Haptische Feedback-Systeme für Displays

Den Tastsinn wieder nutzen

9. November 2017, 9:00 Uhr | Von Zorica Kljajic und Eberhard Schill
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3. Elektroaktive Polymere

Eine weitere Möglichkeit sind elektroaktive Polymere (EAP). Diese Polymere werden als dünne Folie ausgeführt und verändern ihre Form durch Anlegen einer elektrischen Spannung auf beiden Seiten – ähnlich wie Piezos. Sie haben den Vorteil, dass sie kostengünstig produziert werden können und formbar sind. Wenn sie als Aktuatoren genutzt werden, ähneln ihre Eigenschaften – Elastizität, Kraft, Verformung und Widerstandsfähigkeit – denen von biologischen Muskeln. Zur Ansteuerung sind jedoch sehr hohe Spannungen jenseits von einem Kilovolt nötig. Deswegen sind sie bisher sehr selten und eher in der Robotik zu finden.

Zwar gibt es bereits Treiberbausteine für die aktive Ansteuerung, jedoch ist die sensorische Aufnahme von Druck noch nicht gelöst. Das Potenzial dieser Technologie ist aber sehr hoch. Denn eine Folie, die Druck aufnehmen und lokalisieren kann, kommt der menschlichen Haut schon sehr nahe. Durch die Möglichkeit, Impulse zurückzugeben, eröffnen sich ungeahnte Möglichkeiten.

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4. Piezo-Elemente

Bild 4. Über seitlich an einer Oberfläche angeordnete Piezoelemente wird diese in Vibration mit geringem Hub versetzt. Nerven in den Fingerkuppen reagieren auf diesen Reiz und erzeugen ein Tastgefühl.
Bild 4. Über seitlich an einer Oberfläche angeordnete Piezoelemente wird diese in Vibration mit geringem Hub versetzt. Nerven in den Fingerkuppen reagieren auf diesen Reiz und erzeugen ein Tastgefühl.
© Kyocera

Eine momentan sehr vielversprechende Technologie basiert auf den Piezo-Aktoren. Diese Aktoren sind klein, sehr kräftig und schnell. Die Auslenkung (Hub) liegt im Mikrometerbereich, kann jedoch mit entsprechender Anordnung zur Stimulierung von Nerven ausreichen. Dazu sind mehrlagige Piezoelemente, als Crossbow-Aktuator ausgeführt, unterhalb der Oberfläche angebracht (Bild 4).

Die Kräfte werden so direkt übertragen. Die Messung der drückenden Kraft des Fingers geschieht ebenfalls über den Piezo. Nach Erreichen eines definierten Druckpunkts wird der Piezo mit einem Impuls angeregt. Die dualen Eigenschaften des Elements werden damit genutzt.

Die Impulsflanke ist bedingt durch die Reaktionszeiten unter 20 Millisekunden sehr steil, was ein sehr realitätsnahes Klickempfinden erzeugt, das durch Software in einem weiten Bereich variiert werden kann. Aufgrund ihrer Größe sind Piezos leicht in einer Konstruktion unterzubringen. Wichtig ist jedoch auch in diesem Fall die flexible Lagerung der Oberfläche. Diese muss sich durch den Piezo minimal bewegen lassen. Bis vor kurzem wurden auch bei diesen Aktoren höhere Spannungen im Bereich von mehreren hundert Volt benötigt. Kyocera hat jetzt einen Piezo mit 40 Lagen entwickelt, der mit 30 Volt betrieben werden kann.

Haptik-Entwicklungskit auf Piezo-Basis

Bild 5. Haptik-Starterkit mit Konfigurationshilfe: Messungen eines an der vibrierenden Oberfläche befestigten Beschleunigungssensors eignen sich als Referenzgrößen, die z.B. für eine automatisierte Parametrierung von piezobasierten Haptik-Systemen he
Bild 5. Haptik-Starterkit mit Konfigurationshilfe: Messungen eines an der vibrierenden Oberfläche befestigten Beschleunigungssensors eignen sich als Referenzgrößen, die z.B. für eine automatisierte Parametrierung von piezobasierten Haptik-Systemen herangezogen werden können.
© Kyocera

Bedingt durch die Anwendung, hat jede dieser Technologien ihre Berechtigung. Sei es durch die geforderte Robustheit, das limitierende Budget, die verfügbare elektrische Leistung oder das authentische Gefühl, das sehr oft auch individuell vom Bediener abhängt. Da heute immer mehr Komponenten in immer kompakteren Gehäusen Platz finden sollen, kristallisieren sich die kompakt umsetzbaren Methoden wie EAP und Piezos heraus. Technisch am weitesten fortgeschritten sind die Piezos. Mit Haptivity hat Kyocera ein Konzept entwickelt, das inzwischen vielfach vorgestellt und für gut befunden wurde. Erste Serienprojekte befinden sich in der Designphase. Speziell in Kombination mit den Kyocera-Display-Modulen für Automotive-Anwendungen und im Industriebereich ergeben sich damit bediensichere HMI-Konstruktionen.

Um den Einstieg zu erleichtern, hat Kyocera für diesen Zweck ein Kit für Entwickler zusammengestellt, das zwei Piezoaktuatoren und eine Ansteuerplatine mit Software enthält (Bild 5). Entwickler können so das haptische Feedback durch einen Piezo schnell und ohne große Vorkenntnisse wortwörtlich nachempfinden.

Bei Versuchsaufbauten wurde festgestellt, dass die Güte der Kraftübertragung und damit des erzeugten Impulses nicht über eine klassischen Kraftmessung ermittelt werden kann, da ein virtueller Klick durch Stimulierung der Nerven erzeugt wird. Die besten Vergleichsergebnisse lieferte die Messung mit einem an der Oberfläche befestigten Beschleunigungssensor. Die Ergebnisse entsprachen dem tatsächlichen Empfinden der Testpersonen. Ein entsprechendes Measuring-Kit mit Sensor und Anzeigeeinheit ist derzeit als Ergänzung zum Entwickler-Kit in Vorbereitung.


  1. Den Tastsinn wieder nutzen
  2. 3. Elektroaktive Polymere
  3. Die Autoren

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