Um die beschriebenen Ansätze in einem System vollständig integrieren zu können, sollte die komplette Messkette von der Datenerfassung und Signalwandlung über die Signalverarbeitung bis hin zur Kommunikation komplett in einem System abgebildet werden können.
Hierzu wurde bei der Firma Digiraster eine miniaturisierte Auswerteelektronik entwickelt, die über vier analoge Eingänge verfügt, die wahlweise für unterschiedliche Sensorsignale bestückt werden kann (Pt100, Pt1000, Thermoelement). Die Messsignale der einzelnen Kanäle werden über A/D-Umsetzer gewandelt und im integrierten Mikroprozessor direkt weiterverarbeitet. Jeder Kanal verfügt über einen eigenen 24-bit-A/D-Umsetzer; die Kanäle können unabhängig voneinander ausgewertet werden. Darüber hinaus ist es auch möglich, die Daten der einzelnen Kanäle miteinander zu verknüpfen und so zusätzliche Informationen zu generieren. Die Systeme (Bild 3) verfügen über eine Buskommunikation (CAN-Bus, Modbus RTU), sodass sowohl die Messwerte wie auch die Zusatzinformationen übertragen werden können, gleichzeitig aber auch eine Parametrierung der Systeme (Mittelwert, Baudrate, Justierung...) über den Bus möglich ist.
Parallel hierzu liegt ebenfalls von Digiraster ein weiteres stark miniaturisiertes System (Bild 4) vor, das über ein bis drei Eingänge für Pt100 verfügt. Die Platine ist mit einer Baugröße von 32 × 8 mm² extrem kompakt und kann somit einfach direkt in ein Kabel oder einen Stecker integriert werden. Dieses System liegt aktuell nur mit einem Modbus Interface vor.
Allen Systemen gemeinsam sind die integrierte Datenverarbeitung und die Ablage umfangreicher Informationen direkt im System. So können zum Beispiel die Daten eines Kalibrierscheins komplett hinterlegt werden (Justage- und Kalibrierpunkte, Tag der Kalibrierung, Kalibrierlabor, Abweichung). Ebenso sind diverse Herstellerangaben (Hersteller, Artikelnummer, Seriennummer, Typ) im System hinterlegt.
Mit diesem System erfolgte durch die Firma TMG der Aufbau eines Gesamtsystems mit gestuft angeordneten Pt100 und die Umsetzung der eingangs beschriebenen Korrekturfunktionen. Für die Anwendung der Einbaufehlerkorrektur wurde eine Auswerteelektronik mit Modbus-Kommunikation für drei Pt100 verwendet. Die Korrekturfunktion wurde als Formel im Mikrocontroller hinterlegt und das Ergebnis auf ein zusätzliches Register gelegt. Somit stehen dem Nutzer sowohl die Einzelwerte aller Kanäle als auch der um den Einbaufehler korrigierte Wert zur Verfügung.
Ähnlich wie beim Ermitteln und Hinterlegen von Kennlinien muss die Anordnung vorher eingefahren und die entsprechenden Differenzen ermittelt werden. In der Elektronik können hierfür entsprechende Korrekturfaktoren vorgesehen werden, sodass aufgebaute Fühler für ganz bestimmte Einbauverhältnisse optimiert werden können.
Erweitertes prüffähiges und korrekturfähiges Temperaturmesssystem
Im nachfolgenden Beispiel wurde ein derartiges Messsystem mit einer Doppelrohrvariante, einem stark gestuften Schutzrohr sowie einem integrierten Auswertesystem im Sensorkopf (Bild 5) aufgebaut. Mit der gewählten Doppelrohrvariante wird die sogenannte Prozessprüfbarkeit erreicht. Das heißt, während im vorderen kleinen Schutzrohr die Sensoren angeordnet sind, bleibt das andere Schutzrohr leer und kann in bestimmten turnusmäßigen Abständen mit einem dünnen Normalthermometer bestückt werden, um insbesondere Driftabweichungen feststellen zu können.
Die integrierten Pt100 sind direkt auf die Auswerteelektronik geführt, die wiederum über einen Sensorstecker M12x1 nach außen geführt ist. Bei einer weiteren Ausführungsvariante wurde zur Erhöhung der funktionalen Sicherheit parallel in einem weiteren Schutzrohr der gleiche Aufbau nochmals dargestellt, hier aber analog über einen zweiten Stecker nach außen geführt. Somit ist es zusätzlich möglich, die Ergebnisse der Auswertung mittels der integrierten Elektronik noch einmal konventionell zu vergleichen. Die hierzu durchgeführten Untersuchungen betrafen verschiedene Einbausituationen, wie sie im Bild 6 dargestellt sind.
Die Umgebungstemperatur wurde zwischen 30 °C und 50 °C variiert, die Medientemperatur zwischen 150 °C und 200 °C. Dabei ergaben sich typische Einbaufehler zwischen 1,5 K und 3,5 K. Selbstverständlich ergaben sich die größeren Einbaufehler mit der letzten Anordnung der sogenannten Minieintauch-Variante. Durch Anwendung des Korrekturalgorithmus konnte dieser Wert auf 0,2 K erheblich reduziert werden.
Im Weiteren wurde ein System mit drei verschiedenen Pt100 aufgebaut. Die ersten zwei Pt100 waren als Platin-Schichtsensoren ausgeführt, Sensor 1 auf Basis eines Al2O3-Substrats und Sensor 2 mit ZrO-Substrat. Dies führt dazu, dass aufgrund der Ausdehnungskoeffizienten ein Sensor tendenziell positiv driftet und der zweite Sensor tendenziell negativ. Der dritte Sensor wurde als gewickelter Pt100 eingesetzt. Alle drei Sensoren wurden in einem Schutzrohr verbaut und auf eine der oben genannten Elektroniken geführt.
Die Auswertung bietet nun verschiedene Möglichkeiten. Im einfachsten Fall wird ein Sensor als Mastersensor definiert und laufend mit den anderen Sensoren verglichen. Bei zunehmender Abweichung erfolgt eine entsprechende Warnmeldung an den Anwender. Bei der erweiterten Auswertung wird der Messwert aus dem zeitlichen Mittelwert der drei Sensoren gebildet. Darüber hinaus wird über bestimmte Zeitintervalle die Abweichung der Sensoren zueinander bestimmt und daraus eine Driftaussage (Bild 7) abgeleitet. Bei Überschreiten vorab festgelegter Grenzwerte erfolgt wiederum eine Warnung an den Anwender. Darüber hinaus kann auch ein Ausfallszenario für einen einzelnen Sensor implementiert werden, sodass bei eindeutigem Ausfall eines Sensors der sichere Betrieb inklusive einer vereinfachten Driftüberwachung weiter gewährleistet werden kann. Das System bietet somit neben einer sehr hohen Grundgenauigkeit auch eine hohe Prozesssicherheit und eine integrierte Driftüberwachung.
Literatur
[1] Prof. Lieneweg: Handbuch – Technische Temperaturmessung. Akademische Verlagsgesellschaft, Leipzig, 1950
[2] Klaus Irrgang, Lothar Michalowsky: Temperaturmesspraxis mit Widerstandsthermometern und Thermoelementen. Vulkan-Verlag GmbH, 2004
[3] VDI/VDE-Richtlinie 3511: Technische Temperaturmessungen. Beuth Verlag
[4] VDI/VDE-Richtlinie 3512: Temperaturmessung für die Gebäudeautomation. Beuth Verlag
Die Autoren
Dr. Klaus Irrgang |
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wurde 1950 geboren. Nach Studium und Promotion an der TH Ilmenau habilitierte er zum Thema „Elektrische Temperaturmesstechnik“ an der Bergakademie TU Freiberg. Er war zehn Jahre im VEB Thermometerwerk Geraberg leitend in der Forschung tätig und ist langjähriger Obmann in der Arbeitsgruppe „Berührungsthermometer“ beim VDI/VDE. Er war 25 Jahre lang Geschäftsführer der Firma tmg (Temperaturmesstechnik Geraberg) und für zehn Jahre parallel auch Geschäftsführer der Tochtergesellschaft TWG. |
Dr. Gerd Bauer |
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wurde1970 geboren. Nach Studium und Promotion an der TU Ilmenau arbeitete er am Fraunhofer-Institut IPA. Er gründete die efm-systems GmbH, die 2014 mit der digiraster GmbH fusionierte. Er ist geschäftsführender Gesellschafter in beiden Unternehmen. |