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Edge Computing und KI an der Edge - der aktuelle Stand

26. Mai 2025, 13:00 Uhr | Eric Lo / ak
Von oben nach unten: Für Hochleistungs-Edge-Gateway-Anwendungen eignet sich das Industrial Edge AI Gateway »NISE 54« von Nexcom./ Der »AIEdge-X 80« von Nexcom ist ein lüfterloser Edge-KI-Box-PC, der niedrigen Stromverbrauch mit hoher Leistung in einem kompakten Gehäuse verbindet. / Mit einem Intel-Core-Ultra-Prozessor ist der Visual-Edge-Computer »NDiS B362« von Nexcom ausgestattet.
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Edge-KI bringt KI-Funktionen direkt in die Geräte und Systeme, die der Datenquelle am nächsten sind. Wie sieht der aktuelle Stand der Edge-Computing-Technik aus, welche Einsatzmöglichkeiten ergeben sich, und wo liegen die Potenziale der Edge-KI?

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Immer häufiger ist derzeit die Rede von »KI an der Edge« oder kurz »Edge-KI«. Der Ansatz des Edge-Computings geht zurück bis in die 1990er-Jahre mit ersten Content Delivery Networks (CDNs). Ebenfalls in den 1990er-Jahren liegen die Ursprünge des Cloud Computings, das den digitalen Alltag in den folgenden Jahrzehnten entscheidend prägen wird.

Edge Computing bedeutet zunächst generell die dezentrale Datenverarbeitung an der Edge. Edge-KI – als noch junger Begriff im digitalen Universum – definiert dagegen den Betrieb von KI-Algorithmen und -Modellen möglichst nahe an der Datenquelle, besonders für IoT-Szenarien. Das bedeutet, Daten sofort verarbeiten und analysieren zu können, ohne dass die Cloud benötigt wird. Weil die Datenspeicherung in lokaler Nähe der Datenerfassung erfolgt, sind kurze Latenzzeiten, höhere Datensicherheit und geringere Kosten die entscheidenden Vorteile. Dies macht Edge-KI ideal für Echtzeitanwendungen zum Beispiel in Fertigung, Automotive, Gesundheitswesen, Einzelhandel, Sicherheitsüberwachung und vielen »Smart«-Szenarien.

Steigende Nachfrage nach Edge-KI

Grand View Research schätzte die Marktgröße für Edge-KI im Jahr 2024 auf 20,78 Milliarden US-Dollar und prognostizierte eine jährliche Wachstumsrate von 21,7 Prozent von 2025 bis 2030. Der Markt verzeichnet somit ein beträchtliches Wachstum, angetrieben durch die steigende Nachfrage nach Echtzeit-Datenverarbeitung und -Analyse an der Edge. Dieser Anstieg wird den Analysten zufolge von Branchen wie dem Gesundheitswesen, der Fertigung und der Telekommunikation befeuert. Sie alle versuchen, die betriebliche Effizienz zu steigern und die Latenz zu verringern, indem sie Daten näher an der Quelle verarbeiten. Im Gesundheitswesen beispielsweise ermöglicht Edge-KI die Fernüberwachung von Patienten durch Datenanalyse im Gerät und erleichtert so rechtzeitige medizinische Eingriffe.

Der entscheidende Vorteil von Edge-KI ist, dass für Anwendungen der KI und des Machine Learnings (ML) keine Daten an einen zentralen Standort gesendet werden müssen, um dann ein Analyseergebnis oder eine Reaktion abzuwarten. Derzeit erfolgen das Training und die Bereitstellung von KI- und ML-Modellen überwiegend in der Cloud. Die Cloud wird nach wie vor in großem Stil skalierbare Rechen- und Speicherressourcen bereitstellen, um KI-Modelle zu trainieren. Weil die Rechenleistung von Edge-KI nun immer stärker wird, kann sie auch ein Modelltraining durchführen. So erweist sich Edge-KI mittlerweile als effizient für die Datenvorverarbeitung und Inferenz sowie anschließende Prozesse. In derartigen Szenarien fungiert Edge-KI wie ein KI-Agent für Feldanwendungen. IoT-Geräte lassen sich daher als digitale Zwillinge außerhalb des SaaS betrachten.

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Eric Lo, Nexcom: »Edge-KI läutet eine neue Ära intelligenter Entscheidungen in Echtzeit ein, indem sie KI-Funktionen direkt in die Geräte und Systeme bringt, die der Datenquelle am nächsten sind.«
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In der Fertigung haben sich bereits einige praktische ML- und CNN-Anwendungen (Convolutional Neural Networks) etabliert. ML-Anwendungen kommen zur Anomalieerkennung bei Signalmessungen (zum Beispiel Strom, Spannung, Drehmoment, Nutzlast usw.) und zur vorausschauenden Wartung zum Einsatz. Sie verarbeiten Parameter und führen Rezepturoptimierungen für Fertigungsprozesse an einzelnen Stationen und Produkten durch. ML-Anwendungen erfassen ebenso Fertigungs-KPIs und sind nützlich für die virtuelle Messung von Produktspezifikationen und Leistungsmerkmalen. CNN-Anwendungen wiederum kommen bei der Fehlerprüfung zum Einsatz, beispielsweise bei Bauteilen, Schweißnähten, Verbindungen und Oberflächen. Weitere gängige CNN-Anwendungen sind die Produktionszählung und die Überwachung der Montagequalität, beispielsweise bei Rundgängen und Inspektionen.

Datengestützte Entscheidungen in Echtzeit

Edge-KI kann ihre Vorteile überall dort ausspielen, wo es um prädiktive Analyse geht, um anhand von Daten Entscheidungen in Echtzeit zu treffen und die nächsten sinnvollen Schritte vorherzusagen, wie es unter anderem beim autonomen Fahren erforderlich ist. Gleiches gilt für die Anomalieerkennung in Geschäftsumgebungen. KI-Algorithmen analysieren den Netzwerkverkehr, das Geräteverhalten und die Prozessausführung, um Abweichungen von normalen Betriebsmustern zu erkennen und bisher unbekannte Bedrohungen wie Zero-Day-Angriffe und Insider-Bedrohungen zu identifizieren, die herkömmliche Sicherheitssystemen möglicherweise übersehen.

Auch Edge-KI nutzt zunächst die Cloud oder ein lokales Rechenzentrum, um große Datenmengen für das Modelltraining zu bewältigen. Nach der Bereitstellung können sich Edge-KI-Modelle jedoch selbst optimieren und werden nur bei Bedarf in die Cloud verschoben, um das ursprüngliche KI-Modell erneut zu trainieren. Ziel ist es, die über das Internet übertragene Datenmenge zu minimieren und die Internetbandbreite – vielerorts immer noch das Nadelöhr – nicht zu belasten. Echtzeit-Inferenz und Closed-Loop-Aktionen und -Steuerung sind die beiden wichtigsten Vorteile für kurze Reaktionszeiten. Die IoT-Geräte können auch dann weiterhin unabhängig arbeiten, wenn die Verbindung ausfällt oder unterbrochen wird. In diesem Zusammenhang ist es bemerkenswert, dass Alarme und Warnmeldungen als Informationen und nicht nur als Rohdaten gesendet werden. Mit der kommenden Norm IEC 62443-4-2 (ISA 99) müssen Feldgeräte in naher Zukunft zwingend über Cybersecurity verfügen. Dieser Standard wird nach einer Übergangsfrist, die im November 2027 endet, ohne nationale Gesetzgebung in ganz Europa gültig werden.

Robotersicherheit mittels Edge-KI

Ein Beispiel für den Einsatz von Edge-KI in der Praxis ist KI-gestützte Betriebssicherheit von Robotern. NexCOBOT vereinfacht die Roboterentwicklung durch die Integration funktionaler Sicherheit mit Robot-Edge-KI und ermöglicht dynamische Echtzeit-Berechnungen von Sicherheitszonen, die Erkennung und Verfolgung von Personen/Objekten, sicherheitsrelevante Reaktionen und einen automatischen Neustart. Dabei steht die Sicherheit in komplexen und dynamischen Umgebungen der Mensch-Roboter-Zusammenarbeit stets im Vordergrund.

NexROBA, ein Open-Platform-Controller von NexCOBOT zur Entwicklung sicherer Robotersysteme, verfügt über eine offene Entwicklungsumgebung, in der Benutzer ihre eigenen EtherCAT-basierten Robotersteuerungsprogramme frei entwickeln können. Die Windows-basierte Umgebung vereinfacht die Integration von Anwendungen wie Machine Vision, Simulationssoftware und anderen Peripheriegeräten in das Steuerungssystem. Sie eröffnet Benutzern zudem die Möglichkeit, zeitdeterministische Programme zu entwickeln, indem sie Zugriff auf einen INtime-basierten Echtzeit-Ausführungs-Core bietet. Normalerweise kann die Entwicklung von Sicherheitsfunktionen für Roboter bis zu fünf Jahre dauern. Die ROBASafe-Lösung von NexCOBOT bietet jedoch vorzertifizierte und konforme Sicherheitskomponenten, sodass Roboterhersteller diese Funktionen innerhalb von nur zwei Jahren entwickeln können. Die modularen funktionalen Sicherheitslösungen geben Roboterherstellern nicht nur die Gewissheit der Konformität und Zuverlässigkeit in sicherheitskritischen Anwendungen, sondern bieten auch umfassende Sicherheitslösungen für anpassbare industrielle Prozesse.

NexDATA ist ein Data Lake, der OT- und IT-Daten als Grundlage integriert und speichert. Diese Lösung nutzt LLM-Technologie (Large Language Model), um die umfassende Datenerfassung und detaillierte Analyse zu ermöglichen. Entscheidungsträger können damit wichtige Daten leicht erfassen und sicherstellen, dass jede strategische Entscheidung auf einer soliden Datengrundlage beruht, was Unternehmen hilft, sich in einem anspruchsvollen Wettbewerbsumfeld zu behaupten.

Branchenspezifische Edge-KI-Lösungen

Die KI-Lösung AIX von Nexcom priorisiert die Datensicherheit, indem sie Informationen lokal verarbeitet und Cloud-typische Risiken minimiert. Branchen wie Technologie, Gesundheitswesen, Finanzdienstleistungen, Recht, Wissenschaft und Fertigung werden damit in die Lage versetzt, KI für Aufgaben wie Echtzeitanalysen und die Entwicklung maßgeschneiderter Modelle zu nutzen. Gleichzeitig sind die Compliance und die Kontrolle über sensible Daten gewährleistet.

Als Private-Cloud-Dienst liefert EdgeGPT präzise und schnelle Antworten auf gängige geschäftliche Probleme mit ERP-, ISO- und fabrikinternen SOP-Prozessen. EdgeGPT stellt sicher, dass alle Daten vollständig gegen Hacker und unbefugten Zugriff geschützt sind. EdgeGPT ist in Computern, Laptops, Smartphones oder anderen Handheld-Geräten einsetzbar, um die nahtlose Interaktion mit dem KI-Dienst zu ermöglichen. Unternehmen können die optimale Hardware-Konfiguration an ihre spezifischen Geschäftsanforderungen anpassen. EdgeGPT bietet Benutzern über Links oder Anhänge direkten Zugriff auf relevante Informationen und ermöglicht so schnellen Zugriff auf Antworten und Informationen.

Der AIC-Cloud-Service von EdgeGPT ist ein Tool, das als zeitgemäße Alternative zu herkömmlichen Wissensmanagementsystemen Unternehmen bei der Lösung komplexer Herausforderungen unterstützt. AIX EdgeGPT geht noch einen Schritt weiter und bietet einen eigenen ChatGPT-Service an, der auf bestimmte Branchen wie Bildung, Gesundheitswesen, Recht und industrielle Fertigung zugeschnitten ist. Diese Plattform ist so konzipiert, dass sie präzise Antworten durch Q&A-Sessions liefert und zugleich große Datenmengen problemlos hochlädt, was besonders für Sektoren mit großem Datenvolumen nützlich ist. Durch den Einsatz robuster Sicherheitsmaßnahmen und die Nutzung privater Netzwerke schützt AIX EdgeGPT sensible Informationen, ohne sie potenziellen Sicherheitsverletzungen auszusetzen.

Der Manufacturing X AI Agent nutzt LLM-Technologie, um Daten zu erfassen und zu analysieren. Verantwortliche können die wichtigsten Informationen leicht verstehen und sicherstellen, dass jede Entscheidung über Produktion und Logistik auf soliden Daten beruht.

Ein weiterer wichtiger Trend ist die wachsende Bedeutung der OT-Sicherheit in der automatisierten Fertigung. Nexcom stellte kürzlich eine Überwachungslösung für OT-Systeme und Produktionsumgebungen vor. KI-Algorithmen analysieren den Netzwerkverkehr, das Geräteverhalten und die Prozessausführung, um Abweichungen von üblichen Betriebsmustern zu erkennen. So lassen sich neue Bedrohungen wie Zero-Day-Angriffe und Insider-Bedrohungen aufspüren, die herkömmliche Sicherheitssystemen möglicherweise übersehen.

Fazit

Edge-KI verändert massiv die Art und Weise, wie sich KI einsetzen lässt. Die Technologie läutet somit eine neue Ära intelligenter Entscheidungen in Echtzeit ein, indem sie KI-Funktionen direkt in die Geräte und Systeme bringt, die der Datenquelle am nächsten sind. Damit gelingt es, die Probleme der cloudbasierten KI wie Latenzen, Datenschutz und Kosten zu bewältigen, indem datengestützte Prozesse schneller, sicherer und effizienter werden. Das Wachstum von Edge-KI in verschiedenen Branchen wird durch Fortschritte in der Hardware und Software vorangetrieben. Dies wird dazu beitragen, intelligente Geräte und Anwendungen im Arbeitsalltag künftig im großen Stil zu etablieren.

Der Autor:

Eric Lo, Assistant Vice President, Strategy, Branding, Digital Marketing and Product Management, Nexcom


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