Trotz hoher Schaltgeschwindigkeit zeigt CMOS diverse Nachteile, die den Entwurf von 60-GHz-Funk-Frontends komplizieren. Da ist die Ausgangsleistung eines CMOS-Leistungsverstärkers. Sie ist auf etwa 10 dBm begrenzt. Da die fT nur etwa das Vierfache der Signalfrequenz beträgt, kann die Rauschzahl im Empfänger außerordentlich hoch liegen. Durch Strahlbündelung mit multiplen Antennen lassen sich diese Effekte mindern. Auf der ISSCC 2008 hat IMEC einen entsprechenden Empfänger mit zwei Antennen in 90-nm-CMOS demonstriert; ein Vier-Antennen-Empfänger in 45-nm-CMOS ist in Entwicklung.
Große Variation der Betriebsfrequenzen kann Probleme machen
Die nächste Herausforderung ist die gewaltige Bandbreite von 7 GHz, die von 60-GHz-Funksystemen verarbeitet werden muss: 57 bis 64 GHz. Die Betriebsfrequenzen können also um 15 Prozent variieren – gegenüber 3 Prozent bei WiFi (2,4 bis 2,485 GHz). Das stellt hohe Anforderungen an die Antennen und Schaltungen im Frontend, insbesondere an den Synthesizer: Ein Abstimmbereich von 15 Prozent in Gegenwart großer parasitärer Kapazitäten ist nicht einfach zu erzielen. Eine weitere Herausforderung: Die Analog/Digital- und Digital/Analog-Wandler müssen hohe Datenraten von etwa 4 GSamples/s bewältigen – bei Auflösungen von 5 oder 6 bit. Das ist in CMOS schwierig zu realisieren, insbesondere bei vernünftigem Leistungsverbrauch. IMEC hat dazu auf der ISSCC 2008 einen 5-bit-Folding-Flash-ADC mit 1,75 GSamples/s vorgestellt, mit einer Güte (figure of merit) von nur 50 fJ (Femto-Joule) pro Wandlerstufe. Das ist um das Dreifache besser als der beste bekannte Wandler für mehr als 500 MSamples/s. Dieses Design überwindet die fundamentalen Leistungs- und Größenbegrenzungen von Flash-A/D-Wandlern durch eine Faktor-2-Folding-Technik mit lediglich dynamischem Leistungsverbrauch, ohne Einsatz von Verstärkern. Damit ließ sich die Zahl der Komparatoren von 31 auf 16 bei 5 bit Auflösung reduzieren.
Dieser „Folding Flash ADC“ wurde in 90-nm-Digital-CMOS gefertigt, auf einer Fläche von weniger als 110 × 150 μm². Messungen bei 1,75 GSamples/ s mit LSB (least significant bit) von 25 mV ergaben Werte für INL (Integral Non-Linearity) und DNL (Differential Non-Linearity) zwischen –0,28/+0,24 bzw. –0,29/+0,26 LSB. Auch für die digitale Verarbeitung ist diese hohe Sample-Rate eine Herausforderung. Ein viertes Problem bei 60 GHz ist das niedrige Signal-Rausch-Verhältnis (SNR). Aus zwei Gründen: Die hohe Trägerfrequenz impliziert eine niedrige Empfangsleistung. Und die große Kanalbreite (2 GHz bei 60 GHz) trägt zum hohen Rauschpegel auf der Empfängerseite bei – deshalb die niedrige System-SNR.
Bei IMEC löste man dieses Problem durch ein phasengesteuertes Antennen-Array. Der Prototyp des voll in CMOS ausgelegten Empfängers mit multiplen Antennen implementiert eine programmierbare Phasenverschiebung der unterschiedlichen Eingangssignale, wie sie zur Strahlbündelung erforderlich ist. IMECs Schaltung enthält vier Antennenpfade, jeder mit rauscharmem Verstärker und Down-Konverter/Mixer. Die programmierbare Phasenverschiebung wird auf demselben Chip realisiert, und zwar im LO-Pfad (Local Oscillator). Sie verwendet die Quadratursignale eines spannungsgesteuerten On-chip-Quadratur-Oszillators (QVCO). Diese QVCO-Auslegung kombiniert die höchste Oszillatorfrequenz mit dem breitesten jemals in CMOS erzielten Abstimmbereich.
Für sehr anspruchsvolle Applikationen in Bezug auf die Datenrate werden größere Antennen-Arrays benötigt. Dabei ist die Strahlbündelung bei ortsfestem Betrieb wichtiger als in nomadischen Applikationen (Videokiosk). In letzterem Fall lässt sich das Problem umgehen, indem man das portable Gerät näher am Kiosk positioniert. Die fünfte Herausforderung zwingt die Entwickler zum Einsatz eines Standards, der drei physische (PHY-)Layer vorsieht: Modulation mit nur einem Träger und Equalization im Frequenzbereich (SC-FDE); daneben gibt es zwei OFDM-Varianten, jede mit eigenen (unterschiedlichen) Präambeln. Somit sind unterschiedliche Algorithmen für Equalization, Tracking und Akquisition zu entwickeln und zu implementieren. Fazit: Es gibt äußerst interessante Möglichkeiten; die Herausforderungen sind noch beachtlich, aber lösbar. Els Parton, André Bourdoux und Piet Wambacq, IMEC/ha
Im Jahr 2001 gab die US Federal Communications Commission (FCC) einen substanziellen Frequenzblock von 7 GHz im Bereich 57 bis 64 GHz zur unlizenzierten Nutzung frei. Dieser Aspekt der unlizenzierten Nutzung bietet den Vorteil, dass die Netzbetreiber ohne großen zeitlichen und finanziellen Aufwand eine Lizenz von ihren jeweiligen Behörden erhalten. Private Nutzer funken in diesem Band ohne Lizenzen und Gebühren. Außerdem ist es weltweit verfügbar: Das ermöglicht eine weltweite Harmonisierung um 60 GHz (Bild 1).
Der Hauptvorteil der großen um 60 GHz verfügbaren Kanalbreiten liegt natürlich in den hohen erzielbaren Datenraten – mit Eigenschaften, die die gegenwärtigen drahtlosen Standards (alle unterhalb 10 GHz) weit übertreffen. Ein offensichtlicher Nachteil des Funkens bei 60 GHz – die starken Ausbreitungsverluste – wird dabei sogar zum Vorteil, wenn es um kurze Verbindungswege geht: Immunität gegen Interferenzen, hohe Datensicherheit und Mehrfachnutzung der Frequenzen.
Für drahtlose Verbindungen mit hohen Datenraten (bis zu 5 Gbit/s) über kurze Entfernungen (3 bis 5 m) finden sich leicht Dutzende von Applikationen.
Hier einige Anwendungsfälle, wie sie das IEEE-Standardisierungskomitee beschreibt: