Roger Kohlmann, BDEW, zum Rollout intelligenter Messsysteme

»Lastverschiebungspotenzial statt starre Verbrauchsgrenze betrachten!«

23. Juni 2014, 11:02 Uhr | Heinz Arnold
Roger Kohlmann, BDEW: »Das Finanzierungsmodell darf weder die strukturellen Besonderheiten der Netzbetreiber unberücksichtigt lassen, noch den Wettbewerb im liberalisierten Markt behindern.«
© BDEW

Soll der Einbau von intelligenten Messsysteme ab einem Verbrauch von 6.000 kWh pro Jahr vorgeschrieben werden – wie in der Kosten-Nutzen-Analyse von Ernst & Young vorgeschlagen – oder soll die Schwelle höher liegen? Roger Kohlmann, Mitglied der Hauptgeschäftsführung und Geschäftsbereichsleiter Energienetze und Regulierung im BDEW, erläutert den Standpunkt seines Verbandes.

Diesen Artikel anhören

Energie & Technik: Achim Zerres von der Bundesnetzagentur hatte kürzlich vorgeschlagen, intelligente Messstellen erst ab einem Verbrauch von 20.000 kWh pro Jahr verpflichtend zu machen. Die Kosten-Nutzen-Analyse hatte 6000 kWh vorgeschlagen. Halten sie es für sinnvoll, die Schwelle so stark anzuheben?

Roger Kohlmann: Der BDEW empfiehlt, einen deutlich höheren Jahresverbrauch als die vorgesehenen 6.000 kWh als Ausgangspunkt für den Rollout zu prüfen. Der BDEW fordert außerdem eine Anwendung der für Bestandskunden geltenden Einbaugrenze für intelligente Messsysteme auch für Neubauten und größere Renovierungen.

Außerdem hatte Achim Zerres vorgeschlagen, den Rollout marktgetrieben durchzuführen. Was halten Sie von diesem Ansatz?  

Hierbei handelt es sich um einen sehr interessanten Gedanken, der die Energiebranche und insbesondere die Netzbetreiber nicht in eine gesetzliche Zwangslage führen würde. Leider deuten alle Zeichen der Politik darauf hin, dass der Rollout in einem engen regulatorischem Rahmenkorsett durchgeführt werden soll. Der BDEW vertritt die Position, dass in jedem Fall zumindest die Installation eines Home-Displays inklusive der Kommunikationsanbindung an den Zähler eine wettbewerbliche Aufgabe ist und sich an den Bedürfnissen der Letztverbraucher orientieren soll.

Auch andere Interessengruppen bemühen sich die von der KNA genannte 6000-kWh-Schwelle nach oben zu setzen. Hier war bisher von 10.000 kWh pro Jahr die Rede. Was wäre sinnvoll: 6.000, 10.000 oder 20.000 kWh pro Jahr?

Für den Rollout intelligenter Messsysteme sollte nicht ausschließlich eine starre Verbrauchsgrenze betrachtet werden, sondern vielmehr das zu erzielende Lastverschiebungspotenzial. Nur auf diese Weise kann auch der notwendige Netzausbau begrenzt werden.

Ist die Diskussion überhaupt sinnvoll? Die Investitionen in das Smart Metering liegen derzeit auf Eis, weil so viele Unsicherheiten in der Regulierung bestehen. Was fehlt heute noch, um die Phase der Unsicherheit zu beenden?

Der angestrebte Rollout von Messsystemen und intelligenten Zählern wird die Kosten und Erlöse der Verteilnetzbetreiber erheblich beeinflussen. Das betrifft einerseits ihre Funktion als grundzuständige Messstellenbetreiber, aber auch ihre Verteilnetzbetreiberfunktion. Den mit dem Rollout verbundenen zusätzlichen Kosten stehen die zusätzlichen Einnahmen aus Entgelten für intelligente Messsysteme und intelligente Zähler (und gegebenenfalls Systemkostenbeitrag) gegenüber. Sofern die vorgegebenen Entgelte u.a. aufgrund struktureller Besonderheiten nicht ausreichen, die zusätzlichen Kosten zu decken, sind die Mehrkosten in den Netzkosten zu berücksichtigen. Das Finanzierungsmodell darf weder die strukturellen Besonderheiten der Netzbetreiber unberücksichtigt lassen, noch den Wettbewerb im liberalisierten Markt behindern.

Eine Motivation, die intelligenten Messsysteme einzuführen, besteht darin, die Daten zu gewinnen, um zeit- und lastvariable Tarife einzuführen. So könnten Lastverschiebungen durchgeführt werden. wie sieht hier der Stand aus Ihrer Sicht aus?

Wir müssen die Energiewende als Gesamtkonzept begreifen. Hierbei muss der Ausbau der Erneuerbaren Energien mit dem Netzausbau abgestimmt werden. Wir untersuchen derzeit in einer Arbeitsgruppe des BDEW, inwiefern durch die Kappung von Einspeisespitzen Netzausbau verringert werden kann. In die gleiche Richtung geht die Einführung zeit- und lastvariabler Tarife. Eine entsprechende Verordnung wird derzeit im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie vorbereitet.

Warum ist bisher keine Entscheidung für zeit- und lastvariable Tarife gefallen? Was spräche aus Ihrer Sicht für und was gegen zeit- und lastvariable Tarife?

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie plant ein Verordnungspaket, bei dem auch zeit- und lastvariable Tarife enthalten sein sollen. Die Komplexität des Themas und die hohen volkswirtschaftlichen Kosten des Rollouts sind die Ursache dafür, dass dieses Verordnungspaket im Koalitionsvertrag erst für dieses Jahr angekündigt wurde.

Wenn sich intelligente Messstellen für den Einsatz nur im Strombereich nicht lohnen – würden sie sich nicht auf jeden Fall volkswirtschaftlich lohnen, wenn weitere Energieformen ins Spiel bringt, beispielsweise Wärme?

Die aktuelle Diskussion konzentriert sich insbesondere auf ein intelligentes Stromnetz. Der BDEW hat wiederholt dazu Stellung bezogen, dass im Zuge der Energiewende neben der Energieform Elektrizität auch die Einspar- und Flexibilitätspotentiale im Bereich Wärme und Mobilität berücksichtigt werden müssen. Im Hinblick auf den Einbau intelligenter Messsysteme ist jedoch zum aktuellen Zeitpunkt der Strommarkt das korrekte Spielfeld.


Lesen Sie mehr zum Thema


Das könnte Sie auch interessieren

Jetzt kostenfreie Newsletter bestellen!