Der leckerste Salat kommt aus dem Labor: Mit LED-Technik lassen sich Geschmack, Frische und Größe präzise steuern. Für die Licht-Industrie ist ein Milliardenmarkt nahe. Vor allem auf eine Pflanze setzen die Hersteller große Hoffnungen.
Hochregallager statt Gewächshaus und Lichtrezept statt Sonnenlicht. So könnte in Zukunft der Obst- und Gemüseanbau aussehen, zumindest teilweise. Gerade in Japan hat sich nach dem Fukushima-Unglück der Nutzpflanzenanbau zunehmend in geschlossene und kontrollierte Räume verlagert. Zukünftig könnte er sich noch stärker in urbanen Regionen abspielen, näher an den Verbrauchern.
Geschehen soll das in großen Lagerhäuseren, in denen auf meheren Ebenen übereinander gestapelt zum Beispiel Tomaten, Salat und Erdbeeren angebaut werden. Das Prinzip wird Vertical Farming genannt. Die Wurzeln stecken in wiederverwendbaren Kunststoffmatten. Sensoren überwachen den Wachstumsprozess. Nicht verbrauchtes Wasser wird gesammelt und wieder verwendet, ebenso der Dünger. Kein Sonnenstrahl dringt in die Räume. Stattdessen Millionen LED-Leuchten.
Der Vorteil: Effizienz- und Ertragssteigerung bei weniger Platzbedarf und erhöhter Kontrolle über das Pflanzenwachstum. So wird auch in Städten mit geringem Platzangebot oder der Raumstation ISS Agraranbau möglich – bei garantierter Frische bis zum Teller. Eine große Rolle spielt dabei die künstliche Beleuchtung.
Geschmack und Größe der Pflanzen ist über verschiedene Lichtspektren steuerbar, sodass umstrittene Gentechnik und Chemie überflüssig werden. Entsprechend hoch schätzen Analysten das Marktpotenzial für LED-Hersteller ein: Das Marktforschungsunternehmen Navigant rechnet damit, dass der LED-Markt für Agrar-Anwendungen in den kommenden Jahren von derzeit rund 800 Millionen auf rund 3,7 Milliarden Dollar im Jahr 2027 ansteigen wird. Spätestens 2020 wird er auch aus Sicht anderer Marktanalysten die Milliarden-Dollar-Marke geknackt haben.
Vertical Farming hat mit klassischen Gewächshäusern, in denen das Gemüse am Boden steht und von weit oben mit großen, energieintensiven Strahlern angeleuchtet wird, nicht mehr viel zu tun. Damit es sich im großen Stil umsetzen lässt, ist die Industrie angewiesen auf Menschen wie Max Lössl.
»Wenn man die Anwendung von LEDs beim Vertical Farming mit der Entwicklung der Computertechnologie vergleicht, dann befinden wir uns derzeit wohl etwa in den 70er Jahren«, sagt der 29-Jährige. Gemeinsam mit seinem Freund Philipp Wagner hat er vor fünf Jahren die Firma Agrilution in München gegründet. Sie und ihre derzeit 24 Mitarbeiter entwickeln und produzieren Vertikale Farmen für die eigene Küche.
Wie kleine Kühlschränke sehen sie aus – und in etwa so viel verbrauchen sie auch. Auf zwei Ebenen können die Kunden in der eigenen Wohnung Salat, Tomaten oder Petersilie anbauen und ernten. Die LED-Leuchten in den Schränken stammen von Osram, das sich an dem Start-up beteiligt hat. Was die beiden Gründer im kleinen ausprobieren, soll dabei helfen, die Technik auch im großen Maßstab anzuwenden.
Deshalb sammeln Wagner und Lössl so viele Daten wie möglich. Welches Licht welchen Geschmack erzeugt, welche Spektren dafür sorgen, wie schnell eine Pflanze wächst, wann sie reif ist, wie groß oder klein ihre Früchte sind – all das ist Gegenstand ihrer Forschung.
»Das Problem sind derzeit noch die Kosten«, sagt Lössl. Die sind in den letzten Jahren zwar deutlich gefallen, aber damit sich Smart Farming im großen Stil lohnt, müssen LED-Leuchten noch günstiger und energieeffizienter werden.
Die Licht-Industrie schielt dabei weniger auf den europäischen als auf den weltweiten Markt, insbesondere auf den in den USA. Der Grund liegt im Cannabis, den immer mehr Bundesstaaten legalisieren – sowohl zu medizinischen als auch zu rekreativen Zwecken.
»Die Cannabis-Blüte hat extrem viele Inhaltsstoffe, die durch Licht beeinflusst werden können«, sagt Bongartz, der Innovationsbeauftragte von Osram. «Im Zusammenspiel mit anderen Umweltfaktoren wie Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Kohlenstoffdioxid können wir das Pflanzenwachstum ideal steuern.» Viele selbst ernannte Hobby-Gärtner dürften auf diesem Gebiet bereits umfangreich Erfahrung gesammelt haben.
Auch in Europa wird die Pflanze für medizinische Zwecke verwendet und die Legalisierung ist ein breit diskutiertes Thema. Sollte sie irgendwann durchgesetzt werden, wäre das zumindest für die Licht-Industrie eine vielversprechende Aussicht.