Keppler: Die vom GigE-Vision-Server auf dem Bild-Server simulierte Kamera ist unmittelbar kompatibel zu allen GigE-Vision-kompatiblen Software-Lösungen auf dem Verarbeitungsrechner. Im Klartext heißt das: Die Software-Lösung auf dem Verarbeitungsrechner merkt gar nicht, dass sie gegebenenfalls bereits vorverarbeitete oder abgespeicherte Bilder empfängt. Für sie erscheint der Bild-Server als ganz normale Kamera mit individuellen Eigenschaften. Welche Eigenschaften diese simulierte Kamera auf dem Bild-Server bereitstellt, kann der Entwickler im GigE-Vision-Server frei definieren. Durch den GigE-Vision-Standard kommuniziert die simulierte Kamera die vorhandenen Eigenschaften an den Empfänger und macht sie dort direkt und ohne weitere Anpassungen nutzbar.
Angenommen, auf dem Bild-Server soll nach der Aufnahme eine Schlagzahl mit „CVB Manto“ gelesen werden, die prüfteil-abhängig an unterschiedlichen Stellen auftreten kann. Die Software-Lösung auf dem Auswerterechner kennt die Erwartungsposition der Schlagzahl für das individuelle Prüfteil durch Kommunikation mit der Anlagensteuerung. In diesem Fall ist es sinnvoll, wenn die simulierte Kamera auf dem Bild-Server als Eigenschaft bereits eine definierbare Area-Of-Interest (AOI) bietet, um den bauteilspezifischen Erwartungsbereich der Schlagzahl festzulegen. Außerdem ist eine Eigenschaft zur Rückgabe des bereits auf dem Bild-Server gelesenen Inhalts der Schlagzahl als String erforderlich. Weitere Eigenschaften zur Steuerung der Vorverarbeitung oder zur Übertragung zusätzlicher Informationen zwischen Bild-Server und der Software-Lösung auf der Empfängerseite wären denkbar und leicht zu realisieren.
Welche Kenntnisse setzt der GigE-Vision-Server beim Anwender voraus?
Keppler: Da der GigE-Vision-Server Teil unserer Bildverarbeitungs-Bibliothek ist, sollte der Anwender mit einer der üblichen Entwicklungsumgebungen sicher umgehen können; er muss aber keineswegs Fachmann für Bildverarbeitungs-Algorithmik oder Netzwerk-Kommunikation sein. Das notwendige Expertenwissen ist in den Bibliotheken verpackt.
Der GigE-Vision-Server ermöglicht ein verteiltes Rechnen über vollwertige Multi-Cast-Server-Lösungen. Welche Vorteile bietet dies?
Keppler: Die MultiCast-Lösung ermöglicht, dass die Bilder von der simulierten Kamera, also dem Quell-PC, direkt gezielt an mehrere Empfänger-PCs geschickt werden können. Damit wird zum Beispiel die Möglichkeit zum echten verteilten Rechnen bei minimierter Netzauslastung gegeben. In einem konkreten Fall, den wir vor kurzem realisiert haben, arbeiten fünf mit dem GigE-Vision-Server ausgestattete PCs als intelligenter Video-Switch, der die Bilddaten von 250 GigE-Vision-Kameras an bis zu sieben weitere PCs weiterleitet. Jeder dieser sieben PCs kann bis zu drei beliebige Kameras aus dem Netzwerk anzeigen. Dazu verwenden die fünf Server-Rechner den Multicast-Mode, bei dem die Daten parallel an mehrere Rechner übertragen werden, im konkreten Fall sind dies 7×3 Video-Streams.
Gibt es nicht bereits ähnliche Konzepte anderer Anbieter?
Keppler: Natürlich werden in einigen Bildverarbeitungs-Lösungen heute schon PCs als Bild-Server benutzt. Allerdings läuft das zwangsläufig über proprietäre Protokolle und Datenformate bei der Übertragung, Synchronisierung und Steuerung. Dabei müssen Bildquelle und Bildempfänger mit dem gleichen proprietären Format arbeiten und genau aufeinander abgestimmt sein. Der Anwender ist also keineswegs hardware- und softwareunabhängig. Gerade diese Unabhängigkeit bietet aber unsere Lösung. Da sie auf dem GigE-Vision-Standard beruht, kann sogar problemlos zwischen einer echten Kamera und dem Bild-Server mit der simulierten Kamera gewechselt werden, solange beide Kameras nur die benötigten Eigenschaften liefern.
Zudem läuft die gesamte Kommunikation zwischen Bild-Server und Verarbeitungsrechner allein über das standardisierte GigE-Vision-Format – ohne proprietäre Protokolle oder zusätzliche Kabelverbindungen. Zwischen Bild-Server und Auswerterechner genügt allein die Gigabit-Ethernet-Verbindung. Damit gehören – zumindest unter Zuhilfenahme erschwinglicher Glasfaser-Netzwerk-Technologie – Kabellängenprobleme endgültig der Vergangenheit an. im