Energieeffiziente Produktion

Erfolgsmodell mit Hindernissen

23. September 2013, 10:26 Uhr | Andreas Knoll
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Fortsetzung des Artikels von Teil 1

Was ist schon umgesetzt, was bleibt noch zu tun?

Frank Jüngst, Danfoss
Frank Jüngst, Danfoss: »Generell gibt es noch sehr viel zu tun, und zwar auf jeder Ebene - von der Auslegung der Antriebe über deren Betrieb bis hin zu übergeordneten Systemen.«
© Danfoss

Wie anfangs schon angedeutet, ist zwar manches technisch Mögliche schon in die allgemeine Praxis umgesetzt. Vieles harrt aber noch einer Umsetzung: »Bei der Errichtung neuer Anlagen ist bei Motoren die Energieeffizienzklasse IE2 bereits gesetzlicher Standard«, legt Engelbert Lang dar. »Erheblichen Handlungsbedarf sehen wir noch bei der Umrüstung von Altanlagen. Weil die Bestandsanlagen von der gesetzlichen Verpflichtung ausgenommen sind, wird hier eine Bewertung meist nach rein ökonomischen Gesichtspunkten durchgeführt.« Sehr häufig fehle jedoch die nötige Transparenz (Verbrauch und Kosten), um die entsprechenden Mehrkosten nichteffizienter Antriebe mit wenig Aufwand darzustellen.


Massiv in die Produktion Einzug hält Engelbert Lang zufolge derzeit Energie-Management-Software: »Mit den geänderten gesetzlichen Rahmenbedingungen und der Kopplung der EEG-Rückerstattung an die Norm ISO 50001 ist die Nachfrage nach Energie-Management-Software stark gestiegen«, führt er aus. »Viele Unternehmen schaffen jetzt die Basis, mit entsprechender Messtechnik und einer geeigneten Energie-Management-Software auf die gestiegenen Anforderungen zu reagieren. Ein wesentlicher Aspekt ist dabei die Transparenz über das gesamte Produktionssystem, um Einsparmaßnahmen aufzuspüren und das Bewusstsein hinsichtlich Energiekosten bzw. ökologischer Ressourcenverwendung zu schärfen und somit das Verhalten dementsprechend anzupassen.« Darüber hinaus finde man »in manchen Produktionsprozessen schon intelligente Abschaltkonzepte, die sich jedoch nur selten auf das gesamte Produktionssystem ausdehnen.«


Tobias Sedlmeier stimmt ihm zu, sieht aber das Vordringen von Energie-Management-Software noch in einem früheren Stadium: »Obwohl den Produktionsunternehmen mittlerweile technisch ausgereifte Lösungen für das Energie-Management zur Verfügung stehen, nutzen viele Unternehmen deren Potenzial noch nicht; Lösungen sind in weiten Teilen gar nicht oder nur ansatzweise umgesetzt«, stellt er fest. »Steigende Energie- und Rohstoffpreise, ein gesellschaftliches Umdenken sowie Förderprogramme der Regierung führen jedoch dazu, dass jetzt immer mehr Unternehmen aktiv eine Lösung suchen.« So fördere beispielsweise das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie seit dem 15. August 2013 Firmen, die ein Energie-Management-System nach ISO 50001 einsetzen, mit finanziellen Zuschüssen.

Konrad Steinmetz, Felten Group
Konrad Steinmetz, Felten Group: »Es werden zunehmend Steuerungssysteme zum Einsatz kommen, die entsprechende Energiedaten automatisch mitliefern können.«
© Felten

Noch viel zu wenig geschehen in Sachen energieeffiziente Produktion ist aus Sicht von Frank Jüngst. Ihm zufolge sind nach wie vor zahlreiche Antriebe ohne Drehzahlregelung im Einsatz: »In der Chemie zum Beispiel sind dies schätzungsweise 60 bis 70 Prozent«, sagt er. »Generell gibt es noch sehr viel zu tun, und zwar auf jeder Ebene - von der Auslegung der Antriebe über deren Betrieb bis hin zu übergeordneten Systemen.« Mit aktuell verfügbarer Technik ließe sich weit mehr Energie einsparen: »Gemäß der alten Weisheit, dass die nicht verbrauchte Energie die ‚grünste‘ ist, sollte man eigentlich daran mehr arbeiten als an der Suche nach neuen Energiequellen.«


Ein Problem dabei ist laut Frank Jüngst, dass die energieeffiziente Gestaltung der Produktion für viele Anwendungen nicht im Vordergrund steht: »Wichtiger ist für die meisten Applikationen verständlicherweise die Prozess- und Produktsicherheit als Priorität eins«, sagt er. »Energieeffizienz steht meist an zweiter Stelle oder wird als zusätzlicher Stellparameter gesehen. Ganz sicher ist sie ein wichtiger Faktor, aber eben nicht der allein priorisierte. Im Verhältnis zum eigentlichen Prozess spielt sie stets eine untergeordnete Rolle, obwohl durch den Einsatz von Frequenzumrichtern Prozesse sehr energieeffizient optimiert werden könnten.«


Konrad Steinmetz sieht die energieeffiziente Organisation des Produktionsprozesses mittels Software erst am Anfang: »Im Produktionsalltag der Unternehmen ist noch fast nichts umgesetzt«, bedauert er. »Es bestehen meist nur manuelle Aufzeichnungen und Analysen beispielsweise mit Excel. Teilweise sind einzelne heterogene Systeme vorhanden, die aber nicht den gesamten Prozess betrachten können und sich auch nicht ohne Weiteres miteinander koppeln lassen, um entsprechende Relationen darzustellen.« Hierzu gehörten beispielsweise einzelne Energie-, MES-, BDE- und Qualitäts-Systeme. »Außerdem fehlen Darstellungen der gesamten Prozesse sowie von deren Abhängigkeiten bezüglich Energie-, Produktions- und Qualitäts-Daten und daraus abgeleiteter Kennzahlen. Auch die Kennzahlen und Reports sind im Regelfall noch unzureichend.«


Laut Konrad Steinmetz werden ferner Energieeinsatz und Produktionsdaten häufig nicht aufeinander bezogen. »Ebenso besteht vielfach nicht die nötige Veränderungsbereitschaft, wenn neue Anforderungen aufkommen«, führt er aus. »Auch ein direkter Bezug des Energie-Managements mit dem Produktions-Controlling ist erst selten vorhanden. In der Praxis fehlt es obendrein an den richtigen Konzepten, wie sich Sensoren einfach anbinden und möglicherweise auf andere Produktionssysteme umbauen lassen.« Auch in der Antriebstechnik liegt ihm zufolge noch einiges im Argen: »Nach unseren Erfahrungen sind immer noch ältere Antriebe im Einsatz, die sich als große Stromfresser erweisen«, sagt er. »Doch deren Austausch ist teuer.« Insgesamt ist aus seiner Sicht also reichlich Nachholbedarf vorhanden.


  1. Erfolgsmodell mit Hindernissen
  2. Was ist schon umgesetzt, was bleibt noch zu tun?
  3. Welche technischen Entwicklungen sind künftig zu erwarten?

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