Industriepolitik und Elektronik

Ein interessantes Spannungsfeld

29. Juni 2016, 9:23 Uhr | Heinz Arnold
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Gutes Forschungsumfeld

NXP Weyer
Jürgen Weyer, NXP: »Wir stellen immer noch die Technik in den Vordergrund, im Silicon Valley ist es das Geschäftsmodell.«
© Martk & Technik

»Dieses strategische Verständnis wäre bei uns auch nötig: Wir müssen unsere Produkte in China verkaufen«, so Bier. Umgekehrt sei China hierzulande schon gut unterwegs: Chinesische Unternehmen investieren in Deutschland, vor allem in Übernahmen. »Denn sie wollen hier fertigen – nicht zuletzt, weil „Made in Germany“ immer noch zieht«, wie Siegfried Gross beobachtet hat, Vorsitzender der Geschäftsführung von Keysight Technologies.
 
Wenn das so ist, dann kann im Umkehrschluss hierzulande auch nicht alles so schlecht sein, wie es oft geredet wird. »In Europa haben wir im Grunde alles, was wir brauchen«, sagt Siegfried Gross. Und der Amerikaner Brian Wilken, Managing Director von Avnet, der seit 15 Jahren in Deutschland lebt, stimmt durchaus zu: »Es gibt hier viele gute Unis, auch das Schulsystem ist gar nicht so schlecht. Es gibt viele gut ausgebildete und engagierte junge Leute. Als Teil der Industrie, ob Distributoren oder Hersteller, können wir sie unterstützen, und das tun wir, und wir tun es gerne.«

Auch das Forschungsumfeld ist sehr gut, wie Siegfried Gross bestätigt: »Die Fraunhofer-Gesellschaften beispielsweise leisten sehr gute Arbeit. So etwas gibt es sonst nirgends auf der Welt. Insgesamt habe ich den Eindruck, dass die jungen Leute von heute kreativer und optimistischer an die Sachen herangehen als die Vorgängergenerationen.« – »Und es gibt hier durchaus tolle Ideen, die man auch umsetzen kann, heute vielleicht sogar besser als in der Vergangenheit«, sagt Dominik Reßling, President von MSC Technologies. Davon ist auch Jürgen Weyer von NXP überzeugt: »Die Möglichkeiten sind da, das zeigt beispielswiese die Medical-Valley-Initiative rund um Erlangen, in deren Rahmen viele Start-ups entstanden sind. Auch in Berlin tut sich sehr viel.«
 
Da stellt sich die Frage, ob die Ausbildung an Schulen und Universitäten geeignet ist, um auf die neue Welt von IoT und Industrie 4.0 vorzubereiten. Hier den Rahmen zu setzen, das ist ja auch eine der originären Aufgaben des Staates. Jürgen Weyer findet es sehr gut, dass wir in Deutschland auch an den Universitäten immer noch eine sehr breit angelegte Ausbildung haben, denn auf ein spezielles Gebiet hin fertig ausgebildeten Ingenieur erwarteten und bräuchten die Unternehmen nicht. Die breite Ausbildung sei eine gute Grundlage, um dann in den Betrieben weiter zu lernen. Darauf komme es bei den sich immer mehr verkürzenden Zyklen – sowohl was die Technik als auch was die wirtschaftlichen Prozesse anbelangt – künftig noch mehr als heute an.

Generell gelte: »Eine solide technische Basis ist immer gut.« Für den Rest sind dann die Betriebe zuständig, und das seien sie laut Dominik Reßling von MSC auch gerne, allerdings: »Die Kandidaten müssen auch wollen, wir brauchen Mitarbeiter mit Engagement!« Gerade deshalb sollten die Firmen sich möglichst früh unterstützend engagieren, meint Jürgen Weyer. Eine Forderung, die Siegfried Gross nur unterstreichen kann. Er hat sogar schon Erfahrungen mit Kindergärten gesammelt, allerdings eher weniger ermutigend: »Vorschläge, die in Richtung Technik gingen, fanden offenbar nicht das Interesse der Verantwortlichen.«

Krisenbewältigung

Ein Lob für die Politik
»Wenn der Markt plötzlich um 40 Prozent einbricht, dann werden alle sehr nervös«, erinnert sich Thomas Rudel an die große Wirtschaftskrise, ausgelöst vom Zusammenbruch von Lehmann Brothers. »Wenn dann noch die Banken wackeln, dann wackelt alles.« Die gesamte Elektronik war tief von der Krise getroffen, die Automobilindustrie – sonst ein relativ robuster, von den Consumerzyklen wenig berührter Markt, fuhr die Aufträge drastisch zurück.

In dieser dramatischen Situation hat die Politik gezeigt, was sie machen kann. Alle Forumsteilnehmer sind auch heute noch voll des Lobes: »Die Politik hat sehr schnelle Entscheidungen getroffen«, sagt Johann Weber. Damit habe sie der Industrie sehr geholfen, insbesondere mit der Abwrackprämie. Nicht zuletzt auch, weil die Aktion definiert war: Sowohl wer in den Genuss der Prämie kam als auch über welchen Zeitraum sie sich erstreckte, war vorgegeben.

MSC Reßing
Dominik Reßling, MSC Technologies: »Es gibt in Deutschland durchaus tolle Ideen, die man auch umsetzen kann, heute vielleicht sogar besser als in der Vergangenheit.«
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  2. Gutes Forschungsumfeld
  3. IoT schafft Jobs

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