Die Einführung von Industrie 4.0 bringt nicht nur große Vorteile mit sich, sondern auch einige Herausforderungen. Unternehmen müssen technische, organisatorische und strategische Hürden überwinden, die der Übergang mit sich bringen kann. Doch welche?
Eine der großen Herausforderungen bei der Einführung von Industrie 4.0 liegt zunächst weniger in der Technologie selbst, sondern vielmehr bei den Menschen und Prozessen, die für die Einführung erforderlich sind. Die Herausforderungen beginnen in der Phase der Planung und Ausarbeitung der Strategie. Die erste Voraussetzung ist ein guter Change-Management-Ansatz, der unmissverständliche Erwartungen an das Projekt und eine klare Kommunikation auf allen Ebenen im gesamten Unternehmen festlegt. Außerdem ist es notwendig, dass verschiedene Standorte oder Abteilungen eine kohärente Vorstellung von den Plänen, den Erwartungen und dem Endergebnis haben, um Verwirrungen und Verzögerungen zu vermeiden.
Massimiliano Cifalitti, Hub Division Manager Europe bei ABB Smart Power, stimmt zu, dass die Denkweise der Mitarbeiter des Unternehmens auf allen Ebenen die größte Herausforderung ist. »Führungskräfte sollten im Allgemeinen die Vision schaffen und den kulturellen Wandel in ihrem Unternehmen vorantreiben. Dabei sollte eine Führungskraft stets auf drei wesentliche Werte achten. Neugierde, denn das Team muss Innovationen annehmen, um den Status quo zu ändern. Mut, denn das Team und seine Führungskraft müssen Risiken eingehen und gleichzeitig die Kontrolle behalten. Und Kompetenz, weil vorhandene Fähigkeiten getestet und neue Fähigkeiten erforderlich werden, die erlernt werden müssen.«
Es kommt oft vor, dass Mitarbeiter an Industriestandorten nicht über alle nötigen Fähigkeiten für das Netzwerkdesign verfügen und nicht immer in der Lage sind, die Einführung der neuesten Technologien wie Cloud-Computing zu bewerkstelligen. Datensicherheit ist ein weiterer Punkt, der unter Umständen einige Unternehmen davon abhält, Industrie-4.0-Techniken einzuführen. Darüber hinaus besteht das Problem, dass die Industrie neue Technologien nur langsam einführt, möglicherweise wegen Befürchtungen, dass diese die Produktion beeinträchtigen würden. Das Entscheidende bei einer Fertigungsstätte ist, die Anlage am Laufen und die Produktion um fast jeden Preis aufrecht zu erhalten. Denn wenn eine Anlage nicht in Betrieb ist, bringt sie keinen Ertrag.
Hinzu kommt die Angst, eine neue Technologie zu früh einzuführen. Erstanwender zu sein birgt für viele Unternehmen ein zu großes Risiko, sodass sie eine abwartende Haltung bevorzugen. In der Zwischenzeit stellen andere Benutzer die anfänglichen Fehler fest und tragen so zur Ausreifung der Technologie bei.
Matt Dentino, beim Farnell-Partner Advantech tätig, spricht diese Bedenken an: »Heutzutage sind Erstversionen einer neuen Technologie viel robuster, viel sicherheitsbewusster und viel sicherheitsrelevanter als früher. Wir nehmen die Technologie und zerlegen sie in verwertbare Teile. Laut einer Studie der Gartner Group wird es bis 2025 über 50 Milliarden vernetzte Geräte in der Industrie geben. Das deutet darauf hin, dass die Menschen ihre mit einer frühzeitigen Einführung verbundenen Befürchtungen überwinden.«
Eine weitere entscheidende Herausforderung besteht darin, das Problem zu identifizieren, das Industrie 4.0 lösen soll. Viele Industrieunternehmen haben keine klare Vorstellung davon, was ihr Problem ist oder wie Industrie 4.0 dazu beitragen kann, es zu lösen. Versuchen sie, ein Problem im Zusammenhang mit der Lieferung, den Kosten, der Qualität, den verwendeten Tools oder der erreichten Leistung zu lösen? Zahlreiche Unternehmen verfügen weder über einen Plan noch über die interne Erfahrung, um eine geeignete Lösung bereitzustellen. Entscheidend ist auch, dass die meisten Unternehmen keinen internen Wegbereiter haben, der bereit wäre, sich die Strategie zu eigen zu machen und sie voranzutreiben.
Alexandra Rangel ist als National PowerXpert Application Engineer für die Sparte Stromversorgungskomponenten von Eaton tätig, einem Partner von Farnell: »Meist ist es nicht so, dass ein Kunde, ein Nutzer oder eine Branche keine Lösung finden kann, sondern es geht um die Entscheidung, wie man sich aufstellen soll, um das Ganze strategisch anzugehen – vielleicht mit kleinen, inkrementellen Projekten zu Beginn, bei denen es dank der Skalierbarkeit aber einfach ist, eine maximale Wirkung zu erzielen.
Sie fragen: ‚Wie erfasse ich meine Daten? Wie visualisiere ich diese Daten? Finde ich heute irgendwelche Muster, die meinen Plan optimieren?‘ Wenn Sie bei Industrie 4.0 wirklich fortschrittlich sind, werden Sie fragen: ‚Wie kann ich eine intelligente und autonome Entscheidungsfindung zu einem Teil meines Prozesses machen?‘ Sie fragen auch: ‚Was kann ich bei meiner Fertigungsgestaltung und in meinem Betrieb tun, das mir dabei hilft, effektiver zu werden, nicht nur in der Kapitalplanungsphase, sondern auch in der Betriebsphase?‘ Zum Beispiel Abfallreduktion?« Insgesamt müssten vor einem Umstieg auf Industrie 4.0 fast alle diese Fragen oder noch weitere beantwortet sein.
Auch aus technischer Sicht gibt es Hindernisse, die überwunden werden müssen. Dies gilt besonders für länger etablierte Anwendungen, wo es oft nicht einfach ist, Daten-Connectivity-Netzwerke und tiefe Sensorinstallationen zu erstellen, die für Industrie-4.0-Systeme von grundlegender Bedeutung sind.