»Die heutigen Standards für 100 Mbit/s und 1 Gbit/s sind ganz stark auf die Automobilindustrie zugeschnitten. Wichtig ist deshalb jetzt, dass weitere Standards auf dem Weg sind«, betont Fritsche. Der nächste Standard, der für die Automobilindustrie, aber gleichzeitig gemeinsam mit der Industrie entwickelt wird, ist der für 10 Mbit/s. »Das klingt erstmal wenig, ist aber auf alle Fälle viel mehr, als die meisten Feldbusse bieten.« Das Potenzial ist seiner Ansicht nach enorm: »Die Bereitschaft vonseiten der Chipindustrie und der großen Telekom-Carrier ist definitiv da, das Interesse ist groß. Mein klares Statement ist: Single-Pair-Ethernet hat definitiv das Potenzial, auch zusammen mit TSN, die Feldbusse in einigen Jahren zu eliminieren.«
Sascha Lambauer von TE Connectivity sieht neben der Industrie noch weitere Anwendungsfelder für die Datenübertragung: »Die Welt ist für Single-Pair-Ethernet unglaublich offen. Ich glaube, dass die Consumer-Elektronik ein starker Motor für Standards in der Industrie sein wird. Überall im privaten Bereich gibt es Datenverbindungen und das wird ganz stark pushen.«
Mittlerweile ist das Thema auch bei den Nutzerorganisationen angekommen. So setzen sich etwa die Profibus-Nutzerorganisation (PNO), ODVA und das Industrienetzwerk CC-Link bereits mit dem Thema Single-Pair-Ethernet auseinander. »In Verbindung mit einer durchgängig standardisierten Infrastruktur auf Basis von TSN hat Single-Pair-Ethernet die Chance, die bestehende Infrastruktur mittelfristig abzulösen. Wir bei Weidmüller sehen SPE deshalb als ganz wesentlichen Bestandteil zukünftiger Infrastruktur, in der man sich jetzt als Infrastruktur-Anbieter natürlich quasi positioniert«, so Seereiner.
Dass sich die grundlegende Struktur eines Kontakts und einer Buchse mit zwei Kabeln sehr breit auswirken wird, bekräftigt Ralf Moebus, Head of Product Management Industrial Data Communication bei Lapp: »Die Welt wird neu erfunden im Bereich Industrial Ethernet. Aber jetzt ist es wichtig, Use-Cases für Single-Pair-Ethernet zu finden und zu definieren, an welchen Stellen die Physik die bestehende Infrastruktur ergänzt.«
Als ein positives Zeichen interpretieren die Experten die Zusammenarbeit der Steckverbinderhersteller mit den internationalen Normungsinstituten. »Ich glaube, wir stehen jetzt gerade am Anfang. Wir sind bestimmt noch drei bis vier Jahre davon entfernt, ein einheitliches Steckgesicht für eine einheitliche SPE-Infrastruktur zu finden, die auch im Industriebereich definiert ist«, so Seereiner. »Die Chance für einheitliche Standards war aber selten so groß wie jetzt in diesen letzten Jahren.«
Wie kam es zum Auswahlprozess?
Auf Anfrage der IEEE 802.3 – einer Arbeitsgruppe zur Normung kabelgebundener Ethernet-Protokolle – hat das Verkabelungskomitee ISO/IEC SC25 WG 3 den Auswahlprozess für ein SPE-Steckgesicht durchgeführt. Die Gruppe ist verantwortlich für die Normenreihe ISO/IEC 11801-x, in der die Datenverkabelung für alle Anwendungsbereiche beschrieben wird.
Diese Normenreihe ist die wichtigste für die Ethernet-Verkabelung in allen Bereichen, wie Rechenzentrum, Industrie und Wohnungen. Weitere Normen leiten sich von ISO/IEC 11801-x ab, wie die Verkabelungen der Industrial-Ethernet-Variante. Außerdem werden die Anforderungen an die HF-Kategorien (Kat. 5, Kat. 6A usw.) definiert.