Das hessische Start-up Air Profile hat ein neues Lidar-Fernmessverfahren für die berührungslose Windmessung entwickelt. Als Folge dessen können Windgeschwindigkeit und Windrichtung in den für Windturbinen relevanten Höhen bis 200 Meter exakt gemessen werden. Mit dabei ist ein Laser von Acal BFi.
Investoren wie auch Projektierer von Windparks benötigen sehr genaue Angaben darüber, welchen Ertrag ihre Investitionen am vorgesehenen Standort zukünftig erwirtschaften. Windgeschwindigkeiten in Höhe des Rotors müssen daher vorab exakt bestimmt werden. Windmess-Masten erlauben zwar genaue Messungen, ihr Bau ist jedoch teuer und die Höhe moderner Windkraftanlagen setzt dieser Technologie zunehmend Grenzen.
Günstiger und flexibler sind sogenannte Lidar-Systeme, die vom Boden aus mittels Laser einen Luftbereich scannen. Anhand winziger Partikel, die der Wind mitträgt, bestimmen sie die Windstärke. Verwirbelungen im gescannten Bereich, die insbesondere in komplexen Geländeklassen wie Hügel, Berge oder auch Städten vermehrt auftreten, führen bei bisherigen Verfahren allerdings zu inakzeptablen Messabweichungen, so dass Lidar-Systeme noch nicht uneingeschränkt verwendet werden können.
Das Start-up Air Profile ändert dies nun. Dessen Lidar-Verfahren verringert die Messunsicherheit durch ein Zusammenspiel aus Laser und Opto-Elektronik deutlich. Statt eines ganzen Bereichs samt Verwirbelungen zu scannen, schicken die Kasseler nur einen Laserstrahl vertikal Richtung Himmel. Auch bei ihrem System werden Windgeschwindigkeiten durch mitgewehte Partikel ermittelt. Allerdings ist das durchgeführte berührungslose Punktmessverfahren unempfindlich gegenüber Verwirbelungen und gewährleistet damit genauere Ergebnisse unabhängig der Standorteigenschaften.
Als Strahlungsquelle hat sich für diese Anwendung der kompakte und luftgekühlte Onda 532 nm von Acal BFi/Bright Solutions inklusive der digitalen Steuerbox sowie Softwareschnittstelle bewährt. Das Gerät zeichnet sich durch eine optimale Kombination aus Pulswiederholrate und Energie pro Puls des aktiv gütegeschalteten Lasers aus, dessen Merkmale Kompaktheit, Unempfindlichkeit gegenüber Umgebungsbedingungen, einfache Handhabung und Integration sowie große Flexibilität während des Betriebs sind.
Aus messtechnischen Gründen arbeitet das Lidar von Air Profile in einem Frequenzbereich zwischen 10 kHz und 50 kHz. In diesem Bereich bietet der Onda 532 nm mit seiner maximalen Pulsenergie von 400 µJ und seinen kurzen Pulslängen von 2 ns bis 10 ns sehr gute Voraussetzungen, um atmosphärische sowie die durch die geringe Größe der im Messvolumen reflektierenden Partikel entstehenden Verluste zu kompensieren und eine für eine erfolgreiche Messung erforderliche Lichtmenge zu gewährleisten.
In diesem Zusammenhang spielen aber auch die gute Strahlqualität ebenso wie die Puls-zu-Puls-Stabilität des Lasers eine große Rolle. Diese beiden Größen beeinflussen in hohem Maße die Modulation der Frequenzen, die letztendlich durch das Messsystem erfasst und aus denen die Windgeschwindigkeiten abgeleitet werden. Im Vergleich mit anderen getesteten Lasern war der Onda 532nm in diesen Bereichendie beste Wahl.
Für die erfolgreiche Überführung der Messtechnik in die Praxis sind sehr hohe Anforderungen an Messgenauigkeit und Datenverfügbarkeit zu erfüllen. In den vergangenen zwei Jahren fanden daher neben Langzeitmessungen am firmeneigenen Referenzmessmast Tests in Kooperation mit verschiedenen Forschungsinstituten mit unterschiedlicher Zielsetzung statt.
Ein Expertenteam des Fraunhofer-Instituts für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik (IEE) erforscht seit vielen Jahren Lidar-Fernmesstechnik im komplexen Gelände und kennt das Messverhalten unterschiedlicher Lidar-Geräte und Messverfahren in dieser herausfordernden Geländeklasse bestens.
Für Untersuchungen der Messperformance des lateralen Messverfahrens von Air Profile stellte das Institut hierfür seinen 200 Meter hohen Forschungsmessmasten zur Verfügung. Die hier aufgenommenen Daten bestätigten die grundsätzliche Eignung des neuen Punktmessverfahrens für Standorte mit komplexen Strömungsbedingungen und führten zu weiteren Optimierungen von Sende- und Empfangsoptik.
In dem Forschungsprojekt ROSE – dessen Ziel es ist, ein Forschungslabor für die Entwicklung von Kalibrierverfahren für neue Lidar-Windmesstechnik und innovative Messdienstleistungen zu etablieren – des Fraunhofer IEE und Wind-Consult werden weitere Forschungsarbeiten erfolgen. Unter Berücksichtigung des neuen Messverfahrens von Air Profile sollen heutige Standards zur Klassifizierung und Kalibrierung von Wind-Lidar-Systemen angepasst werden. Bisher erforderliche mehrwöchige Verifikationsmessungen am Messmast sollen hierdurch maßgeblich verkürzt oder bestenfalls hinfällig werden.
Im Oktober 2021 gelang den Entwicklern von Air Profile ein weiterer wichtiger Schritt auf dem Weg zur Validierung ihrer Technologie: Eine Vergleichsmessung mit einem Laser-Doppler-Anemometer (LDA) als Bezugsnormal in der neuen Windkanalmesseinrichtung der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) in Braunschweig, einem Teil des ansässigen Kompetenzzentrum für Windenergie (CCW).
Der Versuchsaufbau ist insofern einmalig, da marktübliche Wind-Lidar-Systeme aufgrund ihrer großvolumigen Messverfahren technisch nicht in der Lage sind horizontale Windgeschwindigkeiten in einem Windkanal zu messen. Für deren Validierung ist stets der deutlich zeitintensivere und mit höheren Unsicherheiten belastete Umweg mittels einer Vergleichsmessung zum Messmast im Freifeld beziehungsweise der daran angebrachten Anemometer notwendig. Für die Air-Profile-Forscher sind die im Windkanal der PTB erzielten Ergebnisse ein eindeutiges Indiz für das große Potential des neuartigen Punktmessverfahrens.
Neben der Standortbewertung im Windenergiesektor wurde in einem kürzlich beendeten hessischen Förderprojekt in Kooperation mit dem Fachbereich Verteilte Systeme der Universität Kassel das Messverfahren klein skaliert, um weitere Anwendungsgebiete zu erschließen. Hier sind vor allem die Überwachung der Wind- und Strömungssituation bei kritischen Infrastrukturen wie Flughäfen und urbanen Helikopterlandeplätzen relevant.
Interesse kommt auch von der Feuerwehr sowie dem Katastrophenschutz bei der Unterstützung, Koordination und Planung von Löscheinsätzen anhand lokaler Windbestimmung und -kartierung.
Das sicherlich interessanteste zukünftige Einsatzgebiet beschäftigt sich mit der Eroberung des urbanen Luftraums. Um eine vertikale Infrastruktur innerhalb von Städten zu schaffen, bedarf es eines Systems, welches die dynamischen Autobahnen der Lüfte live überwacht und managt. Das erfolgte Forschungsverbundprojekt prüfte auch Lösungsansätze, wie laterale Lidar-Systeme sich hier als Baustein integrieren lassen können. (kv)