Die Auswertung der von Sensoren erzeugten Rohdaten durch KI am Entstehungsort der Daten entwickelt sich zu einer Kernfunktion von IoT-Anwendungen. Nur so lassen sich in kritischen Situationen schnell Entscheidungen treffen. Doch wie ist dies umsetzbar, ohne die Echtzeitfähigkeit der SPS zu hemmen?
Die speicherprogrammierbare Steuerung (SPS) bildet nach wie vor die Kernkomponente industrieller Automatisierungssysteme. Sie verarbeitet die Eingaben des Automatisierungssystems und erzeugt entsprechend ihrer Programmierung Ausgangssignale zur Steuerung von Maschinen und Anlagen – und das oft mit hohen Echtzeitansprüchen. Wenn sie jedoch zusätzliche Aufgaben übernehmen soll, etwa komplizierte Berechnungen mittels KI oder für Machine Learning (ML) im Rahmen neuronaler Netze, kann dies ihre Echtzeitfähigkeit negativ beeinflussen.
Eine Lösung des Problems liegt in der Verlagerung solch rechenintensiver Aufgaben. Das kann über dedizierte externe Recheneinheiten geschehen, in denen die KI die jeweiligen Berechnungen vornimmt. Anschließend werden lediglich die ermittelten Ergebnisse an das SPS-Programm zurückgegeben, um sie dort als normale SPS-Eingangsvariablen zu verarbeiten. Genauso sind allerdings die aus der SPS benötigten Variablen als Eingangswerte der KI an die externe Recheneinheit zu übergeben. Damit sich dieser Prozess realisieren lässt, muss die in der SPS laufende Steuerungsapplikation mit der externen Recheneinheit kommunizieren.
Häufig ist es so, dass KI-Anwendungen im Maschinenumfeld getrennt von der Maschinensteuerung oder SPS zum Einsatz kommen. In diesem Fall wird als Recheneinheit meist ein PC oder die von einer Cloud bereitgestellte Rechenleistung genutzt, wobei der Datenaustausch mit der SPS einen erheblichen Aufwand erfordert.
Bei der Anwendung von ML-Methoden ist zwischen dem Lernen und Trainieren eines KI-Modells sowie der Ausführung eines fertigen Modells zu unterscheiden. Der Aufwand und die nötige Rechenleistung zur Erstellung eines KI-Modells sind deutlich höher als die nötige Rechenleistung für seine Verwendung. Zu den Vorarbeiten bei der Erstellung komplexer KI-Projekte gehört neben der Programmierung der Algorithmen das Sammeln und Labeln von Daten. Hier bedarf es oft sehr umfangreicher Daten, die entsprechend zu klassifizieren sind. In der Vorbereitungsphase erfolgt ihre Aufsplittung in Trainings- und Testdaten. Während des Entwicklungsprozesses dienen die Trainingsdaten der Optimierung des KI-Modells. Anhand der Testdaten wird geprüft, welche Ergebnisse das erstellte Modell mit den unbekannten Daten liefert.
Die Ausführung der getesteten KI-Modelle direkt am Automatisierungsprozess eröffnet die Chance, Lösungen auf KI-Basis schnell und unabhängig von anderen Systemen umzusetzen. Zu diesem Zweck stellt Phoenix Contact das Erweiterungsmodul AXC F XT ML 1000 für die PLCnext Control AXC F 3152 bereit, das auf einer Edge-TPU (Tensor Processing Unit) von Google Coral beruht, einer Plattform für Machine Learning. Die Edge-TPU verwendet TensorFlow Lite, ein Framework zur datenstromorientierten Programmierung, sodass sich sämtliche vortrainierten Modelle auf dieser Softwarebasis nutzen lassen. Darüber hinaus können zahlreiche Projektbeispiele von coral.ai eingesetzt werden, etwa um eine einfache Objekterkennung mit der Coral-Edge-TPU und Phoenix Contacts PLCnext Technology zu realisieren (Bild 1).
Als beliebteste Programmiersprache zur Entwicklung von KI-Applikationen unterscheidet sich Python erheblich von den in der Automatisierungswelt bekannten IEC-61131-Sprachen wie Strukturierter Text, Ablaufsprache, Kontaktplan, Funktionsbaustein-Sprache oder Anweisungsliste. Aus diesem Grund ist es üblich, dass Automatisierer und Data Scientists bei maschinennahen KI-Anwendungen eng zusammenarbeiten. Automatisierer haben das Domänenwissen und können die geforderten Daten aus dem Maschinenprogramm bereitstellen. Data Scientists wählen aus den vielen Optionen der KI die passende ML-Methode aus, etwa einen Entscheidungsbaum oder ein tiefes neuronales Netz (Deep Learning). Anschließend entwickeln sie mit den Daten ein passendes Programm (Bild 2).
Die PLCnext Technology unterstützt hier beide Anwender, denn Automatisierer verwenden ihre bevorzugte IEC-61131-Programmiersprache, während Data Scientists Python nutzen. Dabei gestaltet sich der Datenaustausch zwischen den beiden Programmierwelten wegen standardisierter Schnittstellen einfach.
Als Anwendung von Deep Learning sei die Bilderkennung genannt, die beispielsweise in Applikationen rund um die Qualitätssicherung im Produktionsprozess zum Einsatz kommt. Zudem bietet sich die Bildverarbeitung auch für Lösungen zur Optimierung des Straßenverkehrs in Innenstädten an. Um dort ein Abbild der Verkehrssituation zu erstellen, müssen Daten – etwa die Bilder von Verkehrskameras – durch geeignete Sensoren aufgezeichnet sowie im nächsten Schritt aufbereitet und ausgewertet werden (Bild 2). Die Analyse in einem Edge-Computersystem eröffnet den Vorteil, dass große Datenmengen – etwa Videos - nicht erst über eine Internetverbindung in die Cloud weiterzuleiten sind, sondern sich direkt vor Ort verarbeiten lassen. Dies setzt jedoch voraus, dass die verwendete Edge-Hardware ausreichend Leistung für die Datenverarbeitung auf KI-Basis hat (Bild 3).
Ein weiteres Anwendungsfeld für das Erweiterungsmodul AXC F XT ML 1000 liegt in der vorbeugenden Wartung (Predictive Maintenance). Hier erfasst die SPS von Vibrations-, Temperatur-, akustischen und anderen Sensoren Daten, die dann über die Schnittstellen der Steuerung an das KI-Erweiterungsmodul AXC F XT ML 1000 übergeben werden. Das KI-Modul nutzt die Informationen der Sensoren als Eingangsdaten für das entsprechende Modell der KI, etwa das neuronale Netz oder die Regression. Mit den Ergebnissen (Interferenzen) der KI kann die SPS die Maschine nun bei einer drohenden Gefahr durch Verschleiß in einen sicheren Zustand bringen oder eine Meldung an das Wartungspersonal senden, damit es die Maschine zeitnah überprüft.
Typische Applikationen, die mit Unterstützung von KI-Methoden spezielle Aufgaben lösen, werden selten mehrfach wiederverwendet. Häufig betreiben Anwender die KI-Lösung nur an einem Ort für eine bestimmte Aufgabe. Serienmaschinenbauer, die eine Maschine in großer Stückzahl herstellen und sie daher sehr gut kennen, könnten zur Durchführung einer vorbeugenden Wartung ein KI-Modell trainieren.
Das Modell ließe sich anschließend mit der PLCnext Control und dem Erweiterungsmodul AXC F XT ML 1000, das die Google-Coral-TPU umfasst, für die einzelnen Maschinen vervielfältigen. Weil die PLCnext Control mit zahlreichen gängigen Cloud-Lösungen kommunizieren kann, ist es ferner möglich, die Ergebnisse der verschiedenen lokalen KI-Anwendungen zentral auszuwerten. Auf Basis dieser Erkenntnisse lässt sich das KI-Modell im nächsten Schritt weiter trainieren. So entsteht ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess für die KI-Anwendung, der auf den realen Daten unterschiedlicher Maschinen beruht: ein echter Mehrwert sowohl für Hersteller als auch für Betreiber von Maschinen.
Auswahl aus vielen KI-Bibliotheken und -Strukturen
Computergestützte oder künstliche Intelligenz hat tiefgreifende Auswirkungen auf jeden Bereich des Lebens, wobei immer neue Applikationen hinzukommen. Die entsprechenden Designer wählen Python deshalb als bevorzugte Programmiersprache, weil sie sich wegen ihrer zahlreichen Vorteile – etwa dem großen Portfolio an Bibliotheken und Systemen – gut für KI- und Deep-Learning-Projekte eignet. So vereinfacht die umfassende Auswahl an expliziten KI-Bibliotheken und -Strukturen den Entwicklungsprozess und verkürzt die Entwicklungszeit. Die einfache Syntax und Verständlichkeit von Python fördern das schnelle Testen komplexer Berechnungen und erschließen die Sprache auch für Personen außerhalb des Entwicklerkreises.
Python verfügt außerdem über ein umfangreiches und dynamisches Netzwerk von Entwicklern, die unterstützend zur Seite stehen. Das erweist sich bei der Verwaltung komplizierter Projekte als wichtig. Selbst wenn auch andere Programmiersprachen in KI-Projekten eingesetzt werden, zeigt sich Python als das präferierte Werkzeug, das Entwickler nach der stets nötigen kritischen Prüfung für ihr KI-Projekt in Betracht ziehen sollten.
Arno Martin Fast, B.Eng., ist Fachreferent Digital Services bei der Phoenix Contact Electronics GmbH in Lemgo.