Eine weitere Systemfamilie der zweiten Generation ist in Bild 6 unten dargestellt. Das Kontron OM6062 bietet Platz für sechs AMCs im einfachen (single-width) oder doppelbreiten Format (double-width). Das Lüftungskonzept bleibt durch diese Bauweise optimal und kostengünstig. Ein Prozessor-AMC im doppelbreiten Format wie Kontron AM5010 bietet Platz für eine Festplatte und Grafik auf einem AMC-Slot und ermöglicht somit eine weitere Kosteneinsparung. Die größere Frontseite bietet Platz für zwei GbESteckverbinder, USB-Ports und DVI. Das AM5010 unterstützt wahlweise eine vierfache PCI-Express-Lane oder vier einzelne PCI-Express-Lanes. Die PCI-Express-Taktsignale sind auf der Backplane untergebracht, so dass ein einfacher MCH mit den Basisfunktionen Management und Ethernet-Switch genügt. Das System hat auf der Frontseite steckbare Netzteile für Wechselstrom und andere Eingangsspannungen. Das Power-Management kann wahlweise auf dem Netzteil untergebracht werden (Power-Modul mit integriertem AC-Netzteil) bzw. ist ebenfalls auf der Backplane integriert. In letzterem Fall ergibt sich nochmals ein deutliches Potential zur Kosteneinsparung, da einfache marktgängige Netzteile verwendet werden können. Mit einer weiteren Backplane-Variante unterstützt das System unter der Bezeichnung OM6120 auch bis zu zwölf AMCs im einfachen Format (single-width).
Kostentreiber aus MicroTCA beseitigt
Wichtigstes Kriterium für AMC-Systeme ist, dass alle standardkonformen AMCs betrieben werden und standardkonforme MicroTCA Carrier Hubs eingesetzt werden können. Gegenüber einem System für die Telekommunikation können in einem industriellen System durch folgende Maßnahmen Kosten gespart werden:
(Joachim Kroll)
![]() | Dr.-Ing. Stephan Rupp ist Senior Systems Architect bei Kontron in Kaufbeuren. Vorher war er bei Alcatel zuständig für Systemintegration, Geschäftsentwicklung und Intelligente Netze, davor bei Philips in der Entwicklung digitaler Radiographiesysteme in der Medizintechnik. Nebenberuflich ist er engagiert als Fachbuchautor und Lehrbeauftragter. Stephan.Rupp@kontron.com |
Managed oder unmanaged Switch?
Ein Ethernet-Switch ist ein Verteiler, der eintreffende Datenpakete an eine Zieladresse weiterreicht. Jeder kennt diese Kästchen aus dem Büro oder von zuhause. Die hier meist verwendeten, kaum 20 Euro teuren „Schachteln“ sind „unmanaged“ – sie reichen Datenpakete in der Reihenfolge des Eintreffens weiter und merken sich hierfür die Adressen der Geräte an ihren Anschlüssen (Ports). „Managed“ Switches beherrschen zusätzliche Funktionen, z.B. virtuelle LANs (VLAN), Kriterien für die Weiterleitung von Ethernet-Frames in Abhängigkeit von der VLAN-Kennung bzw. in Abhängigkeit von Informationen aus dem IP-Header. Die zusätzlichen Funktionen müssen konfiguriert werden können, d.h., ein solcher Switch enthält Verwaltungsfunktionen. In der Praxis bedeutet das einen zusätzlichen Mikroprozessor mit Software als Switch-Controller mit Benutzerschnittstelle sowie einen komplexeren Baustein für den Switch selber. Daher ist ein „managed Switch“ deutlich aufwendiger und teurer als ein einfacher, nicht konfigurierbarer „unmanaged Switch“.
MicroTCA-Systeme müssen für Dienste wie virtuelle Netzwerke, Voice-over-IP und Quality-of-Service einen managed Switch enthalten. Für industrielle Systeme reicht im Allgemeinen ein unmanaged Switch, da auch der Hauptprozessor Management-Funktionen übernehmen kann. Durch diese Vereinfachung lässt sich ein wesentlich preiswerterer MicroTCA Controller Hub einsetzen oder gar ganz einsparen.
Wie lassen sich nun AMC-Systeme in der Praxis realisieren? Einige Muster zum Systemdesign nach dem MicroTCA-Standard werden hier stellvertretend vorgestellt. Bild 4 zeigt ein Basissystem mit Kommunikation über Ethernet. Ein Anwendungsfall wäre eine Nebenstelle für Voice over IP mit Anbindung an ein traditionelles Telefonnetz. Als AMCs sind ein Prozessor, ein Signalprozessor und eine Schnittstellenbaugruppe im Einsatz. Alle AMCs kommunizieren miteinander über Ethernet. Das Prozessor-AMC ist die Steuerzentrale und verantwortlich für den Auf- und Abbau von Verbindungen. Der Signalprozessor codiert den Datenstrom zwischen IP-Paketen und kontinuierlichem Datenstrom um, die Schnitstellenbaugruppe erledigt die Anbindung an das Telefonnetz. Die Anwendung lässt sich strukturieren nach Protokollen für Steuerung (Control Plane) und Datenstrom (User Plane) sowie nach Protokollschichten. Für die Systemarchitektur genügt Ethernet an den AMC-Ports 0 und ein Ethernet-Switch im MCH. PCI in der seriellen Version PCI-Express ist ebenfalls Bestandteil von AMCSystemen (AMC-Ports 4 – 7). Bild 5 zeigt eine Musterkonfiguration mit einem Prozessor-AMC und zwei Peripheriekarten (Grafikkarte für ein externes Display und Karte für externe Schittstellen). Im einfachsten Fall werden die AMC-Ports über einen PCI-Express-Switch zum MCH geführt. Auf diese Weise kann der Prozessor alle vier PCI-Express-Verbindungen für beide Peripheriegeräte nutzen. Für externe Displays gibt es übrigens eine interessante Alternative, die kein Videokabel und kein Grafik-AMC benötigt: Bei Verwendung eines Displays mit eingebautem Web-Browser (z.B. Kontron MicroClient) erfolgt der Anschluss über das Ethernet über beliebige Entfernungen. Auf dem Prozessor-AMC läuft in diesem Fall ein Web-Server, der grafische Benutzeroberflächen durch dynamische Web-Seiten unterstützt.
Prozessor-AMCs starten entweder von einer CompactFlash-Karte, Festplatte oder über das Netzwerk. Festplatten für SAS oder SATA gibt es im AMC-Format bzw. als externe Laufwerke. Festplatten auf AMC werden über die Backplane mit dem Prozessor-AMC direkt verbunden (AMCPorts 2 oder 3). AMC-Platten sind in das Management des Systems eingebunden, d.h., die Konfiguration und der Austausch im laufenden Betrieb werden vom MCH aus gesteuert. Für externe Laufwerke gibt es unterschiedliche Lösungen: