Energie aus Wasserstoff

Eine Zukunft ohne Stromnetz?

29. Oktober 2012, 14:06 Uhr | von Karl-Heinz Tetzlaff, H2-Patent GmbH
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Fortsetzung des Artikels von Teil 1

Effizienz, Machbarkeit und Kosten

Dezentrale Nutzung des Wasserstoffs mittels Brennstoffzellen

Brennstoffzellen sind ähnlich aufgebaut wie Batterien. Bei Batterien wird die Energie in chemischer Form „im Kasten“ gespeichert, bei Brennstoffzellen hingegen in Form von Wasserstoff per Rohrleitung zugeführt. Die üblichen Membran-Brennstoffzellen (PEMFC) bestehen aus einer protonenleitenden Membran, die beidseitig mit einem edelmetallhaltigen Pulver beschichtet ist und einer Gasverteilplatte aus Kunststoff oder Blech. Eine Vielzahl dieser Einzelzellen wird zu einem Stack zusammengebaut. Brennstoffzellen sind also für die Massenproduktion wie geschaffen. Nach Angabe der US Energiebehörde (DOE) wird ein Stack bei einer Serienproduktion von 0,5 Mio. Stück/a ca. US$ 15 je installiertes Kilowatt (elektrisch) kosten. Ein ganzes Brennstoffzellensystem inklusive Steuerung und Nebenaggregaten für ein Auto kostet mit ca. 30 US$/kW das Doppelte. Für den stationären Gebrauch ist ein System billiger, weil man die Kaltstartfähigkeit von -30°C und den Luftverdichter nicht braucht. Die PEMFC‘s können je nach Wahl der Membran zwischen 80°C und 180°C betrieben werden. Dieses Temperaturniveau ist für den Hausgebrauch völlig ausreichend. Die deutlich teureren keramischen Brennstoffzellen (SOFC) stellen die Wärme bei einer Temperatut von 700-900°C zur Verfügung. Eine Brennstoffzelle mit einer Nennleistung von 10 kWel ist dann mit ca. 200 € billiger als ein Gaskessel und kann mit einer Gesamtleistung von ca. 20 kW eine größere Villa beheizen. Im Bedarfsfall kann die Brennstoffzelle auch mit dem Mehrfachen ihrer Nennleistung betrieben werden.

Eine Brennstoffzelle, die mit reinem Wasserstoff gespeist wird, ist also mit großem Abstand der kostengünstigste Stromkonverter und dazu wartungsarm und mit 100.000 Stunden auch langlebig. Die spezifischen Investitionskosten sind im Vergleich zu fossilen Großkraftwerken um mehr als eine Größenordnung geringer. Der Abstand zu motorisch betriebenen KWK-Anlagen für ein Haus ist noch viel größer.

Stromnetz, Effizienz und Kosten

PEMFC’s sind nicht nur billig sondern auch flink. Sie können die Leistung dem Bedarf augenblicklich anpassen. Sie benötigen daher im Gegensatz zu Motor-KWK Anwendungen oder Reformer-Brennstoffzellen kein Stromnetz als Stütze. Brennstoffzellen benötigen auch aus einem andern Grund kein Stromnetz. Die Energie des Wasserstoffs wird etwa je zur Hälfte in Strom und Wärme konvertiert. Damit hat nahezu jeder Endverbraucher mehr Strom zur Verfügung als er bisher genutzt hat. Weil der Nachbar auch zu viel Strom hat, ist Strom praktisch unverkäuflich. Der Stromhandel über das große Stromnetz könnte also zusammenbrechen. Der Wirkungsgrad der Brennstoffzellen ist mit 50- 60% so hoch, dass im Privathaushalt auch im Sommer keine Wärme verlorengeht, denn der Stromverbrauch entspricht etwa dem Energiebedarf für Warmwasser. Vorausgesetzt ist hier ein Warmwasserspeicher, der das Duschwasser aus der Abwärme des Stromverbrauchs vom Vortage bereitstellt.

Überschüssiger Strom lässt sich verlustfrei in Wärme umwandeln. Eine Energiewirtschaft mit systembedingtem Stromüberschuss bezeichnet man daher als eine wärmegeführte Energiewirtschaft, die definitionsgemäß verlustfrei ist. Bei Betrachtung der Gesamtkette von der Wasserstoffherstellung bis zur Nutzenergie beim Endverbraucher wird mit Verlusten von ca. 13% gerechnet. Der Stromüberschuss lässt sich gut zur Effizienzsteigerung nutzen, zum Beispiel im Haushalt etwa durch Einschalten elektrischer Wärmeerzeuger bei kurzzeitigem Bedarf und Nutzung von Wärmepumpen. Aus diesem Grunde wird der Nutzenergiebedarf von heute ca. 4,6 EJ auf ca. 3 EJ sinken. Unterstellt ist hier, dass der Systemwechsel 20 Jahre benötigt und der Energiebedarf durch bessere Gebäudeisolierung in 20 Jahren um 0,7 EJ sinkt.

Durch die höhere Effizienz einer Wasserstoffwirtschaft kann der Input an Primärenergie in Deutschland von 13 EJ auf 3,5 EJ reduziert werden. Damit sinken auch die Energiekosten im Mittel ebenfalls um den Faktor 4. Am stärksten wirkt sich die Kostenminderung beim Strom (5 ct/kWh) und im Verkehrsbereich aus (ca. 1 €/100 km). Eine zusätzliche Infrastruktur für Brennstoffzellenfahrzeuge kann entfallen. Vergleicht man die Kosten der Energiewirtschaft heute mit den Kosten der hier dargestellten Energiewirtschaft von morgen, so stellt man fest, dass sich Kosten in Höhe von 1 Mrd. €/Tag (!) einsparen lassen.

Haben wir genügend Biomasse?

Die Tank-und-Teller Diskussion hat in der heutigen Situation eine gewisse Berechtigung. In einer Wasserstoffwirtschaft ist das anders. Hier kann Biomasse alle atomaren und fossilen Energieträger ersetzen. Für die Nahrungsmittelproduktion bleibt dann immer noch genug Ackerland übrig, in Deutschland, Europa und weltweit, selbst wenn 8 Mrd. Menschen nach deutschem Standard versorgt werden möchten.

Steuerungsbedarf in einer Wasserstoffwirtschaft

Strom muss stets sekundengenau hergestellt und verbraucht werden. Wasserstoff hingegen muss nicht sekundengenau hergestellt und verbraucht werden. Das Gasnetz hat hier die Funktion eines Stromspeichers für Stunden, die vorhandenen Gasspeicher im Netz stellen einen Speicher für Monate zu Verfügung. Des Weiteren lassen sich die Wasserstoff-Fabriken dem Bedarf anpassen. Hier stellt die vorgelagerte Biomasse einen unendlich großen Stromspeicher dar. Der Endverbraucher ist also völlig autark. Er kann Strom und Wärme nach Bedarf produzieren und verbrauchen. Das einzige was er an Steuerungstechnik benötigt ist das Heizungsventil. Hier stellt er die Raumtemperatur ein. Um den Stromverbrauch muss er sich nicht kümmern, er muss ihn nicht einmal messen, denn Strom ist genug da. Strom ist lediglich ein Abfallprodukt der Wärmerzeugung. Strom ist nicht teurer als Wärme.

 


  1. Eine Zukunft ohne Stromnetz?
  2. Effizienz, Machbarkeit und Kosten
  3. Der Übergang zur Wasserstoffwirtschaft

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