Vielmehr drängt sich der Vergleich mit einer Transaktion aus dem letzten Jahrhundert auf, denn Paukenschläge wie dieser ereignen sich, wenn Intel langfristige strategische Ziele verfolgt. Das war auch 1998 der Fall, als Intel sich mit dem Halbleitergeschäft von Digital Equipment die Alpha- und Xscale-Prozessoren ins Haus holte. Während Alpha ziemlich bald eingestellt wurde, versuchte Intel mit Xscale in den Mobiltelefonmarkt einzusteigen. Langfristig führte dieser Versuch jedoch nicht zum Erfolg. 2006 verkaufte Intel das Xscale-Geschäft an Marvell.
Mit seinen PC-Prozessoren hat Intel einen Grad der Marktsättigung erreicht, der kaum noch Wachstumsmöglichkeiten bietet. Doch die »kleinen« und sparsamen Atom-Prozessoren haben sich als Renner erwiesen. Zwar kannibalisieren sie in Form von Netbooks den Notebook-Markt, sind aber auch in Embedded-Geräten ausgesprochen erfolgreich. Genau hier sieht Intel eine reichlich sprudelnde Einnahmequelle für die Zukunft.
Mit der Akquisition von Wind River dokumentiert Intel, dass die Absichtserklärungen um die »Eroberung« des Embedded-Markts ernst gemeint sind. Dafür spricht auch, dass vom Atom-Prozessor bereits 14 System-on-Chip-Designs in Entwicklung sind. Allerdings ist »Embedded« aus amerikanischer Sicht nicht nur das industrielle Computer- und Steuerungsgeschäft, das wir in Europa als »Embedded« im Blick haben, sondern es bezieht auch mobile Geräte, Unterhaltungselektronik und Kommunikation mit ein. In all diesen Bereichen hat Wind River seine Kunden: Netzwerkausrüster, Luftfahrt, automobiles Infotainment, Set-Top-Box-Hersteller, Medizinelektronik, etc.
Außerdem dürfte Wind River entgegenkommen, dass ihm mit Microsoft ein ernsthafter Wettbewerber herangewachsen ist. Der Deal stärkt Wind River und sein Linux-Engagement und bewahrt Intel möglicherweise vor einer Betriebssystem-Monokultur wie im PC-Markt.
Laut Erklärung aller Verantwortlichen soll Wind River weiterhin als eigenständige Geschäftseinheit weitergeführt werden. Trotzdem ist der Kauf nicht frei von Risiken – vor allem für Wind River. Während Intel den 884-Millionen-Dollar-Deal aus seiner mit 10,6 Milliarden gefüllten »Portokasse« zahlt, unterhält Wind River Partnerbeziehungen zu vielen Intel-Wettbewerbern, angefangen von ARM über praktisch die gesamte Mikrocontroller-Welt. Wie diese Partner reagieren werden, ist die große Unbekannte in dieser Rechnung.