Rechenleistung – sei es im privaten oder geschäftlichen Umfeld – steigt rasant an. Damit geht ein enormer Energieverbrauch einher, der Rechenzentrumsbetreiber unter Druck setzt. Denn die sind durch neue politische Vorgaben zu mehr Nachhaltigkeit verpflichtet.
Mehr Online-Konsum, mehr Inhalte, mehr Streaming, mehr Leistung – als Privatpersonen steigern wir den Bedarf an Rechenleistung massiv. Es werden mehr Bandbreite, kürzere Antwortzeiten und bessere mobile Verbindungen gefordert. Zudem steigt die Anzahl digitaler Geschäfts- und Servicemodelle.
In der Folge wächst die Anzahl der Rechenzentren an. Doch mit der zunehmenden nötigen Rechenleistung steigt auch der Energiebedarf. Dieser hat sich in Deutschland in den letzten zehn Jahren fast verdoppelt – auf ganze 18 Milliarden kWh pro Jahr. Dabei werden die Betreiber von Rechenzentren als Klimakiller und Ressourcenverbraucher an den Pranger gestellt und sehen sich dem Vorwurf ausgesetzt, den ökologischen Auswirkungen des Rechenzentrumsbetriebs gleichgültig und tatenlos gegenüberzustehen.
Doch die Betreiber großer Rechenzentren – egal, ob unternehmenseigene Rechenzentren für die eigene Infrastruktur oder Rechenzentren als Anbieter von Rechenleistung – sind schon längst stark incentiviert und auch proaktiv gewillt, Nachhaltigkeit als eines ihrer Kernthemen zu verfolgen.
Die CSRD (EU-Richtlinie) sowie das deutsche Energieeffizienzgesetz (EnEfG) fordern eine umfassende Berichtspflicht – und zwar nicht nur rund um die eigenen Nachhaltigkeitsbemühungen, sondern auch die der anderen. Die EU-Direktive tangiert rund 50.000 Unternehmen, die ab dem Geschäftsjahr 2024 Nachhaltigkeit über ihre gesamte Wertschöpfungskette vorweisen müssen, darunter auch ihre Rechenzentren. Das betrifft nicht nur CO2-Emissionen, sondern auch weitere Faktoren wie Effekte der Wasserverschmutzung oder Bodenversauerung jedes einzelnen Geräts entlang seiner gesamten Wertschöpfungskette − von der Produktion über die Distribution bis hin zum Einbau.
Und Rechenzentren verfügen über eine große Anzahl an Hardware-Geräten, die Zahl geht oftmals in die Millionen. Zudem müssen sie laut EnEfG langfristig nachweisen, ihre Energieeffizienz stetig zu verbessern.
Die Rechenzentrumsbetreiber sind in der Folge schon längst aktiv: Neue Standorte werden unter ganz anderen Gesichtspunkten als früher gewählt, um beispielsweise natürliche Kühlung zu nutzen oder Abwärmeleistung an regionale Nahwärmenetze oder Industrieunternehmen abzugeben. Energieeffizienzgesichtspunkte finden Eingang in den Entwurf neuer Gebäude-Geometrien. Dach- und Wandflächen werden mit Photovoltaik-Anlagen zur Stromerzeugung ausgestattet. Regenwasser von Dachflächen wird gesammelt und zur Bewässerung in naheliegender Landwirtschaft bereitgestellt. Für den Betrieb der Geräte innerhalb der Rechenzentren – also der Server, Netzwerkgeräte und Speichersysteme – wird mit höheren Umgebungstemperaturen gearbeitet, um weniger Kühlleistung für die Raumkühlung aufwenden zu müssen. Kalte und warme Zonen werden baulich durch Einhausung getrennt, um Energieverluste zu minimieren. Die Kühltechnologie selbst wird weiterentwickelt und, wo sinnvoll, wird Flüssigkeitskühlung in geschlossenen Kreisläufen eingesetzt, um die Vorteile einer höheren Energiedichte zu nutzen.
Die konsequente Erschließung eines weiteren enormen Potentials für mehr Nachhaltigkeit wird von Seiten des Gesetzgebers nun auch eingefordert und stellt die Rechenzentrumsbetreiber vor eine neue Herausforderung: Die Reportingpflichten gehen über die direkten und indirekten Treibhausgas-Emissionen des sogenannten Scope 1 und Scope 2 des GHG Protocol hinaus. Die CSRD fordert auch eine Berichterstattung von Emissionen im Scope 3, also in der weiter gefassten Wertschöpfungskette. Der Gesetzgeber verspricht sich davon, den Aufbau von Druck auf alle Beteiligten, bis hin zu den Lieferanten der Ausstattung von Rechenzentren, den ökologischen Footprint zu reduzieren.
Um dieses Scope-3-Reporting zu erfüllen, müssen Rechenzentrumsbetreiber und Unternehmen künftig detailliert Bericht ablegen über die Emissions-Bilanzen aller Geräte. Dabei geht nicht nur die Anzahl in die Millionen, sondern ihre Zusammensetzung und Verortung befindet sich in einem Zustand unablässiger Veränderung. Diese Öko- und CO2-Bilanz entlang der Wertschöpfungskette zu erfassen, wird eine Mammutaufgabe, auf die niemand richtig vorbereitet ist.
Dafür gibt es einen Lösungsansatz: ein digitaler Zwilling der IT- und Rechenzentrumsinfrastruktur. Im Grundsatz werden dabei alle Prinzipien der Digital-Twin-Konzepte aus dem Bereich Industrie 4.0 aufgegriffen. So wie in der Industrie nicht mehr nur eine einzelne Fertigungszelle mit einem einzigen Roboter als Abbild der Realität im digitalen Raum vorgehalten wird, ist ein vollständiges, digitales Abbild aller eingesetzten Geräte des Rechenzentrums bis hin zum letzten Kabel von entscheidender Bedeutung. Dieses hilft, den Ist-Zustand zu dokumentieren und die Auswirkungen von Veränderungen vor ihrer Umsetzung zu simulieren.
Wird so ein digitaler Zwilling ermächtigt auch die Daten über die Emissions-Bilanz der einzelnen Geräte entlang ihrer Wertschöpfungskette vorzuhalten, lassen sich stets aktuelle Daten daraus extrahieren und für ein Nachhaltigkeits-Reporting aufbereiten. Im ersten Schritt wird der Berichtspflicht Genüge getan.
Strategisch wichtiger für eine faktische Verbesserung der Nachhaltigkeit des Rechenzentrumsbetriebs sind die darauffolgenden Schritte, die mit dem digitalen Zwilling möglich werden: Die akute Geräteausstattung auf ihren ökologischen Impact zu analysieren, mit anstehenden Ersatzinvestitionen aufgrund des technologischen Fortschritts zu korrelieren und dann Ausstattungen nachzukaufen, die von vorneherein einen deutlich besseren Emissions-Footprint aufweisen. Damit lässt sich dann nicht nur der IT-Einkauf nachhaltiger gestalten, sondern auch die Gesamt-CO2-Bilanz eines Rechenzentrums und Unternehmens wirksam reduzieren und die Nachhaltigkeit maßgeblich verbessern.
Rechenzentrumsbetreiber sind längst aktiv, wenn es darum geht, nachhaltiger zu werden. Aufgrund der verschärften Gesetzeslage ist die schnelle und effiziente Implementierung solcher Maßnahmen und anschließende Berichterstattung jedoch dringender denn je. Der Einsatz von digitalen Zwillingen erleichtert diese Aufgabe. Durch die Analyse des ökologischen Impacts können Investitionen klug geplant und die gesamte CO2-Bilanz positiv beeinflusst werden. Rechenzentren können so nicht nur nachhaltiger agieren, sondern ihre Bemühungen auch nachweisen – und vielleicht sogar ein besseres Image aufbauen. Denn der digitale Konsum auf Seiten der Verbraucher und Unternehmen wird erstmal nicht zum Erliegen kommen.
Matthias Gromann ist Director Business Line IT & Data Center Solutions bei FNT Software.