Für Milke ist die Umsetzung eines globalen Standards für die Ladeschnittstelle von Elektrofahrzeugen ein weiteres wichtiges Thema. Es sei einerseits von entscheidender Bedeutung, dass der Kunde im In- und Ausland an jeder Steckdose laden kann, anderseits müsse auch eine einheitliche und kostengünstige Möglichkeit zum Schnellladen geschaffen werden. Milke betont aber: »Bei der Standardisierung des Ladesteckers sind wir ein großes Stück vorangekommen.«
Problemkind in diesem Fall ist allerdings China. So wird von den deutschen OEMs im Rahmen der Initiative Ladeschnittstelle die Combo-Ladeschnittstelle vorangetrieben und kontinuierlich verbessert. Der Combo-Ladestecker fasst mehrere Funktionalitäten zusammen und ermöglicht das 1-phasige Wechselstrom-Laden, das 3-phasige Wechselstrom-Laden sowie das Gleichstrom-Laden gleichermaßen. China favorisiert aber einen eigenen Standard. Laut Milke finden darüber bereits Gespräche zwischen Deutschland und China statt, um hier auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen. Milke aber weiter: » Die laufenden Aktivitäten zur Standardisierung müssen jedoch weiter vorangetrieben werden. Insbesondere bei sicherheitsrelevanten Umfängen der Ladeschnittstelle müssen die hohen Sicherheitsansprüche in die chinesischen Normen eingebunden werden.«
Neben dem Ladestecker ist auch die Ladekommunikation ein weiterer Kandidat für die Standardisierung. Wobei auch hier bereits deutliche Fortschritte erzielt wurden. So erfolgt die Standardisierung der Ladekommunikation zwischen Fahrzeug und Ladesäule in der ISO/IECIEC 15118 und gemeinsam mit der Society of Automotive Engineers (SAE). Erste Prototypen dieser normierten Ladekommunikation sind bereits umgesetzt. Eine Veröffentlichung der einheitlichen Norm ist für Anfang 2013 geplant.
Opel wiederum setzt beim Thema »Elektromobilität« auf drei Ansätze:
Ein Konzept für alle geht nicht, die Bedürfnisse der Kunden sind zu unterschiedlich. Dr. Burkhard Milke, Director GME Electrical Systems, Hybrids & Electrical Vehicle bei Opel, betont aber auch, dass es von entscheidender Bedeutung ist, nicht nur die richtigen Konzepte zu entwickeln, die den Kundenbedürfnissen entsprechen, sondern die Konzepte müssen in ein Großserienprodukt überführt werden. Und hier sieht Milke Opel gut positioniert, denn »der Opel Ampera ist das erste Großserien-Elektroauto eines deutschen Herstellers. Er ist seit Sommer dieses Jahres bestellbar und wird ab November zu den Kunden ausgeliefert. Mit einem Produktionsvolumen von bis zu 12.000 Einheiten für das erste volle Jahr und bereits 7.000 Bestellungen - darunter auch zahlreiche Großflotten - wird Opel als erster Hersteller eine signifikante Anzahl an Elektrofahrzeugen auf die europäischen Straßen bringen.«
Für Milke ist der Opel Ampera die Antwort auf die Limitierungen reiner Batteriefahrzeuge. Aus seiner Sicht ist der Opel Ampera die erste voll alltagstaugliche Elektrolimousine. 40 bis 80 km fährt der Ampera mit einer Ladung rein elektrisch, was ja meistens genügt, weil rund 80 Prozent der täglichen Fahrstrecken in Deutschland unter 50 km liegen, der Durchschnittswert für Europa liegt unter 60 km. Aber: Wird am Ende der Batteriereichweite das untere Ladeniveau der Batterie erreicht, springt automatisch ein Hilfsaggregat in Form eines kleinen Benzinmotors mit Generator an und stellt zusätzliche 500 km Reichweite zur Verfügung. Dieses Aggregat hält die Batterie dank eines mit dem Ampera erstmals eingeführten Systemmanagements der Antriebseinheit auf dem erreichten Ladezustand, bis wieder eine Aufladung an einer Steckdose erfolgt. Milke: »Somit braucht man beim Ampera - im Gegensatz zu Batteriefahrzeugen ohne Generator - keine Angst zu haben, man könnte wegen mangelnder Reichweite liegen bleiben. In intensiven Validierungen und Markterprobungen haben sich Technologie und Sicherheitsniveau des Ampera als absolut vergleichbar mit konventionellen Fahrzeugen herausgestellt. So erhielt er kürzlich vom Euro NCAP Test alle fünf Sterne.«
Parallel zum Ampera entwickelt Opel aber auch kleine, rein batteriebetriebene Elektroautos für den Einsatz auf kurzen Strecken. »Durch die relativ geringe Energiedichte von Batterien wird sich das Haupteinsatzgebiet reiner Batteriefahrzeuge im Bereich von Kurzstrecken, beispielsweise im urbanen Umfeld bewegen, wo begrenzte Reichweiten genügen. Die Grenzen dieser Antriebsform sind dann erreicht, wenn es um das Thema Flexibilität für Reisen und Wochenendausflüge geht«, so Milke.
Um Mittel- oder gar Langstrecken mit einem reinen Batteriefahrzeug zurücklegen zu können, müsste man schwere und platzraubende Akkus installieren, die über etliche Stunden geladen werden müssten. Mit dem RAK e hat Opel auf der IAA in Frankfurt eine völlig neuartige Studie für ein erschwingliches elektrisches Cityfahrzeug vorgestellt. Darüber hinaus fahren seit 2010 vier speziell umgebaute Meriva im Rahmen des Forschungs- und Förderprojekts MeRegio im Raum Karlsruhe. Hier wird in der Frühphase der Entwicklung die Einbettung in einen Smart Home Grid auf Basis bidirektionaler Batterietechnologie im Alltag erprobt.
Milke: »Die Zukunft liegt aber in der Brennstoffzellentechnik, batteriebetriebene Fahrzeuge sind nur eine Übergangslösung.« Deshalb bilden Elektroautos auf Brennstoffzellen-Basis mit Wasserstoff als Kraftstoff bei Opel die Zukunft der individuellen Mobilität unter Berücksichtigung des Ausbaus erneuerbarer Energien.
Opel und General Motors (GM) arbeiten seit den sechziger Jahren an der Erforschung dieser Technologie. Der »HydroGen4« ist das letzte Ergebnis dieser Entwicklung und fährt seit Herbst 2008 in Deutschland auf öffentlichen Straßen. Bereits jetzt befinden sich über 100 Brennstoffzellenfahrzeuge weltweit in Kundenhand, die damit gemachten Erfahrungen nutzt das Unternehmen zur Systemoptimierung. Milke: »Brennstoffzellenautos haben im Vergleich zu Batteriefahrzeugen zwei entscheidende Vorteile: Zum einen ermöglicht die hohe Energiedichte des Wasserstoffs Reichweiten von mehreren hundert Kilometern, die völlig emissionsfrei zurückgelegt werden. Zum zweiten lassen sich die Fahrzeuge in nur drei Minuten betanken.«
Milke erklärt, dass die Brennstoffzellentechnologie bei Opel einen hohen Reifegrad hätte, bereits 2015 soll die Serienreife erreicht sein. Für ihn besteht dementsprechend die größte Herausforderung in den nächsten Jahren darin, eine europaweite Infrastruktur mit Wasserstofftankstellen aufzubauen.
Auch Continental kann bereits auf eine Großserienfertigung verweisen, denn das Unternehmen fertigt seit September dieses Jahres fremderregte Synchron-Maschine für Elektrofahrzeuge in Volumen. Die Produktionskapazität von derzeit 60.000 Elektromotoren pro Jahr soll voraussichtlich bereits im nächsten Jahr auf 75.000 Motoren erhöht werden. Helmut Matschi, Mitglied des Vorstands bei Continental und Leiter der Division Interior, betont aber, dass Elektromobilität nicht mit der Veränderung des Antriebs getan ist. »Unser mittel- und langfristiges Ziel ist, dass Elektrofahrzeuge genauso spontan, autark, flexibel und genussvoll genutzt werden können wie heutige Fahrzeuge mit konventionellen Antrieben. Eine der besonderen Voraussetzungen hierfür ist das Informations-Management und die damit verbundene Leichtigkeit der Bedienung. Gerade die Bedienung entscheidet maßgeblich über die Alltagstauglichkeit der neuen Fahrzeuge und damit auch darüber, wie erfolgreich neue Fahrzeugmodelle von den Autofahrern angenommen werden«, so Matschi. Als ein Lösungsbeispiel verweist er auf die Telematik-Systeme von Continental, mit denen das intelligente, gesteuerte Laden von Elektrofahrzeugen auch an einfachen Steckdosen möglich wird. Darüber hinaus erhält der Fahrer auch außerhalb seines Elektrofahrzeuges jederzeit Zugriff auf die für ihn relevante Information, welchen Ladezustand sein Wagen inzwischen erreicht hat.
Matschi erklärt weiter, dass in der Entwicklung von neuen Fahrzeugkonzepten sehr viel vernetzter als bisher gedacht und entwickelt werden muss. »Dabei kann diese Vernetzung global in einheitlichen Standards realisiert sein - wie es mit AUTOSAR bereits heute für immer mehr Volumenmodelle Realität wird und wie wir es auch im Infotainment anstreben«, so Matschi weiter.