Die Schere zwischen Windenergie und Netzausbau öffnet sich weiter

Matthias Kurth, Bundesnetzagentur: »Blackouts drohen nicht«

2. November 2010, 17:55 Uhr | Heinz Arnold
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Hochtemperaturleiter statt Netzausbau?

Um den Strom von den Küsten im Norden Deutschlands in den Süden zu transportieren, wo es hohen Bedarf gibt, müssen Stromtrassen – auch Stromautobahnen genannt – gebaut werden (siehe Anatomie eines Blackouts). Dafür kämmen vor allem HGÜs in Frage. Was ist konkret geplant?

Es gibt bereits eine HGÜ: Das 200 km lange HGÜ-Kabel BorWin 1, das vom Offshore-Windpark BARD Offshore 1 bis nach Diele verläuft. Hier konnte schon viel Erfahrung gewonnen werden, sowohl was das Kabel als auch was die Umspannung betrifft.

Für die Stromautobahnen bräuchte man aber lange Überlandleitungen?

Das stimmt, ab mindestens 600 km Länge sollte sich eine HGÜ-Freileitung gegenüber der 380-kV-Drehstromübertragung lohnen. Im Energiekonzept der Regierung findet sich explizit der Vorschlag für zwei Trassen. Die Herausforderung besteht darin, sie in das bestehende Netz einzubinden. Es wäre deshalb sehr wichtig, auf diesem Gebiet Erfahrungen sammeln zu können. Wer die Betreiber dieser HGÜ-Strecken sein werden, ist noch nicht entschieden. Zunächst wird es voraussichtlich eine Ausschreibung geben.

Es bestünde theoretisch auch die Möglichkeit, bei der Drehstromübertragung zu bleiben und die Spannung zu erhöhen, etwa auf 750 kV. Ist hierzu etwas geplant?

Nein, 750-V-Projekte gibt es nicht, jedenfalls nicht für Stromübertragungsnetze. Über kürzere Strecken wäre es vielleicht sinnvoll, mit höheren Spannungen zu übertragen, etwa um die Verbindung zwischen Nachbarländern herzustellen. Hier gibt es derzeit in vielen Fällen Kapazitätsengpässe, solche Interkonnektoren könnten Abhilfe schaffen.

In der Diskussion taucht der Vorschlag auf, Hochtemperaturleiter einzusetzen. Die Strommenge kann dann erhöht werden, weil diese Drähte sich nicht so wie die herkömmlichen Drähte bei Wärme ausdehnen und dann zu sehr durch hängen. Könnte man damit die Kapazität des Übertragungsnetzes ausbauen?

Auf den ersten Blick hört sich das gut an, man bräuchte keine zusätzlichen oder weniger Trassen und Strommasten, die einen erheblichen Eingriff in die Natur bedeuten. Allerdings lässt sich damit die Kapazität des Übertragungsnetzes nicht in dem Maße erhöhen, wie es der Ausbau der erneuerbaren Energien erforderlich macht. Und vor allem: Mit der höheren Übertragungstemperatur steigen die Verluste exponentiell an. Das widerspricht dem Gedanken der Effizienz und führt zu höheren Kosten.

Um akute Engpässe zu vermeiden, wären Hochtemperaturleitungen eine Möglichkeit. Aber eine Alternative zum Netzausbau sehe ich darin auf keinen Fall.


  1. Matthias Kurth, Bundesnetzagentur: »Blackouts drohen nicht«
  2. Hochtemperaturleiter statt Netzausbau?
  3. 90 km gebaut – von 800 km
  4. An der Kapazitätsgrenze

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