Ein weiteres Forschungsfeld ist die selektive Funktion, realisiert mit dem so genannten Temporary Liquid Solder Design, kurz TLSD. Dabei handelt es sich um eine kombinierte Kleb-Lötverbindung für Hochtemperatur-Baugruppen mit erhöhter Zuverlässigkeit für den Temperaturbereich bis 250°C. Mit anderen Worten: Die Lotverbindung ist keine kompakte Verbindung mehr, sondern eine flüssige bzw. temporär flüssige Lotverbindung. In Kombination mit niedrigschmelzenden Loten für die elektrische Funktion der Verbindung und mit Polymeren, welche die mechanische Funktion der Verbindung übernehmen, wird die thermo-mechanische Schädigung der Verbindungen bei hohen Betriebstemperaturen bis +200°C bzw. max. +250°C minimiert. In dem vom BMBF geförderten Verbundforschungsprojekt wurden anwendungsbezogene Lösungen auf der Basis von Funktionsdemonstratoren entwickelt und getestet. Chips lassen sich damit stressfrei auf die Platine aufbringen, da sie schwimmend gelagert sind und sich beim Lötvorgang keine Voids ausbilden können.
Die Kontaktierung eingebetteter Chips in Leiterplatten mittels der in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer-Institut für Siliziumtechnologie ISIT und Würth Elektronik entwickelten Lasercavity ist ebenfalls der Systemintegration zuzuordnen. Das Verfahren soll für höchste Integration in Multilayern sorgen und ist ein völlig neuartiger Ansatz künftiger Platinentechnik. Damit ist es möglich, aktive Bauelemente in Form von Flip-Chips in Leiterplatten einzubetten. Konkret: gleich mehrere Flip-Chips übereinander zu stapeln, und zwar in nur 1,6 mm dicken Platinen. Zum Einsatz kommt ein CO2-Laser, der eine Tiefenfräsung erlaubt, so dass sich Komponenten auch in tiefer liegenden Lagen eines Multilayers einbringen lassen. Würth Elektronik ist nach eigenen Angaben in der Lage, Lasercavities von bis zu 300 µm herzustellen und diese Technik problemlos mit Microvia zu kombinieren. Anhand eines Applikationsbeispiels lässt sich die Positioniergenauigkeit veranschaulichen: In einer Matrix wurden LEDs mit einer Sockellänge von 200 µm platziert, wobei die Dichte der LEDs 12.000 pro dm² betrug. Ferner übersteht solch eine Cavity bis zu 30 Dampfphasenlötzyklen ohne dass die Verbindung zerstört wurde.
Als letzter Baustein einer selektiven Fertigung ist die selektive Erstarrung zu erwähnen: Diffusionslöten ist das Zauberwort und bedeutet in diesem Fall nichts anderes, als den Schmelzpunkt nach oben zu treiben um auf diese Weise eine metallurgisch gleichmäßige Legierungsverteilung der Lotverbindung zu erhalten. Ein als Amalgamieren bezeichnetes Verfahren, das mit speziellen Reaktionsloten arbeitet, funktioniert sogar schon bei sehr niedrigen Temperaturen, wobei die selektiv erstarrten Verbindungen trotzdem bei mehreren hundert Grad Celsius stabil bleiben können. Während die Temperaturgrenze für den Einsatz konventioneller Lote in der Regel die Verarbeitungstemperatur definiert, kann durch den Einsatz von Reaktionsloten eine deutlich höhere Betriebstemperatur erreicht werden. Ein mit Palladium versetztes Reaktionslot sorgt so bereits heute in zahlreichen Anwendungen für verfestigte Lötverbindungen, wie sie vorteilhaft in der Automobilelektronik angewendet werden können. (Marcel Consée, Design&Elektronik)
Autor: Marisa Robles, freie Journalistin