Arbeitgeber, Arbeitnehmer, Personaler, Politier und Juristen warten seit Monaten gespannt auf das Weißbuch Arbeit 4.0 der Bundesregierung. Jetzt ist der Diskussionsentwurf veröffentlicht und Markt&Technik fasst die wichtigsten Aussagen zusammen.
Ein Weißbuch ist eine Sammlung von Vorschlägen und möglichen gesetztlichen Regulierungen und Initiativen. Rund 18 Monaten haben Ministerielle, Arbeitgeber, Arbeitnehmer, Verbände, Gewerkschaften, Wissenschaftler und Juristen an dem Werk gearbeitet. Manche Themen wurden angesprochen, manche nicht und einige Themen bleiben im Wagen.
Doch ein Dilemma bestimmt das Weißbuch: Wir wissen noch zu wenig. In fast allen Bereichen sollen wissenschaftliche Untersuchungen mehr Klarheit liefern.
Die wichtigsten Aussagen im Überblick:
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben das Recht (entsprechend dem genannten Ziel einer „befristeten Teilzeit“) unter bestimmten Vor aussetzungen und in einzuhaltenden Fristen die Dauer ihrer Arbeits- zeit zu wählen. Sie haben ein Erörterungsrecht in Bezug auf die Lage der Arbeitszeit, auch wenn sie ihre Arbeitszeit nicht reduzieren möchten, und auf den Arbeitsort. Auch Arbeitgeber können selbstverständ lich im Falle einer gewünschten Reduzierung der Arbeitszeit die Lage der Arbeitszeit und den Arbeitsort mit den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern erörtern.
Möglich ist eine konditionierte und begrenzte Abweichung von den derzeit bestehenden Regelungen des Arbeitszeitgesetzes hinsichtlich der Tageshöchstarbeitszeit und der Ruhezeit auf Initiative der Beschäftigten oder des Arbeitgebers, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
Ein Tarifvertrag muss diese Öffnung zulassen, kann diese auf bestimmte Beschäftigtengruppen beschränken und genauere Anforderungen an betriebliche Wahlarbeitszeitkonzepte festlegen.
Es muss eine Betriebsvereinbarung über Wahlarbeitszeitkonzepte vorliegen. Hierzu gehören zumindest klare Festlegungen zur Aufzeichnung der Arbeitszeit und die Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen.
Der Öffnung müssen auch betroffene Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer individuell zustimmen.
Der Datenschutz ist für die Bundesregierung ein wichtiges Thema. Das Ministerium wird den gesetzlichen Beschäftigtendatenschutz in zwei Schritten sichern: Im Rahmen des geplanten Datenschutz Anpassungs und Umsetzungsgesetzes EU zur Umsetzung der EUDSGVO, das das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) in seiner bisherigen Form ablöst, wird sich das BMAS dafür einsetzen, den für den Beschäftigtendaten schutz entscheidenden Paragrafen (§ 32 BDSG), der die Datenerhebung, verarbeitung und nutzung für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses regelt, zu erhalten. Auch die in der Praxis bewährte Regelung des Datenschutzes auf betrieblicher Ebene in Betriebsvereinbarungen soll weiterhin ermöglicht werden.
Das Ministerum plant in einem zweiten Schritt, die Spielräume, die die EUDSGVO den nationalen Gesetzgebern für konkretisierende Regelun gen einräumt, umfassend zu nutzen. Dafür wird es einen interdisziplinär besetzten Beirat einsetzen, der das Ministerium dabei unterstützt, diese eigenständigen gesetzlichen Regelungen zum Beschäftigten datenschutz auf der Grundlage einer Bestandsaufnahme und im Rahmen eines verbindlichen Zeitplans vorzubereiten.
Darüber hinaus wird das BMAS prüfen, ob gesetzgeberischer Hand- lungsbedarf hinsichtlich des Betriebsverfassungsgesetzes besteht.
Mitbestimmung: Von zahlreichen Wirtschaftsverbänden und Unternehmen wurde im Rahmen des Dialogprozesses gefordert, das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats auf Fälle zu beschränken, in denen eine technologische Neuerung die Überwachung der Leistung oder des Verhaltens von Mitarbeitern bezweckt. Wo eine Überwachung durch die Neuerung lediglich möglich wird, aber nicht beabsichtigt ist, solle nur ein Informations recht greifen. Dies würde allerdings zur erheblichen Schwächung eines Mitbestimmungsrechts gerade in einem Bereich führen, der in der Praxis immer wichtiger wird und die Beschäftigten in hohem Maße umtreibt – auch ohne dass sie im Einzelfall mit einer ausdrücklich erklärten Über wachungsabsicht oder Überwachungsmöglichkeit zu tun haben. Gerade hier sollten Lösungen im Einvernehmen von Unternehmensleitung und qualifizierten Beschäftigtenvertretern von beiderseitigem Interesse sein.
Das Ministerium wird daher auch künftig bei Gesetzesvorhaben ein Mehr an Regelungsmöglichkeiten an das Bestehen von Tarifverträgen knüp fen. Es wird Maßnahmen ergreifen, um die Gründung von Betriebsräten zu fördern, und es wird – auch im Interesse der Unternehmen, die im Lichte rascher Veränderungen an den Märkten berechtigterweise erhöhte Flexibilitätsbedarfe geltend machen – Vorschläge unterbreiten, wie die Fähigkeit von Betriebsräten zur effektiven und effizienten Mitbestimmung in der digitalen Arbeitswelt gestärkt werden kann.
Das Ministerium sieht in Bezug auf den Betriebsbegriff gegenwärtig noch keinen gesetzlichen Regelungsbedarf, behält aber auch diesen Gesichts punkt im Blick. Ein weiterer Punkt:
Das Ministerium strebt ein Recht auf Experten an, das sich an folgenden Grund gedanken orientieren sollte: Die Hinzuziehung des Sachverständigen sollte sich auf das Mitbestimmungsrecht bei Einführung und Anwen- dung technischer Einrichtungen beschränken, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen (§ 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG), da diese Regelung die wesentlichen Erscheinungen der digitalen Arbeitswelt erfasst. Es sollte nicht unter dem Vorbehalt stehen, dass zunächst ein sachkundiger Arbeitnehmer im Betrieb zur Verfügung gestellt werden muss. Denn in der digitalen Arbeitswelt än dern sich Prozesse und Anwendungen mit hoher Geschwindigkeit, was eine rechtliche Regelung widerspiegeln müsste, die dem Betriebsrat unmittelbaren Zugriff auf externe Fachkenntnis ermöglicht.
Das komplette Weißbuch können Sie hier herunterladen.