Atomstrom kann man nicht durch Netz-Rekommunalisierung »aussperren«

Bürgerbegehren »Energie- und Wasserversorgung Stuttgart« scheitert

2. September 2013, 15:59 Uhr | Hagen Lang

Auch in zweiter Instanz blieb das Bürgerbegehren »Energie- und Wasserversorgung Stuttgart« vor dem VGH Baden-Württemberg erfolglos. Damit ist das Vorhaben gescheitert, die Landeshauptstadt Stuttgart zur Übernahme von Konzessionen und Netzbetrieb für Strom und Gas spätestens ab Januar 2014 zu verpflichten.

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In der Pressemitteilung des Verwaltungsgerichtshofes Baden-Württemberg (VGH) heißt es, das Ziel des Bürgerbegehrens, »dass die Landeshauptstadt Stuttgart Konzessionen und Netzbetrieb für Strom und Gas spätestens ab Januar 2014 übernimmt, verstößt gegen die gesetzliche Pflicht, ein diskriminierungsfreies und transparentes Auswahlverfahren zur Vergabe der Konzessionen für Stromnetz und Gasnetz durchzuführen«.

Das Ziel des Bürgerbegehrens sei voraussichtlich rechtswidrig, so der VGH, denn die ausschreibungsfreie Übernahme der Konzessionen und des Betriebs für Gas- und Stromnetze verstoße gegen die Pflicht zur diskriminierungsfreien und transparenten Ausschreibung, wie sie das deutsche Energiewirtschaftsgesetz, das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen und das Europäische Unionsrecht vorsehe.

Die Begründung des Bürgerbegehrens entspreche zudem nicht den Anforderungen der Gemeindeordnung. Die vom VGH beanstandeten Sätze des Bürgerbegehrens lauten: »Wenn die Stadt die Netze für Strom, Gas und Fernwärme selbst betreibt, kann verstärkt Energie dezentral und umweltfreundlich vor Ort erzeugt werden. Um dieses Ziel zu erreichen, muss jegliche Beteiligung oder Einflussnahme von Atomenergiekonzernen ausgeschlossen sein. Auf diese Weise wird die Möglichkeit geschaffen, von Atom- und Kohlestrom wegzukommen.« Dies stelle, so der VGH, »die Gestaltungs- und Einflussmöglichkeiten der Stadt als mögliche Betreiberin des Stromnetzes in wesentlichen Punkten falsch dar. Insoweit würden eindeutige gesetzliche Vorgaben verschwiegen und der vollkommen unzutreffende Eindruck erweckt, die Stadt könne mit Übernahme des Stromnetzes maßgeblich beeinflussen, ob in ihrem Gebiet in Atom- und Kohlekraftwerken erzeugter Strom bezogen werde.«

Tatsächlich seien EVU mit Verteilungsnetzen, an denen mehr als 100.000 Kunden angeschlossen sind, zur Trennung von Netzbetrieb und Erzeugung verpflichtet und die Kommune müsse den diskriminierungsfreien Zugang zum Stromnetz bereitstellen, also Kunden auch ermöglichen, ihren Strom von Atom- oder Kohlekraftwerken zu beziehen.

Die Entscheidung könnte präjudizierende Wirkung auf weitere in Deutschland geplante Volksentscheide zur Rekommunalisierung von Strom- und anderen Netzen haben. Am 22. September plant etwa die Initiative »Unser Hamburg – unser Netz« ein Volksbegehren zur Übernahme der Hamburger Strom-, Fernwärme- und Gasleitungsnetze in 2015 durch die Stadt Hamburg. Die bisher von Hamburger Gerichten abgewehrten Klagen gegen das Bürgerbegehren hatten sich bislang nur auf formaljuristische, nicht jedoch, wie das Mannheimer Urteil, auf inhaltliche Gründe gestützt. Den Traum, Atomkraft durch Rekommunalisierung der Netze »den Strom abzustellen«, dürfte das Mannheimer Urteil beendet haben.


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