Was bringt Gigabit Ethernet?

22. Juli 2007, 11:37 Uhr | Oliver Puls und Michael Peter
Diesen Artikel anhören

Fortsetzung des Artikels von Teil 1

Latenzzeit deutlich kürzer

Neben der hohen Kanalkapazität bietet die Gigabit-Übertragung den Vorteil einer um 90 % kürzeren Telegrammlaufzeit. Hinzu kommt die Latenzzeit, die sich aufgrund der Durchleitung durch Switches sowie in den Ausgangs-/Eingangsqueues der angeschlossenen Geräte ergibt. Konkrete Messungen der Latenzzeit bei einer Übertragung mit 100 MBit/s sowie 1 GBit/s belegen, dass die Latenzzeit bei der Gigabit-Übertragung deutlich kürzer ist als bei der Fast-Ethernet-Übertragung. Darüber hinaus lässt sich zeigen, dass die Latenzzeit unabhängig von der Telegrammlänge konstant ist - und dies auch bei einer hohen Netzlast, also ab einer Auslastung der vorhandenen Bandbreite von rund 40 %.

Gigabit-Ethernet bietet im Vergleich zu Fast-Ethernet die zehnfache Bandbreite respektive entsprechend kürzere Telegrammübertragungszeiten. Die Übertragung des längsten Ethernet-Rahmens von 1522 Byte belegt die Datenleitung für weniger als 13 µs. Daher ist Gigabit-Ethernet prinzipiell gut geeignet, sowohl die gewünschte Bandbreitenreserve zur Verfügung zu stellen, als auch Echtzeit-Daten der Automatisierung in kürzester Zeit zu übertragen. Vielfach ist das überlagerte IT-Netz von Produktionszellen bereits ein Gigabit-Ethernet- Netzwerk, so dass sich hieraus Schnittstellenanforderungen an die industrielle Infrastruktur ergeben. Mittlerweile stehen von verschiedenen Herstellern industrielle Gigabit- Switches zur Verfügung, die aber in der Regel die Gigabit-Übertragung lediglich auf den Uplink-Ports unterstützen.

Vor dem Hintergrund, dass industrielle Ethernet-Installationen bevorzugt dezentral ausgeführt sind - das heißt in Linien- oder Ringtopologie -, ergeben sich daraus diverse Einschränkungen im praktischen Einsatz: Neben den zwei Backbone-Ports können angeschlossene Endgeräte, die selbst über ein Gigabit-Netzwerkinterface verfügen - zum Beispiel leistungsfähige Datenserver in Logistikapplikationen - nicht direkt von der hohen Datenrate profitieren. Ebenso lassen sich T-förmige Verzweigungen oder Vermaschungen des Backbones nicht in Gigabit-Bandbreite ausführen. Neuere Switches wie der SMCS 8GT (managed) oder der SFN 8GT (unmanaged) von Phoenix Contact unterstützen hingegen die Gigabit-Übertragung auf allen acht Ports. Dies führt zu einer spürbaren Vereinfachung sowohl bei der Netzwerkplanung mit flexibler Topologiewahl als auch der Installation.

CA707-01-Bild4_02.jpg
Latenzzeiten für die Übertragung mit Fast-Ethernet und Gigabit-Ethernet, gemessen mit einem einfachen Testaufbau, bestehend aus Lastgenerator und Switch bei unterschiedlichen Paketgrößen.

Gigabit versus Software-Features

Aus Sicht der Automatisierung ist die Komplexität einer managebaren Ethernet- Infrastruktur kaum noch zu beherrschen. Viele Anwender vergleichen Ethernet-basierende Automatisierungslösungen mit Feldbus-basierenden Lösungen und kommen zunächst zu der Einschätzung, dass ein Master/Slave-Verfahren mit zentraler Diagnose auf dem Master, limitierter Teilnehmerzahl sowie berechenbarer Bandbreitennutzung einfacher zu handhaben ist. Dies führt häufig zu der Entscheidung, den Wechsel zum Ethernet-Netzwerk zunächst mit einfachen, nicht managebaren Switches zu vollziehen. Auf diese Weise bleibt dem Anwender eine komfortable "Plug-and-Play"-Handhabung erhalten. Tauchen allerdings die ersten Kommunikationsprobleme auf, wird der Vorteil einer managebaren Infrastruktur mit ihren vielfältigen Diagnose- und Filtereigenschaften deutlich. Jedoch gilt es, alle diese Funktionen zunächst richtig zu administrieren, was wiederum ein gewisses Expertenwissen voraussetzt - zum Beispiel bei der Einrichtung von VLANs (Virtual Local Area Network) oder der Filterung von Mulitcast-Datenströmen.

Im Prinzip sind all diese Software-Mechanismen nur erforderlich, um das Netzwerk oder einzelne Segmente vor einer zu hohen Datenauslastung zu schützen. Wird das Netzwerk statt dessen komplett auf eine Gigabit-Übertragung umgestellt, steht direkt die zehnfache Bandbreite zur Verfügung. Berücksichtigt man zudem, dass die Bandbreitenauslastung bei Automatisierungsanwendungen mit Fast-Ethernet typischerweise zwischen 5 bis 10% liegt, wird deutlich, wie viel Reserve in heutigen Netzwerken steckt. In diesem Zusammenhang ist daher auch von Overprovisioning - der Überversorgung - die Rede. Damit stellt sich die Frage, ob die Software- Funktionen zur Abschottung von unerwartetem Datenverkehr überhaupt angemessen sind. Da sich diese Frage sicherlich in vielen Fällen aufgrund der grundsätzlich geringen Auslastung verneinen lässt, führt spätestens der Einsatz einer Gigabit-Datenübertragung zu einer beträchtlichen Reduzierung des Administrationsaufwands - gleichbedeutend mit einer quasi "Plug-and-Play"-Handhabung des Ethernet-Netzwerks.

Zusammenfassend lässt sich festhalten: Die Einführung einer Gigabit-Übertragungsrate in der Automatisierung stellt heutzutage weder aus Sicht der Verkabelung noch aus Sicht der Gerätetechnik ein Risiko dar. Infrastrukturkomponenten mit ein oder zwei Gigabit-Ports gestatten den Anschluss von Produktionsnetzwerken an moderne Office-Netzwerke. Infrastrukturkomponenten, die eine Gigabit-Übertragung sogar auf allen Ports unterstützen, ermöglichen darüber hinaus die Integration von Endteilnehmern mit hohem Datenaufkommen wie Servern oder Kameras. Zudem sind Gigabit-basierende Automatisierungsnetzwerke leichter zu administrieren, da sie aufgrund der überdimensionierten Bandbreite weniger oder gar nicht auf Filtermechanismen oder Segmentierung angewiesen sind.

Im Bereich der Backbone-Anbindungen sind heute bereits Gigabit-fähige Endgeräte sowie eine geeignete Infrastruktur im Einsatz. Die kupfergebundenen Lösungen lassen sich in Verbindung mit Gigabit-fähigen Automatisierungsnetzwerken problemlos nutzen. Im Bereich der optischen Übertragung erfordert der Umstieg auf Gigabit jedoch neue Hardware

CA707-01-Bild5_02.jpg
Da sich die Konfigurationsdaten des Smart Managed Switches auf einem steckbaren Speicher ablegen lassen, gestalten sich Inbetriebnahme sowie Gerätetausch besonders komfortabel.

Oliver Puls
Oliver Puls ist Leiter Netzwerktechnik im Geschäftsbereich Automation Systems bei Phoenix Contact, Blomberg.
Michael Peter
ist Mitarbeiter der Entwicklung Hardware bei Phoenix Contact, Blomberg.


  1. Was bringt Gigabit Ethernet?
  2. Latenzzeit deutlich kürzer

Jetzt kostenfreie Newsletter bestellen!