Maker-Plattform

Arduino zielt auf »Pro«-Kunden

30. November 2020, 10:11 Uhr | Joachim Kroll
Bild 1: Alles ordentlich verstaut: Starter-Kit für den Unterricht von Arduino.
© Arduino

Worin unterscheidet sich das Arduino-System von anderen Maker-Plattformen? Wer ist die Firma hinter dem System? Und wie sieht die Strategie für die Zukunft aus? – Darüber sprachen wir mit Daniel Kilian, Global Sales Director bei Arduino.

Arduino ist eine der ältesten Maker-Plattformen. Bereits 2005 wurde das erste Board vorgestellt. Trotzdem steht das System im Schatten des sehr populären Raspberry Pi, dessen erste Generation im Jahr 2012 auf den Markt kam. Arduino entstand mit dem Gedanken, auch technisch weniger versierten Menschen zu ermöglichen, elektrisch gesteuerte Systeme aufzubauen, etwa Künstlern für eine Installation. Mag sein, dass auch deswegen die Techniker das System anfangs eher als Spielkram wahrnahmen und sich lieber gleich mit professionellen Mikrocontroller-Umgebungen beschäftigten. In Hochschulen und Universitäten ist Arduino allerdings sehr populär, weil damit für Lehrbetrieb und Praktika sehr schnell lauffähige Systeme aufgebaut werden können. Außerdem hat sich Arduino in den vielen Jahren stark weiterentwickelt. Grund genug für ein Gespräch mit Daniel Kilian, frisch gebackener Global Sales Director über den aktuellen Stand, die Weiterentwicklung und die Abgrenzung von Arduino zu anderen Plattformen.

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Bild 2: Programmieren mit Arduino-Sketches ähnelt der Programmiersprache C.
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Design&Elektronik: Herr Kilian, wenn man den Wikipedia-Artikel zu Arduino liest, dann liegt eine Historie mit schweren Rechts- und Lizenzstreitigkeiten, Abspaltungen und Akqusitionen hinter Arduino. Wie ist die jetzige Struktur der Firma?

Daniel Kilian: Ich bin ja selbst noch nicht so lange dabei und bin nicht in alle Details eingeweiht, die sich in den letzten sechs bis sieben Jahren ereignet haben. Es gibt da die Co-Founder, die Gründer, von denen Massimo Banzi der Bekannteste ist. Der CEO heißt Fabio Violante. Unser Headquarter befindet sich in Turin, darüber hinaus gibt es noch zwei weitere Standorte und zahlreiche mobile Mitarbeiter. Es gibt jetzt nur noch die eine Firma Arduino. Zwar sind wir rund 400 Mitarbeiter, aber von der Kultur her sind wir immer noch ein Start-up. Unser Geschäft haben wir in drei Bereiche gegliedert: das generelle Board-Business, das Education Business und das Pro Business.

D&E: Wie viele Arduino-Boards wurden bisher verkauft?

Kilian: Dazu habe ich keine konkrete Zahl. Ich kann aber sagen, dass unsere Community auf Arduino.cc circa 40 Millionen Mitglieder hat und die Arduino-Entwicklungsumgebung rund 15 Milllionen Mal im Jahr heruntergeladen wird.

D&E: Wer entwickelt und fertigt die Arduino-Boards?

Kilian: Das machen wir alles selbst. Das meistverkaufteste Board ist immer noch das Arduino Uno mit einem ATmega328P. Die Boards bzw. die Schaltpläne sind Open Source, das heißt, jeder kann sie nachbauen. Dadurch gibt es viele Klone, aber die Nachbauten bieten meistens nicht dieselbe Qualität und Zuverlässigkeit wie das Original.

D&E: Sie legen einen starken Schwerpunkt auf den Bildungsbereich. Reicht es nicht, einfach günstige Preise und ein einfach nutzbares System anzubieten?

Kilian: Unser Konzept ist: Lernen – Entwickeln – Implementieren – Betrieb. Für das Lernen haben wir den Education-Bereich, der nicht nur aus Produkten für Schüler und Lehrer besteht, sondern in dem wir auch Einführungen anbieten. Die große Angst der Lehrer ist ja immer, dass die Schüler schnell schlauer sind als die Lehrer. Damit dieser Fall gar nicht erst eintritt, bieten wir für Lehrer Schulungen an.

An Hardware bieten wir zum Beispiel Experimentierkits für Klassenzimmer mit Boards und konfektionierten Kabeln und Zubehör in speziellen, dauerhaften Boxen an, die dann auch einen anderen Preisbereich erreichen (Bild 1). Das ist schon was anderes als wenn man jedem Schüler ein Arduino Uno in die Hand drückt. Das ginge nach kurzer Zeit kaputt, weil es nicht sicher verstaut werden kann.

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Bild 3: Arduino-Nano-Boards sind so groß wie ein Zeigfinger und es gibt sie mit BLE-Funkmodul sowie als IoT-Version mit einem Cortex-M0-Controller.
© Arduino

D&E: Wie würden Sie Arduino zu anderen Maker-Plattformen abgrenzen?

Kilian: Wenn ich zum Beispiel Micro Bit, Arduino, Beagle Bone und Raspberry Pi betrachte, dann würde ich sagen, dass Micro Bit der absolute Einsteigerbereich ist. Kurz danach kommt Arduino. Man kann dieselben Sachen, die man mit Micro Bit machen kann, auch mit Arduino machen, aber eben auch etwas mehr. Den Arduino kann man Kindern ab etwa acht Jahren geben. Beim Raspberry Pi ist schon etwas mehr Erfahrung nötig: um ihn aufzusetzen, muss man ein Image herunterladen, auf eine SD-Karte laden, die SD-Karte in den Raspberry Pi stecken, dann muss man Booten und Konfigurieren, um über SSH auf die Befehlszeile zugreifen zu können – und erst dann kann man anfangen, mit dem Raspberry Pi zu arbeiten. Den Arduino schließt man an den PC an, lädt den Beispielcode und dann läuft es schon.

D&E: Aber den Arduino muss man erst programmieren. Für den Raspberry Pi gibt es ein fertiges Linux-Betriebssystem.

Kilian: Ja, der Hauptunterschied ist, dass Arduino ein typisches Mikrocontroller-System ist, ohne SD-Karte und ohne viel Speicher. Der Raspberry Pi ist ein komplettes Computersystem, das gefragt ist, wenn man viel RAM und Rechenleistung braucht. Warum sollte ich einen Raspberry Pi für 60 Euro nehmen, wenn es zum Beispiel für eine Sensor-Anbindung auch ein Arduino für 30 Euro tut? Beim Raspberry Pi führt außerdem die SD-Karte zu Problemen, die nach zwei Jahren auch mal ausfallen kann. Man kann ein Arduino-System auch so aufrüsten, dass es in die Leistungsbereiche eines Raspberry Pi vorstößt, aber das ist dann natürlich auch eine Preisfrage.

D&E: Erklären Sie mal, wie die Programmierung funktioniert. Da gibt es diese sogenannten Sketches…

Kilian: Die Programiersprache ist eine ziemlich einfache Art der C-Programmierung. Wir nennen sie Sketches. Es gibt zahlreiche Beispiele, die man sich laden und aus denen man lernen kann. Eine Art »Hello World« für den Arduino ist das Sketch, das eine LED blinken lässt. Im Bild 2 sehen Sie die Zuweisung des Pins für die LED sowie eine Loop-Funktion, die die LED blinken lässt. Im Menü der IDE klickt man dann einfach auf »verify«. Daraufhin wird die Syntax geprüft und wenn keine Fehlermeldungen mehr auftreten, klickt man auf »upload«, woraufhin der Code compiliert, auf den Arduino übertragen wird, und die LED fängt sofort an zu blinken. Das nächst komplexere Beispiel ist dann die Funktion, die LED über einen Taster anzusteuern. So kann man sich Schritt für Schritt in die Programmierung einarbeiten. Zwar hat es viel Ähnlichkeit mit C, aber wir haben uns bemüht, alles so einfach wie möglich zu machen.

D&E: Auch die IDE wird von Arduino entwickelt?

Kilian: Ja, sämtliche Software, alle Updates und alles, was wir veröffentlichen ist von uns entwickelt. Natürlich gibt es auch Libraries auf Github – das prüfen wir dann und fügen das zu unseren Libraries hinzu. Die Herstellung der Boards erfolgt in Italien.

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Bild 4: MKR-Boards lassen sich mit oder ohne Carrier-Board und Shields zu einem Sandwich (»Panini«) stapeln.
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D&E: Was hat es mit den verschiedenen Größen beziehungsweise Bauformen der Arduino-Boards auf sich?

Kilian: Es gibt einerseits die Entwicklerboards wie zum Beispiel das Arduino Uno, die auf das Prototyping und das Experimentieren zielen. Für Implementierungen bieten wir den Nano-Formfaktor an, das sind besonders kleine aber leistungsfähige und preiswerte Boards (Bild 3). Und schließlich gibt es die MKR-Familie mit 32-bit-Arm-Cortex-Prozessoren, mit der wir ein »Panini«-Konzept verfolgen (Bild 4). Panini ist italienisch und heißt »Sandwich«. Diese Boards kann man über Steckverbinder stapeln, mit oder ohne Carrier-Board, einem Mikrocontroller-Board und verschiedensten »Shields« für Peripherieanschlüsse wie etwa CAN, Umgebungssensoren oder RS-485.

D&E: Wo liegt man preislich bei einem Arduino-System?

Kilian: Es hängt sehr davon ab, was man machen möchte und welche Interfaces man braucht. Ein Einsteiger-Board wie das MKR1010 liegt bei rund 20 Euro, ein Ethernet-Shield kostet 15 Euro, die Shields kosten zwischen 15 und 30 Euro.

D&E: Wie kann sich daraus ein Unternehmen mit 400 Mitarbeitern finanzieren?

Kilian: Wir haben mit den großen Distributoren leistungsfähige Partner. Arduino Uno ist ein Entwicklungsboard, von dem jeder, der mit Programmieren zu tun hat, mindestens schonmal gehört hat oder damit in Berührung gekommen ist. Die Nachfrage nach solchen Produkten ist enorm. Unsere Tier-One-Distributoren machen etwa 40 Prozent unseres Gesamtumsatzes aus. Darüber hinaus bieten wir zum Beispiel auch die erwähnten Schulungen an und unsere IoT-Cloud. In jedem unserer Starterkits ist das API für die von Arduino gehostete Cloud implementiert. Wer nur einen einzigen Wert übertragen und anzeigen will, kann das kostenlos machen, aber wenn man ein Dashboard mit mehreren Werten erzeugen möchte, ist das mit einem Abo-Modell verbunden.

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Bild 5: Die MKR-Boards gibt es mit verschiedenen Funkmodulen.
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D&E: Das neueste Angebot ist das Pro-Board. Gibt es dazu auch eine Pro-Strategie?

Kilian: Im Februar haben wir das Board Arduino Portenta H7 vorgestellt, das den Pro-Bereich adressiert – also Leute, die mehr Leistung auf dem Arduino brauchen und fortgeschrittenere Anwendungen entwickeln. Das Board hat einen Dual-Core mit Arm Cortex-M7 und -M4. Auf diesem Board kann man neben Arduino Sketches auch die Programmiersprachen MicroPython und JavaScript benutzen. Das Board hat den gleichen Formfaktor wie die MKR-Familie, die ebenfalls in den Pro-Bereich zielt, aber das Portenta-H7-Board erweitert nochmal die Performance. Damit zielt das Board in einen ähnlichen Bereich wie das Compute Module von Raspberry Pi. Außerdem ist das Board von –40 bis +85 Grad spezifiziert, eignet sich also auch für industrielle Anwendungen.

Wir haben das Board in intensiver Zusammenarbeit mit Arm entwickelt, denn ein großer Fokus liegt auf AI-Anwendungen. Das Arm-Betriebssystem mbed wird nativ unterstützt. Wir arbeiten momentan auch an einem Carrierboard, das alle möglichen Steckverbinder und Antennen enthält, so dass man hier nicht selbst etwas entwickeln muss.

Wir werden auch eine eigene Pro-IDE entwickeln, die etwas komplexer sein wird, um anspruchsvollere Entwickler anzuspechen. Die IDE wird zum Beispiel einfache Debugging-Funktionen wie Einzelschrittbetrieb enthalten und auch die zusätzlichen Programiersprachen JavaScript und MicroPython unterstützen.

D&E: Herr Kilian, vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Joachim Kroll.

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DANIEL KILIAN

ist seit Mitte 2019 Global Sales Director bei Arduino. Vorher war er Sales Manager bei Farnell element 14. Seine Ausbildung zum Bachelor or Electrical Engineering and Renewable Energy absolvierte er an der Hochschule München.

Das Interview fand als Videokonferenz statt.

 

 

 

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  • Relais, Motoren
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  • WLAN, Bluetooth, BLE, GSM, LoRa, LoRaWAN
  • UART, SPI, I²C, 1-Wire
  • IoT-Anwendungen in der Cloud: MQTT, Thingspeak, Pushover, Dweet.io
  • Projektideen für Maker: Von der Covid-19-Datenbank bis zur Messung des Raumklimas

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