Elektronik: Wie verkraftet ein Unternehmen einen so steilen Anstieg beim Umsatz? Es muss ja nicht nur mehr Ware geliefert werden, auch die Betreuung der Kunden erfordert zusätzliche Fachkräfte.
Andreas Weisl: Stürmisches Wachstum ist definitiv eine große Herausforderung. Ich bin immer wieder beeindruckt von der Flexibilität und Schnelligkeit, wie ich bei SSC strukturelle Anpassungen umsetzen kann. Das hat sicherlich mit der Firmenkultur und der Mentalität der Mitarbeiter dieses koreanischen Unternehmens zu tun. Wir konzentrieren uns ausschließlich auf die Bereiche, in denen wir über die fachliche Kompetenz verfügen, d.h., wir entwickeln und produzieren nur die LEDs. Bei Kunden mit hohem Volumen und geringem Produktmix bleibt der Betreuungsaufwand vor Ort überschaubar.
Aber um nachhaltiges Wachstum in der Region zu sichern, muss ich auch strukturelle Optimierungen anpacken, auf die richtigen Partner und Kunden setzen und so die richtigen Weichenstellungen für das Wachstum der nächsten Jahre vornehmen. Wie bereits eingangs erwähnt, stellen wir kontinuierlich Mitarbeiter im Sales-Bereich ein und kümmern uns intensiv um den Ausbau der meist global ausgerichteten Account-Management-Strukturen.
Elektronik: Seoul Semiconductor bietet drei Produktlinien auf dem Markt an: Wechselstrom-LEDs (Markenname „Acriche“), Power-LEDs und Mid-Power-LEDs. Wie sehen Sie die Position von SSC in diesen drei Märkten? Wo ist Ihr Unternehmen am stärksten und welche Marktpositionen streben sie an?
Andreas Weisl: Bei Acriche waren wir erster Anbieter und sind heute klar die Nummer 1. Inzwischen steigen immer mehr LED-Hersteller in diesen Markt ein. Im Vergleich zu unseren Wettbewerbern haben wir als Vorteile aber eine langjährige Erfahrung, praxiserprobte Produkte und ein breites Spektrum an Patenten. Unsere Lösungen zur Eliminierung des Flickereffekts sowie höhere Effizienzen stehen vor der Markteinführung. Das wird für den nächsten Wachstumsschub bei AC-LEDs sorgen.
Was die Mid-Power-LEDs betrifft, so sind hier die Einstiegsbarrieren in die LED-Technologie für allgemeine Beleuchtungszwecke in Bewegung geraten. Nicht mehr nur Helligkeit oder Effizienz spielen hier eine wichtige Rolle, sondern vor allem auch der Preis. Als LED-Hersteller wollen wir die Einstiegshürden so niedrig wie möglich halten und unsere Mid-Power-LED 5630 ist mit einem enorm hohen Produktionsvolumen die ideale Plattform. So geben wir als erster LED-Hersteller statt lm/W auch lm/Euro an.
Ich sehe SSC klar in der Vorreiterrolle. Zwar steigen einige Wettbewerber jetzt auch verstärkt in dieses Geschäft ein, aber wir haben die besten Voraussetzungen, unsere Marktposition zu verteidigen. Und wir werden es nicht dabei belassen, sondern weitere Produkte im unteren Leistungssegment vorstellen.
Das Segment Power schließlich ist bei uns jetzt stärker im Fokus. Wir werden das gesamte LED-Komponentenspektrum anbieten, dazu gehören eben auch Power-LEDs mit 1 W und mehr. Auch hier gehen wir auf die Bedürfnisse unserer Kunden ein. Das Stichwort hier ist „Hot Lumen“ und das ist nicht mehr ganz unbekannt im Markt. Die in den meisten Datenblättern angegebenen Helligkeitswerte bei 25 °C sind praxisfern. Daher werden für unsere Power-LEDs ab sofort zusätzlich die Helligkeitswerte bei einer Sperrschichttemperatur von 100 °C angeben. Unter diesen realistischen Betriebsbedingungen zählen unsere Power-LEDs mit der neuen Chip-Technologie zu den besten im Markt.
Elektronik: Die Erfahrung zeigt, dass es immer aufwendiger wird, Fortschritte zu erzielen, je mehr man sich den physikalische Grenzen nähert. Ist denn die Leuchtstärke der LEDs heute schon ausreichend für die Ablösung der alten Leuchtmittel, oder sind hier noch Steigerungen erforderlich?
Andreas Weisl: Alle Hersteller arbeiten daran, die Effizienz zu steigern, mit dem Ziel, den physikalischen Grenzen möglichst nahe zu kommen. Inzwischen ist die Helligkeit ausreichend, um die meisten konventionellen Leuchtmittel abzulösen. Eine Einstiegsbarriere ist eher die Lichtqualität, also beispielsweise sehr hohe Effizienz bei gleichzeitig niedrigen Farbtemperaturen und hohen Farbwiedergabewerten. Außerdem sind die Anschaffungskosten der Komponenten bzw. des Systems zunächst einmal vergleichsweise hoch. Eine TCO-Rechnung kann im Projektgeschäft in der Regel überzeugen. Beim Endverbraucher ist das aber wesentlich schwieriger, deshalb gibt es im Consumer-Segment noch Vorbehalte.