeigt das Konzept des Variantenhandlings in Saber Harness. Für ein System mit drei Ausstattungsvarianten ist einmal das Gesamtsystem aufgezeigt. Für die drei Varianten werden die dieser Variante nicht zugehörigen Komponenten ausgeblendet.

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Bild 2. Varianten-Handling durch Filterung.

Die Flexibilität geht weit über das reine Varianten-Handling hinaus. Eine generelle Filtermöglichkeit erlaubt es, die Darstellung des Bordnetzes nach benutzerdefinierten Kriterien aufzubereiten. Somit kann z.B. auch eine Filtermöglichkeit nach Leitungssatzfamilien erfolgen. Die Filtermöglichkeiten können sowohl auf das gesamte Design als auch nur auf spezielle Sheets angewendet werden.

Wenn es darum geht, die Konfiguration des Produktes „Auto“ festzulegen, soll es so einfach wie möglich sein, die sich ständig ändernden Anforderungen des Marktes zu adressieren. Deshalb bietet Saber Harness mit dem Assembly Tool die Möglichkeit, die Produktkonfiguration flexibel zu gestalten, ohne Änderungen an den Schematics des Leitungssatzes durchführen zu müssen. Bild 3 zeigt das Assembly Tool, in dem sämtliche Leitungsatzfamilien aufgelistet sind. Grafisch kann hier die Produktkonfiguration erfolgen, indem im linken Fenster ausgewählt wird, welche Komponenten des Gesamtsystems für eine spezielle Produktkonfiguration berücksichtigt werden. Ändert sich das Packaging für diese Konfiguration zu einem späteren Zeitpunkt, weil der Autohersteller entscheidet, eine Funktion für zukünftige Produktkonfigurationen auch zu berücksichtigen, so kann man diese Änderung direkt mit dem Assembly Tool durchführen. Eine Änderung der Designs ist nicht notwendig.

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Bild 3. Komfortable Konfiguration des Produktes im Assembly Tool.

Das Konzept der Single Design Database bietet die Grundlage für den Harness Design Flow. Dieser gliedert sich in fünf Schritte, wie in Bild 4 dargestellt. Zunächst erfolgt das „Functional Design“. Hier werden die Anzahl der Sheets festgelegt, Komponenten in die Sheets eingefügt und mit logischen Verbindungen versehen. Dabei sind noch keine physikalischen Informationen wie z.B. Kabellänge und dergleichen berücksichtigt. Es gilt somit zunächst, das gesamte Design rein funktional darzustellen. Hier erfolgt schon im ersten Schritt eine Zuweisung von Varianten. Im nächsten Schritt geht es über zum eigentlichen Design des Leitungssatzes, welcher die Komponenten miteinander verbindet. Hierzu wird zunächst die Partitionierung des Leitungssatzes mit Hilfe von „Inline Connectors“ durchgeführt. Saber Harness bietet hierzu den Connector Manager, welcher sowohl Inline- als auch Component Connectoren verwaltet. Über den Connector Manager ist sofort erkennbar, wie die einzelne Pinbelegung für jeden Stecker aussieht und welche Leitungen mit dem Stecker verbunden sind. Bild 5 zeigt den Connector Manager mit einer Liste der Connectoren für ein Beispieldesign.

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Bild 4. Das Modell des Harness Design Flow.

Nun müssen die physikalischen Eigenschaften des Leitungssatzes hinzugefügt werden: Die zunächst rein logischen Verbindungen zwischen Komponenten oder Steckern werden durch physikalische Leitungen erweitert. Diese Leitungen werden aus der Datenbank ausgewählt und mit Daten wie Durchmesser und Leitungslänge versehen. Damit lässt sich unmittelbar das Gewicht des Kabelbaums ermitteln. Design und Routing des Leitungssatzes erfolgen im Allgemeinen in einem 3D-CAD-Tool. Saber Harness bietet hierfür eine Schnittstelle zu CAD-Programmen – z.B. Catia. Aus Catia heraus werden dann die physikalischen Daten exportiert und in Saber Harness importiert. Im Anschluss erfolgt das Bundle Design, bei dem die Leitungen zu den einzelnen Kabelbündeln gepackt werden. Hierzu stehen dem Entwickler zwei Möglichkeiten zur Verfügung:

  • Erstellung von „Wiring Bundles“ direkt aus einem Saber Harness Wiring Design.
  • Import der „Bundling“ Information aus dem 3D-CAD-System und zweidimensionale Projektion in Saber Harness.

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Bild 5. Zentrale Verwaltung aller Steckertypen im Connector Manager

  1. Das Virtuelle Fahrzeug (Teil 3)
  2. Verifikation des Leitungssatzes durch Simulation

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