Wie sieht ein Unternehmen, das im Jahr 4,6 TWh Strom abnimmt, die Energiewende? Aluminiumhersteller Trimet Aluminium AG, der jährlich 500.000 t Aluminium produziert, wünscht sich vor allem eines, wie Vorstandsvorsitzender Dr. Martin Iffert erklärt: »Wir brauchen eine wettbewerbsfähige und sichere Stromversorgung. Gerade zur Sicherheit der Stromnetze können wir einen entscheidenden Beitrag leisten. Jedoch ist dafür die Umsetzung der Abschaltverordnung notwendig.«
Energie & Technik: Die Energiewende ist beschlossene Sache, allerdings gibt es noch viel zu tun. Wo sehen Sie dringenden Handlungsbedarf?
Dr. Martin Iffert: Zur Umsetzung der Energiewende sind neben dem Ausbau der Erneuerbaren Energien ganz dringend auch Stromautobahnen und Stromspeicher zu bauen. Einen Teil dieser Stromspeicherung könnte die Industrie mithilfe eines entsprechenden Lastmanagements übernehmen. Trimet beispielsweise trägt mit ihrem Grundlastprofil entscheidend zur Stabilisierung des Netzes bei. Unsere Leistung lässt sich mithilfe der Assoziation mit Wasserwellen in Strandnähe verbildlichen: Ohne unsere Grundauslastung wäre jede Schwankung im Netz nicht eine Woge auf hoher See, sondern eine zerstörerische Brandung in flachem Wasser. Wir haben in der Vergangenheit mithilfe unserer Produktionsanlagen mehrfach das Netz vor einem Zusammenbruch bewahrt. Auch in diesem Jahr haben wir unsere Anlagen, auf Anforderung des Netzbetreibers, wiederholt zur Netzstabilisierung eingesetzt. Gerade weil der Anteil der fluktuierenden Erneuerbaren Energien steigt, sind solche Stabilisierungsmaßnahmen zunehmend erforderlich. Hierfür ist ein Anreizsystem zu schaffen, was z.B. mit der geplanten Abschaltverordnung erreicht werden könnte. Bis zum Jahr 2000 hatten wir die Abschaltvergütung bekommen – als Teil des Sondertarifs, den Grundlastabnehmer wie Aluminiumhütten aushandelten. Dann wurde die Abschaltvergütung im Zuge der Liberalisierung in Deutschland abgeschafft.
Im Moment liefert Trimet den Service der Stabilisierung ohne dafür Geld zu bekommen?
Ja, aber diese Leistung ist für uns mit zusätzlichen Kosten verbunden, die nicht weiter tragbar sind. In anderen europäischen Ländern bekommen die Aluminiumhersteller entsprechende Vergütungen. Leider liegt der Entwurf zur Abschaltverordnung derzeit zwischen den zuständigen Ministerien auf Eis. Es wäre aber für die Netzstabilisierung ausgesprochen wichtig, zu einer Regelung zu kommen.
Können Sie ein Beispiel nennen?
Als 2006 eine Leitung über der Ems abgeschaltet wurde, um einem neu gebauten Schiff den Weg von der Werft ins Meer frei zu machen, kam es zu einem lokalen Blackout. Weil Trimet und einige andere Aluminiumhütten kurzfristig ihre Produktionsanlagen vom Netz genommen haben, konnten wir verhindern, dass es zu einem deutschland- oder sogar europaweiten Blackout kam.
Spielen kurzfristige Versorgungsstörungen für Trimet eine Rolle?
Nein, sonst könnten wir nicht stundenweise unsere Abnahme bei Bedarf herunterfahren. Allerdings haben hochautomatisierte Fertigungsstraßen mit dem Flackern ein Problem und das hat tatsächlich zugenommen.
Wie lange könnte Trimet ohne Strom die Produktion aufrechterhalten?
Allerhöchstens vier Stunden, danach sind unsere Elektrolysezellen irreparabel zerstört.
Gibt es Notstromsysteme?
Ja, aber die sind dazu da, bei Stromausfall wichtige Steuerungsanlagen in Betrieb zu halten. Zur Versorgung der Elektrolyse würden wir ein riesiges, eigenes Kraftwerk benötigen.
Haben Sie schon einmal mal darüber nachgedacht, ein eigenes Kraftwerk zu bauen?
Nachgedacht schon, aber unser Kern-Know-how besteht rund um den Werkstoff Aluminium. Für das Betreiben von Kraftwerken gibt es andere Spezialisten.
Was würden sie sich für die Energiewende neben der Abschaltverordnung noch wünschen?
Von zentraler Bedeutung für das Gelingen der Energiewende und damit für die Sicherung des Industriestandortes Deutschland sind wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen für die Industrie. Nur unter international vergleichbaren Bedingungen werden Windkraftanlagen oder Photovoltaik-Anlagen mit Metallen aus Deutschland gebaut, und die industriellen Wertschöpfungsketten wandern nicht nach China, Indien oder in den mittleren Osten ab.
Der Strompreis liegt in Deutschland bekanntermaßen im internationalen Vergleich nicht gerade an unterster Stelle. Welche Auswirkungen hat dies für Trimet?
Für Großabnehmer von Grundlaststrom liegt der Börsenpreis aktuell bei rund 50 Euro pro MWh im Jahresmittel. Insgesamt benötigten wir eine Energie von 4,6 TWh pro Jahr, was rund 1 Prozent des gesamten deutschen Energiebedarfs an Strom entspricht. Da fällt natürlich ins Gewicht, dass unsere Wettbewerber in Europa nur 60 bis 80 Prozent unseres Strompreises bezahlen müssen, außerhalb Europas sind es sogar nur 50 bis 60 Prozent. Der Strompreis bestimmt 40 bis 50 Prozent der Gesamtkosten in der Aluminiumproduktion, die Personalkosten machen dagegen nur 5 Prozent aus.
Wie viel Energie ist denn erforderlich, um 1 kg Rohaluminium zu gewinnen?
Die Europäische Kommission hat erst kürzlich in einem Gutachten den Benchmark-Wert für Energien festgelegt. Dieser entspricht den besten Produzenten Europas mit
14 kWh pro Kilogramm Aluminium. In diesem Wert ist sowohl die Wandlung des Hochspannungs-Wechselstroms in den Gleichstrom als auch die Versorgung der Nebenaggregate eingerechnet.Wir bei Trimet liegen mit unserem hocheffizienten Produktionsanlagen im Bereich dieses Benchmark-Wertes, und dies, obwohl wir in Deutschland teilweise höhere Umweltauflagen zu erfüllen haben als in anderen europäischen Ländern.
Warum produzieren Sie Aluminium in Deutschland?
Die räumliche und persönliche Nähe zum Kunden ist ausschlaggebend für unser Geschäft. Nicht umsonst sitzen rund 80 Prozent unserer Kunden in einem Umkreis von 250 Kilometern. Insbesondere in der Forschung und Entwicklung ist die enge Zusammenarbeit entscheidend für Werksstoffinnovationen. Wir können und wollen unser Geschäft nicht in ein anderes Land verlagern. In Deutschland sitzen innovative Weiterverarbeiter. Nur ein kleiner Teil des Aluminiums geht unbearbeitet direkt in den Druckguss. Den größeren Teil veredeln wir zu Aluminiumlegierungen, die speziell auf die entsprechenden Einsatzbereiche zugeschnitten sind. Viele Produktinnovationen sind überhaupt erst durch Werkstoffinnovationen möglich. Dazu tragen wir durch unsere Entwicklungen maßgeblich bei, rund 50 Mitarbeiter arbeiten in der Materialentwicklung.
50 Prozent des Aluminiums stellt Trimet über die Reduktion von Tonerde her, 50 Prozent über das Recycling. Könnte man den Anteil des weniger energieaufwändigen Recycling erhöhen, um den Energieaufwand für die Herstellung insgesamt zu reduzieren?
Leider gibt es nicht genügend Aluminium, das für das Recycling zur Verfügung steht. Für viele sicherlich überraschend: Aluminium wird seit 1888 im industriellen Maßstab gewonnen, 75 Prozent des gesamten Aluminiums, das seit 1888 hergestellt wurde, hat schon mehrere Recyling-Stufen durchlaufen und ist heute noch in Gebrauch. Der Recycling-Anteil ist also sehr hoch, bei Kraftfahrzeugen beträgt er sogar über 90 Prozent. Die Qualität des recycelten Aluminiums unterscheidet sich nicht von der Qualität des in der Primärstufe gewonnenen Aluminiums. Ein Motorblock kann immer wieder recycelt und zu einem neuen Motoerblock verarbeitet werden, cradle-to-cradle-recycling nennt sich das.
Die Nachfrage nach Aluminium wächst also so schnell, dass der Anteil des Recycling-Aluminiums nicht so stark ins Gewicht fällt?
Ja, gerade der Wunsch, Energie zu sparen und effizient zu nutzen, steigert den Bedarf an Aluminium. Allein der Ausbau der Solar- und Windenergie sowie der Netzausbau im Rahmen der Energiewende treiben unserer Schätzung nach den Bedarf an Aluminium in Deutschland um 1 Million t in die Höhe.
Mehr Aluminium im Auto führt zu weniger Benzinverbrauch, im Elektroauto sorgen leichtere Materialien für eine höhere Reichweite bei gleicher Batteriegröße. Heute wandern pro Jahr allein 50 Millionen t Standardstahl in den Bau von Kraftfahrzeugen. In 10 bis 20 Jahren werden es nur noch 25 Millionen t sein, weil Spezialstähle und vor allem Aluminium an die Stelle des bisher verwendeten Standardstahls treten.