Die Bindung der Mitarbeiter an ihr Unternehmen ist im Fünf-Jahres-Vergleich auf einen neuen Tiefpunkt gefallen, zeigt eine neue Studie der Unternehmensberatung Mercer. An der Motivation liegt es nicht, wohl aber an mangelnden Karriereaussichten.
Die Ergebnisse gehen aus dem Mercer Employee Experience und Talent Trends Report 2023 für Deutschland hervor.
»Unsere aktuellen Zahlen zeigen, dass mehr als jeder dritte Mitarbeitende in Betracht zieht zu wechseln, selbst wenn Gehalt und Leistungen bei einem neuen Arbeitgeber dieselben wären. Interessanterweise liegt es jedoch nicht an der Motivation für die Arbeit: So stimmen 84% der Beschäftigten zu, dass sie motiviert sind, über das hinauszugehen, was normalerweise erwartet wird, um ihr Unternehmen erfolgreich zu machen. Die Frage stellt sich nun, warum Mitarbeitenden zwar motiviert sind, sich gleichzeitig aber weniger mit dem Arbeitgeber verbunden fühlen«, erklärt Dr. Eléna Pelzer, Senior Consultant Employee Experience bei Mercer.
Die eigene Karriere vorantreiben und spannende Aufgaben im Arbeitsalltag lösen, kann einen positiven Einfluss auf die Mitarbeitendenbindung haben. Doch der Report zeigt: »Weniger als die Hälfte (45%) der Mitarbeitenden in Deutschland gibt an, dass sie Möglichkeiten zur Karriereentwicklung im eigenen Unternehmen haben. Weltweit ist man da optimistischer (60%). Auch bei Themen wie Weiterentwicklung und Karriere besteht aus Sicht der deutschen Arbeitnehmenden ein großer Aufholbedarf«, so Pelzer.
Arbeitsverdichtung, Digitalisierung und wachsende Veränderungsgeschwindigkeit beeinflussen das Wohlbefinden der Beschäftigten, wie der Mercer Report für Deutschland zeigt. Demnach werde Deutschland im globalen Vergleich hier abgehängt: Während weltweit 73 Prozent der Arbeitnehmenden angeben, dass sie eine gute Work-Life-Balance wahren können, stimmen dem nur 62 Prozent der Mitarbeitenden in Deutschland zu. Auch die Einschätzungen zu Arbeitsbelastung und dem Unternehmensinteresse am »Well-Being« der Mitarbeitenden liegen laut Report unter dem globalen Werten.
Dies stehe im Kontrast zu den Zielen von Unternehmen, wie aus dem Report für DACH hervorgeht: Demnach werde Well-Being von Unternehmen längst nicht mehr als ‚nice-to-have‘ sondern als konkretes ‚must‘ angesehen. Kein altruistisches Ziel: Knapp 80 Prozent der Unternehmen geben an, dass sie die Bereiche Well-Being und Gesundheit gezielt zur Gewinnung von neuen Talenten sowie zur Bindung der Beschäftigten und Steigerung ihres Engagements nutzen möchten.
Ein weiterer Faktor für die sinkende Mitarbeitendenbindung in Deutschland könnte die wahrgenommene Prozesslastigkeit sein: Nur knapp die Hälfte (51%) der befragten Arbeitnehmenden in Deutschland gibt an, dass ihre Arbeitsprozesse im Unternehmen gut organisiert sind. Im weltweiten Vergleich stimmen der Aussage immerhin 62 Prozent zu. Die Einschätzungen zu den verfügbaren Tools und Ressourcen liegen hier ebenfalls unter dem globalen Durchschnitt – was von den Mitarbeitenden auch als Bremser der Innovationskraft wahrgenommen wird.
Angesichts des Fachkräftemangels sei es für Unternehmen wichtig, ihre eigenen Treiber für Mitarbeiterbindung zu erkennen und die Wünsche und Bedürfnisse ihrer Beschäftigten zu kennen. Nur so ließen sich strukturierte Maßnahmen zu ergreifen, um Arbeitnehmende langfristig an das Unternehmen zu binden.
Das sei kein Wunschkonzert, so Michael Eger, Consulting Leader Employee Attraction & Retention bei Mercer Deutschland. »Arbeitnehmende und Arbeitgeber müssen die Wünsche und Lösungen gemeinsam bewerten und mit dem Geschäftsmodell im Einklang bringen, Zeigt sich jedoch, dass die nötige Anpassung der Rahmenbedingen nicht mit dem Geschäftsmodell in Einklang zu bringen sind, so stellt dies langfristig eine Gefahr für den Fortbestand des Unternehmens dar, was nicht nur Verbesserungen der Arbeitgeberattraktivität erfordert, sondern im Extremfall einen kompletten Strategiewechsel.«
Der Mercer Employee Experience Trend Report 2023 basiert auf Mitarbeiterbefragungen aus 15 Branchen, 8 Regionen und 59 Ländern zu arbeitsbezogenen Aspekten und Themen. Die aktuellen Ergebnisse für Deutschland stammen von mehr als 140.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern aus über 80 Unternehmen in Deutschland.