Kaum verwunderlich also, dass die Netzbetreiber ungeduldig auf die Neu-Ordnung des 900-MHz-Bandes warteten. Die neugefasste Richtlinie erlaubt nun die Nutzung des 900-MHz-Bands auch für die Bereitstellung breitbandiger europaweiter Dienste wie mobiles Internet, ohne dabei den Fortbestand der GSM-Dienste in Frage zu stellen. Diese neue Flexibilität wird einen stärkeren Wettbewerb auf dem europäischen Telekommunikationsmarkt fördern und zu einer schnelleren und größeren Verbreitung drahtloser Breitbanddienste beitragen, die als eine der Triebfedern des Wirtschaftsaufschwungs gelten.
Alle sind zufrieden
Die für die Telekommunikation zuständige EU-Kommissarin Viviane Reding zeigt sich mit der Entscheidung des Ministerrates sehr zufrieden: »Die weltweite eingeführte GSM-Norm stammt aus Europa und war ein großer europäischer Erfolg. Mit der Aktualisierung der GSM-Richtlinie ebnet die EU nun den Weg für eine neue Generation von Diensten und Technologien, bei denen Europa die weltweite Führung übernehmen kann. Ich möchte dem Europäischen Parlament und dem Ministerrat dafür danken, dass sie dies mit ihrer zügigen Einigung über die Reform dieses äußerst wichtigen Teils des EU-Telekommunikationsrechts möglich gemacht haben. Die Reform wird Hindernisse für die Betreiber beseitigen, damit diese im GSM-Band neue Technologien zum Aufbau extrem schneller mobiler Breitbanddienste einsetzen können. Davon erhoffen wir uns willkommene Impulse für die drahtlose Wirtschaft in Europa und für das Entstehen eines digitalen Europas.«
Auf solche Impulse wartet natürlich insbesondere die europäische Elektronik-Industrie, einschließlich führender Mobilfunkchip-Hersteller wie Infineon Technologies und ST Ericsson (siehe auch Kasten: »Die Chip-Hersteller haben vorgesorgt«). Infineon-Experte Adrian Etzbach macht aus seiner Freude keinen Hehl: »Das ist eine schöne Nachricht. Die Bindung von 900 MHz an GSM ist nun aufgehoben. Das ermöglicht eine kostengünstigere Flächenabdeckung. « Das von Etzbach angedeutete Einsparpotenzial ist in der Tat enorm: Branchenfachleute erwarten, dass die Reform der GSM-Richtlinie europaweit Einsparungen von bis zu 1,6 Mrd. Euro nach sich ziehen wird. Denn die Öffnung des 900-MHz-Bandes für UMTS erlaubt so genanntes Refarming, das heißt die zusätzliche Nutzung der Betriebsfrequenzen im GSM-Band durch HSPA (also schnelle Datendienste). Damit können Netzbetreiber überall dort Breitbanddienste effizient anbieten, wo derzeit nur GSM-Dienste verfügbar sind.
Auch beim finnisch-deutschen Infrastrukturhersteller Nokia Siemens Networks löst die Freigabe Freude aus: »Wir begrüßen die richtungsweisende Entscheidung der EU, weil sie den Netzbetreibern in vielen europäischen Ländern eine bessere Planung des weiteren Ausbaus ihrer mobilen Breitbandnetze erlaubt«, kommentiert Arne Schälicke, Strategic Marketing Manager, Wireless Access, Nokia Siemens Networks.
Und freuen werden sich auch bald die mobilen Internet-Nutzer. Die Netzabdeckung wird sich verbessern, und die Dienstequalität in Gebäuden wird steigen. Essenziell ist dabei allerdings auch, dass die eingesetzten Mobiltelefone tatsächlich 3G im 900-MHz-Band unterstützen. Etzbach schätzt, dass bereits 150 Modelle am Markt erhältlich sind. Der Funkexperte weist aber zugleich darauf hin, dass die Frequenzsituation im außereuropäischen Ausland oft weitaus komplexer ist als hierzulande. Wer sein 3G-Handy also mit ins Ausland nimmt, sollte sich am besten bereits bei der Anschaffung nach der Kompatibilität mit ausländischen Netzen erkundigen.