Während der gesamte Markt für den elektrischen Baugruppentest im Jahr 2009 zusammenbrach, erzielte Reinhardt System- und Messelectronic ein Umsatzplus von 40 Prozent. Und auch sonst läuft bei Reinhardt einiges anders als bei anderen Firmen. Markt&Technik sprach exklusiv mit Gründer und Geschäftsführer Peter Reinhardt über sein Erfolgskonzept.
Markt&Technik: Herr Reinhardt, für nahezu die gesamte Tester-Branche war 2009 das schwierigste Jahr bisher. Sie jedoch haben in diesem Jahr einen unglaublichen Umsatzzuwachs verbucht. Wie kam es dazu?
Peter Reinhardt: 2009 war für uns das beste Jahr unserer 34-jährigen Firmengeschichte. Der Umsatz lag rund 40 Prozent über dem Ergebnis von 2008, unserem bis dahin besten Jahr. Zugegeben, wir hatten auch ein gutes Quäntchen Glück. So zählen wir zum Beispiel einige Wechselrichter-Hersteller zu unseren Kunden. Die Aufträge aus dieser Branche haben uns sehr geholfen. Auch aus dem Bereich Maschinensteuerung kamen größere Aufträge.
Und wie sieht es für die Geschäftsjahre 2010 und 2011 aus?
Sehr gut. Wir hatten im September 2010 bereits den Umsatz von 2008 verbucht. Zwar werden wir unser Ergebnis von 2009 nicht ganz erreichen, jedoch rechnen wir mit rund 18 Prozent Plus gegenüber 2008. In 2011 wollen wir das Ergebnis aus 2010 wieder erreichen. Die Bäume wachsen eben nicht in den Himmel. Wichtig ist die Kostendeckung und dass genug Geld in die Entwicklung fließen kann. Nebenbei bemerkt: Jeder Euro, den wir erwirtschaften, fließt in das Unternehmen zurück.
Entsprechend müssten Sie in 2009 überdurchschnittlich viel in R&D investiert haben . . .
Ja. Wir haben im Jahr 2009 die meisten neuen Produkte entwickelt. Dabei ist es uns wichtig, dass das Grundkonzept aus Hard- und Software über die Jahre gleich bleibt. In dieses Konzept fließen alle unsere Weiterentwicklungen ein. Das bietet für den Kunden den großen Vorteil, dass er eine verlässliche Plattform bekommt, die auch in 15 Jahren noch lieferbar, reparabel, ausbaubar und natürlich auch rückwärtskompatibel ist. In diesem Jahr haben wir das dritte Re-Design vorgenommen, die Software ist jedoch immer noch gleich.
Inwieweit waren Sie von der Bauteilverknappung betroffen?
Natürlich sind auch wir nicht davon verschont geblieben. Aber die Auswirkungen waren bei uns nicht so groß, weil wir stets einen Lagerbestand für ein Jahr bevorraten. Das kostet zwar Geld, spart aber Zeit und Nerven - und dem Kunden ist geholfen. Ich bin stolz darauf, sagen zu können, dass wir im Laufe unseres Firmenbestehens noch nie einen zugesagten Liefertermin überschritten haben, nicht mal um einen einzigen Tag. Wir bestätigen dem Kunden eine Lieferzeit von sechs bis acht Wochen. Kommt der Auftrag rein, fertigen wir das Gerät innerhalb von rund drei Tagen. Die restliche Zeit verbringt es im 24-Stunden-Dauertest. Die Leiterplatten, die wir von der Bestückung angeliefert bekommen, unterziehen wir einer Voralterung mit Null bis 50 Grad Celsius im Klimaschrank. Wenn das Gerät schließlich zum Kunden geht, sind wir absolut sicher, dass alles so funktioniert, wie es der Kunde bestellt hat.
Das klingt aufwändig . . .
Ja, aber der Erfolg gibt uns Recht: Bei 2400 ausgelieferten Geräten in 31 Jahren hatten wir gerade mal 42 Service-Einsätze beim Kunden. Daher haben wir auch keine Service-Abteilung. Sollte der unwahrscheinliche Fall eines Fehlers beim Kunden auftreten, fährt ein Kollege aus der Fertigung raus. Wir garantieren, dass das Gerät innerhalb von 24 Stunden wieder lauffähig ist. Das ist unsere Magie als Kleinstfirma.
Wie strukturiert man sich in einer - wie Sie sagen - Kleinstfirma, um sich erfolgreich gegen die Großen zu behaupten?
Das Wichtigste ist eine schlanke, einfache Struktur. Ein Großkonzern ist selten innovativ und schon gar nicht kreativ. Das geht nur mit einer flachen Hierarchie. Bei uns gibt es unterhalb der Geschäftsleitung keine Positionen und Titel. Bei Einstellungen ist das oft ein Problem - wir haben halt keine Pöstchen zu vergeben, sondern nur Arbeit. Viele unserer bislang 90 Auszubildenden haben uns deshalb verlassen. Wichtig ist auch die gegenseitige Information. Dazu treffen wir uns einmal pro Woche zu einer Lagebesprechung, bei der ich über die aktuelle Geschäftslage berichte und wir gemeinsam die wirtschaftlichen und technischen Entwicklungen erörtern. Die Zusammenkünfte dienen als Erfahrungsaustausch und zur Gruppenbildung. Zudem fördern sie die Kreativität jedes einzelnen.
Welche Eigenschaften sind Ihnen an einem Mitarbeiter am wichtigsten?
Er muss freundlich, unverkrampft, zuverlässig und gewillt sein, neue Sachen zu lernen. Ganz wichtig ist es mir, dass sowohl unter den Kollegen als auch zwischen den Mitarbeitern und der Geschäftsführung ein gutes Verhältnis herrscht, ohne Streit, ohne Konkurrenzkampf. Wir sehen uns als Familie, nur so schafft man etwas.
Sie pflegen ein sehr enges Miteinander. Ist das eines Ihrer Erfolgsrezepte?
Ja, wir sind nun mal ein kreativer Familienbetrieb mit alten Prinzipien. Das beinhaltet die bereits erwähnte schlanke Führung und ein gegenseitiges leben und leben lassen. Das gilt auch unseren Zulieferern gegenüber. Auch bei denen geht es mal besser, mal schlechter. Wir nutzen das nicht aus.
Heißt das, dass Sie nicht um Rabatte feilschen?
Natürlich versuchen wir, zum bestmöglichen Preis einzukaufen. Wir verhandeln hart, aber wenn es dem Zulieferer an die Existenz geht, bleiben wir fair.
Und wie gehen Sie selber mit Rabatten um?
Außer Mengenrabatten gibt es bei uns keine Nachlässe, weder Rabatt noch Skonto. Wir haben unsere Preise gut kalkuliert und handeln sie als Festpreise. Das machen wir schon seit 30 Jahren so. Die Kunden wissen und akzeptieren das. Ansonsten müssen sie ihr Gerät woanders kaufen. Viele Aufträge haben wir letztendlich aber doch bekommen . . .
Der ATE-Markt ist in den letzten Jahren von einer starken Konsolidierung gekennzeichnet. Wäre ein Kauf oder gar ein Verkauf für Sie denkbar?
Ein Kauf kommt nicht in Frage. Mir reicht das, was wir aus organischem Wachstum schaffen. Übernahmeanfragen bekomme ich jedes Jahr. Aber ich will nicht verkaufen. Damit würde ich mir ja mein eigenes Spielzeug wegnehmen.
Bietet der Markt denn noch genügend Potential für alle Anbieter?
Ich vergleiche den Markt für den elektrischen Baugruppentest immer gerne mit einer Pyramide. Ganz oben an der Spitze stehen 50 bis 60 große, meist börsennotierten Firmen mit viel Geld. Die kaufen alles, was teuer ist und einen Namen hat, haben aber noch nicht einmal die Manpower, um die Tester zu programmieren. Daher kaufen sie die Programmierung als Dienstleistung zu. In der Mitte der Pyramide sind die etwa 2000 bis 3000 mittelständischen Unternehmen mit 50 bis 3000 Mitarbeitern. In diesem Bereich haben wir eine sehr gute Marktdurchdringung und sind seit 18 Jahren stückzahlbezogen Marktführer. Den unteren Bereich, zu dem ich etwa 10.000 Firmen mit drei bis 100 Mitarbeitern zähle, adressiert bislang noch niemand so richtig. Diesen Markt wollen wir nun erobern. Die Produkte dazu haben wir schon - aber wie schon so oft sind wir mit unseren Lösungen drei bis fünf Jahre zu früh dran.
Benötigen diese Kleinunternehmen denn alle einen elektrischen Baugruppentester?
Ja natürlich, denn jeder Hersteller - sei er noch so klein - muss seine Produkte laut Produkthaftungsgesetz mit ICT und FKT testen. Bislang wird das allerdings noch recht lasch gehandhabt. Etwa ein gutes Viertel der Hersteller testet seine Baugruppen gar nicht. Ein weiteres Viertel führt eine visuelle Prüfung durch, davon zehn Prozent mit einem AOI-System, 90 Prozent per Mensch. Weitere 20 Prozent testen mit kleineren Hilfsmitteln mehr schlecht als recht und nur rund 30 Prozent aller Hersteller testet ordentlich mit ICT und FKT.