Zeltwanger: Wenn wir ehrlich sind, dann brauchen die meisten Anwendungen nicht einmal die 1 Mbit/s. Für den Durchschnitt der CANopen-Anwendungen – oder mindestens der Anwendungen, die wir hier betreuen – lässt sich sagen, dass sie meistens nur 10 bis 15 Prozent der Busleistung ausnutzen. Die Anforderungen sind meist nicht so hoch, aber die Systeme sind komplex. Ein Beispiel ist die Firma Sandvik. Sie baut Untertage-Maschinen und sind dort Markführer. Die haben bis zu zehn CAN-Netzwerke in ihren Maschinen. Die Anforderungen an die Geschwindigkeit sind nicht so hoch, aber sie haben sehr komplexe Systeme, weil sie sehr viele Sensoren und Aktoren haben.
Zeltwanger: Es ist vielleicht gar nicht so bekannt: Auf dem Physical Layer gab es bis vor kurzem noch grundlegende neue Entwicklungen. Im letzten Jahr ist die „High Speed“-Norm mit „Low Power“-Funktion, veröffentlicht als ISO 11898-5, verabschiedet worden. Jetzt können also auch batterie-betriebene Geräte mit bis zu 1 Mbit/s CAN-Nachrichten senden und empfangen. Bisher betrug die maximale Bitrate 125 kbit/s. Die Forderung nach Bitraten über 1 Mbit/s werden wir nicht erfüllen können, dazu müssten wir die Lichtgeschwindigkeit erhöhen. Wir arbeiten aber noch an einer eigensicheren Übertragung von CAN-Nachrichten für die Prozessautomatisierung. Die Spezifikation wird in den nächsten Wochen verabschiedet.
Bezüglich des in ISO 11898-1 genormten CAN-Protokolls erwarte ich keine Änderungen. Man muss bedenken, dass wir in diesem Jahr 600 Mio. verkaufte CAN-Controller erwarten, akkumuliert erwarten wir sogar die zweite Milliarde. Da können wir kein Bit mehr ändern! Ich gehe davon aus, dass in diesem Jahrzehnt CAN zur „neuen“ UART-Schnittstelle wird. Alle wichtigen Mikrocontroller-Familien haben CAN bereits zumindest optional implementiert.
Bei CANopen erwartete ich weitere Profile für alte und neue Branchen. Als uns die CANopen-Spezifikation im November 1994 übergeben wurde, waren das 60 DIN-A4-Seiten; heute sind es knapp 4000. Und das ist erst der Anfang. In der Avionik – ESA will CANopen sogar in Satelliten verwenden – und in der Schifffahrt hat die Standardisierung von Profilen noch gar nicht begonnen. Weitere Branchen, die noch am Anfang stehen, sind die Eisenbahntechnik und die regenerative Energieerzeugung.
Das Interview führten Günther Klasche und Dr. Jens Würtenberg.
![]() | Holger Zeltwanger schloss 1976 sein Elektronikstudium an der Fachhochschule Braunschweig/Wolfenbüttel als Diplomingenieur ab. Er arbeitete zwei Jahre als Systemprogrammierer bei Siemens und anschließend mehr als 14 Jahre als Technischer Redakteur deutscher und amerikanischer Fachzeitschriften. 1992 initiierte er die Gründung der internationalen Anwender- und Herstellervereinigung CAN in Automation (CiA) und ist seitdem ihr geschäftsführendes Vorstandsmitglied. headquarters@can-cia.org |
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