Es scheint, als sei der Begriff Obsolescence-Management immer mehr »en vogue«: Stellen Sie als Verband von Seiten der Industrie mehr ernsthaftes Interesse an dem Thema als früher fest oder gibt es auch viele Trittbrettfahrer, die nur unter dieser Flagge segeln?
Ich denke schon, dass sich inzwischen wesentlich mehr Industrie-Unternehmen ernsthaft mit dem Thema »Obsolescence-Management« auseinander setzen, als dies noch vor einigen Jahren der Fall war. Die COG Deutschland hat mit Ihren Aktivitäten hierzu sicherlich auch ein Stück weit beigetragen. Aber wir stehen immer noch am ziemlich am Anfang eines langen Weges. Effizientes Obsolescence-Management setzt voraus, bereits mit Beginn der Produktevaluierung in Maßnahmen zu investieren, die sich möglichweise erst im Laufe von Jahren amortisieren, und so ein langfristiger Planungshorizont - Stichwort Gesamtkostenrechnung – stößt aus nachvollziehbaren Gründen natürlich nicht in bei jedem Manager auf ungeteilte Gegenliebe. Echte Trittbrettfahrer sehe ich kaum, wenngleich wir als Verband natürlich schon aufpassen müssen, dass unsere Verbandsarbeit durch die öffentliche Diskussion um »geplante Obsoleszenz« nicht versehentlich in ein völlig falsches Licht gerückt wird.
Wenn man der zunehmenden Zahl an Kritikern Glauben schenkt, entsteht der Eindruck, dass »geplante Obsoleszenz« inzwischen zumindest im Consumer-Bereich gang und gäbe ist. Täuscht dieser Eindruck oder sind das nur Einzelfälle?
Hier gilt es erst einmal die Frage zu klären, wie sich geplante Obsoleszenz definiert. Natürlich ist heutzutage jeder Hersteller um Gewinnoptimierung bemüht. Wer sich also einen billigen Stabmixer kauft, kann nicht unbedingt erwarten, dass dieses Geräte qualitativ höchsten Ansprüchen gerecht wird. Bei elektrischen Geräten wie beispielsweise Akkuschraubern etc. weisen einige Hersteller inzwischen sogar explizit darauf hin, dass sich die günstigeren Modellreihen nicht für ständigen, sprich professionellen Gebrauch eignen. Reden wir hier also von Obsoleszenz mit Ansage?
Ganz abgesehen von der Tatsache, dass sich »geplante Obsoleszenz« bei komplexen technischen Geräte nur sehr schwer nachweisen lässt, bin ich der Überzeugung, dass zumindest Hersteller hochwertigerer Produkte angesichts des heutigen Wettbewerbsdrucks extrem schlecht beraten wären, wenn Sie Sollbruchstellen einbauen würden, die Ihre Geräte schon kurz nach Ablauf der Garantiezeit ausfallen lassen. Wer einen Fernseher für 2500 Euro gekauft hat und diesen nach zweieinhalb Jahren wegen angeblich oder tatsächlich nicht mehr verfügbarer Ersatzteile wegschmeißen muss, wird vermutlich nie mehr ein Produkt dieser Marke kaufen. Der Markt würde so ein »Vergehen« schneller bestrafen, als das Management des betroffenen Unternehmens diesen Fehler bereuen könnte. Im professionellen, sprich industriellen Bereich ist so ein Verhalten erst recht undenkbar. Wer hier nicht durch Qualität, Zuverlässigkeit und Nachhaltigkeit überzeugt, hat langfristig keine Daseinsberechtigung.
Ihr Mitgliederspektrum spiegelt die unterschiedlichsten Facetten der Obsolescene-Thematik wider. Gibt es da nicht ab und an auch Interessenskonflikte, zum Beispiel bei den Distributoren, die in der Praxis ja sowohl Teil des Problems als auch der Lösungen sein können?
Nein, bei der COG Deutschland sind Lösungssuchende und Lösungsanbieter gleichermaßen willkommen, anders würde der Verband auch gar nicht funktionieren. Wichtig es nur, dass die Mitglieder bereit sind, ihr Obsolescence-Wissen auch mit anderen zu teilen, den Obsolescene-Management lebt vor allem auch vom Best-Practice-Prinzip. Bei unseren Quartalstreffen und in den diversen Arbeitsgruppen ist es völlig normal, dass auch Unternehmen, die ansonsten im Wettbewerb stehen, ihre Obsolescence- Probleme untereinander austauschen und gemeinsam nach Lösungsansätzen für spezielle Problemfälle suchen. Das funktionierte sehr gut. Wie groß das Interesse an einem direkte Dialog mit anderen Betroffen, aber auch den unterschiedlichsten Lösungsanbietern ist, sieht man übrigens auch daran, dass unsere inzwischen nahezu 100 Verbandsmitglieder immer weitgehend komplett zu den Quartalstreffen anreisen, auch wenn Sie dafür oft etliche 100 Kilometer Anreiseweg in Kauf nehmen müssen.