Für die Firma nxtControl selbst brachte der Einsatz von 4DIAC eine Verkürzung der Entwicklungszeit, da keine eigene IEC-Runtime zu entwickeln war, sondern auf die FORTE von 4DIAC aufgesetzt werden konnte. Die Beteiligung zweier Systemintegratoren am Unternehmen stellt zudem sicher, dass das Produkt auch aus Anwendersicht entwickelt wird. Die Firma Metior aus Graz etwa bringt das Know-how aus der Prozessindustrie mit ein und die Firma Tessmar aus Hannover die Erfahrung in der Gebäudeautomation. Dies zeigt sich unter anderem an den vielen kleinen, aber effektiven „Helferlein“: Abgesehen von der Integration von Steuerung und HMI in einem Werkzeug, sind das vor allem Active-Zoom, Selective-Zoom, Testcontainer, Forcen aller Inputs und Outputs auf Baustein-Ebene, vorgefertigte Objekt-Bibliotheken, Diagnoseund Watch-Möglichkeiten und vieles mehr. Einer der beiden Systemintegratoren hat auf Basis des nxtControl-Tools bereits die Automation eines Schulungszentrums umgesetzt, welches über zwölf IEC-61499-Steuerungen mit mehr als 1500 angeschlossenen Ein-/Ausgängen verfügt. Heizung, Lüftung, Klima, Raumautomation, Beleuchtung, Beschattung, Monitoring der Energieverteilung und alles was sonst in einem Gebäude anfällt, konnten auf Basis des 4DIAC-Ansatzes in Rekordzeit automatisiert werden: Zur Erstellung der gesamten Automatisierung der 120 Räume von der Steuerung über die Visualisierung bis hin zu Einzelgeräten benötigten die Verantwortlichen lediglich drei Manntagen, für die Küchenlüftungsanlage mit Visualisierung weniger als zwölf Mannstunden. Die Bereitstellung einer einfach erweiterbaren Plattform für Forschungsprojekte ist neben dem industriellen Einsatz ein Ziel von 4DIAC. Dieses Angebot wird bereits mehrfach genutzt; dazu drei Beispiele:
Modularer Roboterarm
Anhand eines modularen Vertikal-Knickarmroboters mit sechs Freiheitsgraden, welcher aus mechatronischen Antriebsmodulen (PowerCubes) der Firma Schunk aufgebaut ist, wurde die Anwendbarkeit des verteilten Steuerungsansatzes auf Basis von 4DIAC untersucht und demonstriert. Über eine PC/104-Hardwareplattform mit einem Linux-Echtzeit-Betriebssystem und der Laufzeit-Umgebung FORTE erfolgt bei diesem Projekt die Ansteuerung von jeweils zwei PowerCubes. Zu diesem Zwecke wurden eigene IEC-61499-Service-Interface-Function-Blocks erstellt, welche auf der Motion-Control-Spezifikation der PLCopen beruhen. Zur Regelung eines jeden einzelnen PowerCube dienen PD-Regler. Ein PC/104-Modul übernimmt die übergeordnete Koordinationssteuerung der einzelnen PowerCubes. Mit diesem Steuerungskonzept lässt sich relativ einfach eine neue Konfiguration – das heißt sowohl eine Änderung der Hardwaremodule als auch der Steuerungslogik – durchführen. Der enorme Vorteil des IEC-61499-Ansatzes besteht darin, durch die komponentenorientierte Programmierung die Steuerungssoftware so auszuarbeiten, dass sie ähnlich dem mechanischen Aufbau gestaltet werden kann. Somit lässt sich die Steuerungsarchitektur analog dem mechanischen Aufbau realisieren.
Um bei der Applikationsentwicklung bereits während des Design- und Programmiervorgangs diverse Tests durchführen zu können, wurde weiterhin eine Anbindung des FORTE-Laufzeitsystems an ein 3D-Simulationswerkzeug realisiert. Grundlage hierfür bildete die Erstellung einer Bibliothek der PowerCube-Module für die 3D-Simulation, die ähnlich verwendbar ist wie die IEC-61499-Komponten-(Funktionsblock-) Bibliothek zur Ansteuerung der Power-Cube-Module. Durch diesen Ansatz ist frühzeitig im Entwicklungsprozess ein Test des Steuerungsprogramms an einer virtuellen Maschine beziehungsweise am Roboter durchführbar.
Integration von Bildverarbeitung
Eine weitere Anwendung, welche die Fähigkeiten des Standards IEC 61499 und der FORTE-Laufzeit-Umgebung demonstrieren soll, ist die Integration von Bildverarbeitungstechnologien in ein Automatisierungssystem. Die Grundidee dabei ist, die steigende Rechenleistung von Feldgeräten zu nutzen, um dort vor Ort Steuerungsfunktionalität zu integrieren und diese in einem verteilten Steuerungssystem zu verwenden.
Im konkreten Fall handelt es sich um einen Portalroboter-Versuchsaufbau, welcher an der TU Wien vorhanden ist. Dieser wurde um ein intelligentes Kamerasystem der Firma Festo, das mit einem leistungsfähigen Mikrocontroller und einer Ethernet-Schnittstelle ausgestattet ist, erweitert. Durch Portieren der FORTE auf die Kamera wird diese zu einem vollwertigen Teilnehmer im Automatisierungsverbund und ermöglicht direkte Reaktionen des Steuerungsprogramms aufgrund der mit der Kamera detektierten Anlagenzustände. Da die Lösung von Problemstellungen der Bildverarbeitung bis dato auf der Grundlage spezieller Programmiersprachen oder Tools erfolgt, müssen für die Integration des Bildverarbeitungssystems in die Automatisierungswelt verschiedene Programme implementiert werden. Um dies zu vereinheitlichen, hat das Institut für Automatisierungs- und Regelungstechnik der TU Wien eine eigene Funktionsblock-Bibliothek entwickelt, welche typische Bildverarbeitungsfunktionen kapselt. Durch Aneinanderreihen einzelner Funktionsblöcke, wie zum Beispiel Teile-Erkennung, ist es nun möglich, direkt im Steuerungsprogramm die Bildverarbeitungsaufgabe zu spezifizieren und auch direkt im Steuerungsprogramm darauf zu reagieren.
Zur Demonstration dieser Funktionalität wurde die FORTE-Kamera in ein 3-Achs-Portalrobotersystem eingebaut. Jeder Antrieb dieser Achse ist mit einer eigenen IEC-61499-Steuerung ausgestattet und mit Funktionsblöcken, welche auf der Motion-Control-Spezifikation der PLCopen beruhen, steuerbar. Im ersten Projektschritt galt es, Teile, die auf einer Palette an der Kamera vorbeigeführt werden, zu erkennen. In einem zweiten Schritt besteht die Aufgabe darin, vom Benutzer ausgewählte Teile mit einem Laserpointer zu markieren. Hierzu ist es notwendig, dass die Kamera die Achsen des Portalsystems so koordiniert, dass sie synchron mit der Palette mitfahren. Das Testsystem wird somit zur „fliegenden Säge“.
Drahtlose Kommunikation
Das „infoMechatronics Labor“ der Universität von Auckland (Neuseeland) schließlich hat eine Portierung von FORTE auf ein Steuerungsmodul mit Wireless-Ethernet-Unterstützung vorgenommen. Die Aufgabe dieses Steuerungsmoduls im Versuchsaufbau ist es, die Funktion einer mobilen Produktions-Ressource zu steuern. Im Testfall handelt es sich um eine Palette zur Aufnahme von mehreren Flüssigkeiten in beweglichen Behältern. Das Wireless-Modul nutzt hierbei seine Fähigkeiten, um sowohl mit der Füllstation und dem Transportsystem zu kommunizieren, als auch die Ein-/Ausgänge der Palette zu steuern, welche die Behälter bewegen. Dieser Anwendungsfall zeigt vor allem die erweiterten Kommunikationsfunktionen von IEC 61499 und auch die Hersteller-Unabhängigkeit. Im beschriebenen System kommen IEC-61499-Steuerungen verschiedenster Hersteller zur Anwendung, und doch werden alle aus einem Tool mit einer gemeinsamen Anwendung programmiert. Somit entfällt der lästige Aufwand, die Kommunikation für jedes Gerät in einem eigenen Tool zu konfigurieren.