Wer in diesem Jahr im Vertrieb eines Halbleiterherstellers tätig war und die Tier-Ones der Automobilindustrie zu seinen Kunden zählte, war, gelinde gesagt, ein armes Schwein! Denn aufgrund der extrem großen Nachfrage, in Kombination mit den leergefegten Lagern und den dadurch entstandenen Lieferproblemen, liefen nicht nur die Telefone heiß.
Nur um es noch einmal ins Gedächtnis zu rufen, wie kapriziös die Automobilindustrie sein kann: Mitte 2008 wurden die wirtschaftlichen Entwicklungen weltweit ignoriert und weiter bestellt, als hätte es Lehman Brothers nie gegeben. Gegen Ende 2008 schlug das Verhalten ins genaue Gegenteil um, und keiner kaufte mehr irgendetwas. Im schlimmsten Fall wurde bereits bestellte Ware am Werkstor abgewiesen und zum Lieferanten zurückgeschickt. Wen interessiert schon partnerschaftliches Verhalten, wenn es ums eigene Überleben geht? Spätestens zu diesem Zeitpunkt stieg jeder in der Wertschöpfungskette auf die Bremse, Arbeitskonten wurden abgebaut, Werksferien verlängert, Produktionen zumindest vorübergehend stillgelegt.
Dann wurden überall staatliche Hilfsprogramme aus dem Boden gestampft, und die Automobilindustrie erholte sich wieder – wobei keiner der Erholung traute, jeder erwartete, dass die Automobilindustrie Jahre brauchen würde, bis sie wieder zu alter Stärke gelangte.
Dann strafte China alle Lügen, denn dort wurden plötzlich wieder Autos bestellt, und nicht die kleinen, die man hier für salonfähig erklärt hatte. Nein, in China wollte man die dicken Schlitten, die mit allem ausgestattet sind, was im Katalog zu finden ist. Es wurde wieder bestellt, was das Zeug hält, Produktionen wurden wieder hochgefahren, die Werksferien wurden beendet und neue Überstundenkonten angelegt. Doch halt, hier war noch ein klitzekleines Problem: Die Halbleiterhersteller brauchen Zeit, bis sie ihre Produktionen wieder hoch- und dann so eingefahren haben, dass sie mit gewohnter Ausbeute produzieren. Das ist zwar nichts Neues, aber das ist wohl wie mit Weihnachten: Wenn es endlich so weit ist, sind manche doch immer wieder überrascht.
Nachdem immer noch Verknappung vorherrscht, könnte man glauben, dass die Industrie zumindest jetzt nicht gleich wieder die gleichen Fehler begehen wird wie in der Vergangenheit. Aber das ist wohl zu viel erwartet. Denn jetzt, kurz vor Jahresende, werden die Lagerbestände wieder heruntergefahren, denn die Bilanzen müssen aufgehübscht werden, damit sie gut aussehen. Egal wie es Anfang des nächsten Jahres weitergeht: Wenn es eng wird, macht das nichts, es wird schon funktionieren.
Und da haben die Manager in den Industrie-Unternehmen nicht unrecht. Schlussendlich haben die Halbleiterhersteller stets alles unternommen, um die geforderten Halbleiter-Produkte zu produzieren. Wenn es sein musste, wurde in die Fertigungen eingegriffen, auch wenn das sehr kostspielig ist und den Output einer Fabrik senkt. Kein Wunder also, dass sich ein Großteil der OEMs immer noch arrogant zurücklehnt und glaubt, der Nabel der Welt zu sein.
Denn wenn 10 Prozent des gesamten Halbleitermarktes schon ausreichen, dass eine ganze Industrie Kopf steht, dann kann die Automobilindustrie sich mit ihren 10 Prozent Umsatzvolumen wie ein König fühlen – und Könige sind nun mal kapriziös!