Industrielle Instandhaltungsstrategien

Instandhaltung – aber wie?

1. September 2023, 17:00 Uhr | Heino Brose
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Fortsetzung des Artikels von Teil 1

Verschiedene Strategien der Instandhaltung

Die Präventabilität beschreibt die Vermeidbarkeit eines Ereignisses im Zusammenhang mit dem Aufwand für die Vermeidung. Je höher der Wert, desto besser lässt sich ein Ereignis vermeiden.

Die Intensität ist der Durchschnitt aller bisherigen Merkmale und erlaubt die Gewichtung des Ereignisses im Vergleich zu anderen Ereignissen.

Die Vitalität gibt an, in welchem Lebensabschnitt des technischen Systems ein Ereignis eintreten kann. Sie stellt im Vergleich zu den anderen Merkmalen keinen einzelnen Wert dar, sondern einen Zeitbereich.

Vergleicht man die Merkmale und Eigenschaften verschiedener Ereignisse miteinander, stellt man fest, dass sich für jedes Ereignis ein typischer Fingerabdruck bildet. Dieser Fingerabdruck gibt einen ersten Hinweis auf mögliche Instandhaltungsstrategien für das entsprechende Ereignis. Ähnliche Fingerabdrücke fordern dieselben Instandhaltungsstrategien.

Die bekanntesten Instandhaltungsstrategien

Eine Instandhaltungsstrategie beschreibt die Vorgehensweise, wie Produktivität und Lebenserwartung einer Anlage aufrechterhalten oder sogar erhöht werden. Es gibt viele verschiedene Strategien, die sich darin unterscheiden, wann sie relativ zu einem Ereignis durchgeführt werden und aus welchen Aufgaben sie bestehen. Bild 3 zeigt die bekanntesten Instandhaltungsstrategien.

Die ausfallende Instandhaltung oder Reactive Maintenance ist eine korrektive Instandhaltung, die ohne Aufschub nach der Fehlererkennung ausgeführt wird, um unannehmbare Folgen zu vermeiden. Alle Ereignisse, die sich leicht identifizieren und lokalisieren lassen, sind für die ausfallende Instandhaltung sehr gut geeignet. Dagegen müssen Ereignisse, die keine oder kaum Auswirkungen auf die Funktion haben und sehr unwahrscheinlich eintreten, für diese Strategie nicht berücksichtigt werden. Sicherheitsrelevante Fehler sollten durch andere Instandhaltungsstrategien behoben werden.

Vorteile dieser Instandhaltungsstrategie sind die maximale Ausnutzung der Lebensdauer der Komponenten, der geringe Planungsaufwand, die einfache Umsetzbarkeit und die Einbeziehung der Anwender in die Instandhaltungsregelung. Die Zeitdauer wird nur durch die Reparatur selbst geprägt. Allerdings sind ungeplante, sofort durchzuführende Tätigkeiten, das Risiko längerer Stillstandzeiten und die geringere Anlagenverfügbarkeit als Nachteile einzuplanen.

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Bild 3: Die bekanntesten Instandhaltungsstrategien für technische Fehlerereignisse
© Synostik

Die aufschiebende Instandhaltung oder Active Maintenance ist eine korrektive Instandhaltung, die nicht unmittelbar nach der Fehlererkennung ausgeführt, sondern nach vorgegebenen Instandhaltungsregeln zurückgestellt wird. Sie ist eine Nebenform der ausfallenden Instandhaltung mit der Besonderheit, dass der Zeitpunkt der Reparatur geplant wird. Alle Fehlerereignisse, die gut identifiziert und lokalisiert werden können, sind gut geeignet. Sicherheitsrelevante Fehler und Einschränkungen der Funktion müssen durch andere Instandhaltungsstrategien behoben werden. Für schnell und sofort behebbare Fehler ist die Strategie nicht sinnvoll. Ihre Vor- und Nachteile sind dieselben wie bei der ausfallenden Instandhaltung. Zusätzlich sollten als Nachteile jedoch noch der zusätzliche Planungsaufwand und das Risiko von Folgeschäden genannt werden.

Die vorausbestimmende Instandhaltung oder Preventive Maintenance ist eine präventive Instandhaltung, die nach einem festgelegten Zeitplan oder nach einer festgelegten Zahl von Nutzungseinheiten durchgeführt wird, jedoch ohne vorherige Zustandsermittlung. Hierbei handelt es sich um eine klassische Wartung. Alle Ereignisse, die wenig Kosten verursachen und bei denen die Wartung im Verhältnis zu einer möglichen Reparatur nicht zu lange dauert, sind gut geeignet für diese Strategie. Nicht geeignet sind schwer reparierbare Fehlerereignisse und unwahrscheinliche Ereignisse ohne Auswirkungen auf die funktionale Sicherheit und Funktion.

Synostik
Bild 4: »EventFingerprintMasking« für ein beispielhaftes Ereignis
© Synostik

Vorteile dieser Strategie sind Planbarkeit der Arbeiten (Termin und Dauer), genaue Kenntnisse der Abläufe und der benötigten Ersatzteile, hohe Materialverfügbarkeit, hohe Arbeitsqualität, exakte Kalkulierbarkeit, Reduktion ungeplanter Ausfälle und längere Lebensdauer der Komponenten. Nachteilig wirken dagegen erhöhte Kosten und zusätzliche Arbeitsstunden für Planung und Durchführung der Wartung sowie fehlende Kenntnisse über das reale Ausfallverhalten der Anlage.

Die voraussagende Instandhaltung oder Predictive Maintenance ist eine präventive Instandhaltung, die auf Basis einer Vorhersage durchgeführt wird. Grundlagen dieser Vorhersage sind bekannte Eigenschaften oder Erfahrungen aus Analysen der Vergangenheit oder das Eintreten wichtiger Parameter, die den Abbau eines Elements kennzeichnen. Mit dieser Instandhaltungsstrategie lässt sich ein zukünftiges Fehlverhalten eines Systems vermeiden. Die Komponenten eines potenziellen Fehlerereignisses werden ausgetauscht oder die Auswirkungen der Fehlerursachen werden reduziert, bevor das Ereignis eintritt. Wichtig dafür ist, dass das Ereignis bis zu einem gewissen Grad vorhersagbar sein muss.

Die Vorteile sind Planbarkeit der Arbeiten, Bekanntheit der Abläufe und benötigten Ersatzteile, hohe Materialverfügbarkeit, hohe Arbeitsqualität, exakte Kalkulierbarkeit, erhöhte Anlagenverfügbarkeit, weniger ungeplante Ausfälle und längere Lebensdauer der Komponenten. Ein Nachteil ist dagegen die Notwendigkeit von ausreichendem Vorlauf zur Planung, von intelligenten Algorithmen sowie von ausreichend vorhandenen Datensätzen zur Mustererkennung.

Weitere Nachteile sind höherer Aufwand und höhere Kosten durch Planung und Durchführung von mehr Wartungsarbeiten, hohe Anforderungen an Personalqualifikation für die Entwicklung der Algorithmen und notwendige Kenntnis über das Ausfallverhalten der Anlage. Ferner lässt sich die Strategie erst weit nach Produktionsbeginn umsetzen, weil die nötigen Erfahrungen erst gesammelt werden müssen.

Aufgrund der Vielzahl der Nachteile sind sowohl unwahrscheinliche und seltene Ereignisse mit geringen Auswirkungen auf funktionale Sicherheit und Funktion als auch schwer reparierbare und kostenintensive Ereignisse für Predictive Maintenance nicht geeignet.

Die zustandsbestimmende Instandhaltung oder Condition-based Maintenance ist eine zustandsorientierte Instandhaltung. Mögliche Instandhaltungsmaßnahmen resultieren aus Beurteilungen des physischen Zustands und gegebenenfalls weiteren Analysen. Sie ist eine vorhersagende, wissensbasierte Strategie. Alle Ereignisse mit einer gewissen Vorhersagbarkeit und guter Lokalisierung sind geeignet. Die Vorteile und Nachteile sind identisch mit der voraussagenden Instandhaltung.


  1. Instandhaltung – aber wie?
  2. Verschiedene Strategien der Instandhaltung
  3. Die richtige Strategie am richtigen Ort

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