Wie sieht die Praxis heute aus? Eine wichtige Phase im Engineering einer Produktionsanlage ist das „Virtual Commissioning“; hier wird das reale Automatisierungssystem (SPS) via OPC mit der virtuellen mechanischen Simulationsumgebung logisch verbunden. Damit erhält der Anlagenbauer die Möglichkeit, Bewegungen und Funktionsabläufe auszutesten und zu validieren, bevor überhaupt die Produktionsanlage physikalisch gebaut wird. Ein wichtiger Schritt, der heute weitgehend praktisch umgesetzt wird und bereits messbar Kosten spart. Aber das beeinflusst noch nicht die Art und Weise, wie Steuerungen programmiert werden – man muss ja schließlich warten, bis die Simulationsumgebung definiert und das Steuerungsprogramm fertig gestellt ist. Erst dann kann man die beiden Komponenten zusammenschalten, um das Ergebnis zu überprüfen. Mit anderen Worten: Die Entwurfsprozesse für Simulation und Logik laufen unsynchronisiert nebeneinander her, zwar zeitlich parallel, aber ohne Möglichkeiten gegenseitiger Korrekturen schon während der Entwurfsphase.
Effizienter wäre doch, wenn mit dem Testen nicht gewartet werden müsste, bis Programm und Simulation fertig sind, sondern wenn sich schon früher mit dem Abgleich beginnen ließe? Ein reizvolles Szenario, das weitere Einsparung von Zeit und Aufwand verspricht.
Ein solches Modell haben die Firmen Dassault Systemes und Rockwell Automation kürzlich im Rahmen einer Partnerschaft vorgestellt: Daten und Objekte lassen sich hier zu einem beliebigen Zeitpunkt zwischen den Designtools für Mechanik (Delmia Automation V5) und Logik (RSLogix5000 V17) in beiden Richtungen austauschen. Ermöglicht wird dies durch einheitliche XML-Export/Import-Objekt-Interfaces in beiden Tools – mit gleichen Objektstrukturen und gemeinsamen Namensdomänen. Nun lässt sich die virtuelle Kommissionierung effektiv beschleunigen, denn das Warten bis zur Fertigstellung aller Teile entfällt: Es lässt sich all das schon einmal abgleichen und testen, was zu einem beliebigen Zeitpunkt bereits fertig ist. Alle ausgewählten Smart Devices aus der Delmia-Objektbibliothek lassen sich mit den entsprechenden Logix-Add-On-Instruktionen abgleichen: Die Objekte werden aus der Delmia-Umgebung (Mechanik) an die Logix-Umgebung (Ablaufsteuerung) übermittelt und bezüglich Objekt-Attributen und -Instanzen mit den dort vorhandenen Bibliotheksobjekten (AOI) verglichen. Gleiches erfolgt in umgekehrter Richtung. Alle Abweichungen bei den Objekt-Attributen, etwa bei den Übergabeparametern von Bausteinen, werden sofort im jeweils anderen Tool erkannt und gemeldet. Wurde beispielsweise in der Mechanik bei einem Objekt „Steuerpult“ ein Not-Aus-Taster hinzugefügt, so erkennt der Steuerungsprogrammierer diese Änderung sofort und kann sie unmittelbar in seinem Programm berücksichtigen. Die nachfolgende Simulation kann nun auf bereits synchronisierten Objektbibliotheken aufsetzen – mit deutlich verringertem Nacharbeitungsaufwand.
Die Änderung von Projekten
Während die potenziellen zeitlichen Einsparungen der 3D-Simulation beim ersten Entwurf eines digitalisierten Anlagenmodells noch nicht in Erscheinung treten, werden die wesentlichen Vorteile in der Wiederverwendung oder Überarbeitung bereits digitalisierter Modelle offensichtlich. Hier bringt die unmittelbare Synchronisierung der Mechanik/Logik-Objekte bezüglich der durchgeführten Änderungen ganz erhebliche Zeitvorteile. Änderungen sind so viel schneller umsetzbar. Eine frühere und schnellere Abstimmung bei der Kommissionierung kann damit den Produktionsstart der Anlage maßgeblich verkürzen, einen zu engen Terminplan durch Zeitgewinn relativieren oder Lieferverzug bei kritischen Zulieferteilen kompensieren.