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Industrie 4.0 = digitale Geschäftsmodelle?

28. Juli 2016, 14:55 Uhr | Karin Zühlke
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Fortsetzung des Artikels von Teil 2

Industrie 4.0 im Shopfloor

Johann Weber, Zollner Elektronik
Johann Weber, Zollner Elektronik »Mit den Daten, die ich aus der Produktion gewinne, kann ich meine Prozesse verbessern. Dadurch entsteht Transparenz, und nur wer Transparenz hat, kann auch optmieren.«
© Markt & Technik

Wie sieht die Industrie-4.0-Praxis im Shopfloor deutscher Elektronikfertigungen derzeit aus? Das bringt Manfred Zollner, der vor über 50 Jahren das EMS-Unternehmen Zollner Elek-tronik gegründet hat, für sein Unternehmen ganz pragmatisch auf den Punkt: »Wir beschäftigen uns mit der Arbeit! Das was die anderen zu Industrie 4.0 entwickeln, wenden wir an.«

Zollner Elektronik ist Europas größter Auftragsfertiger mit weltweit etwa 10.000 Mitarbeitern. Was ist aus Sicht von Zollner Elektronik entscheidend für Industrie 4.0? »Informative Prozesse hin zu den Lieferanten und den Kunden, gleichzeitig aber auch ein vernetzter Produktentstehungsprozess. Dadurch können wir unsere Effektivität als Produktionsland deutlich steigern«, unterstreicht Johann Weber, Vorstandsvorsitzender von Zollner Elektronik. Einerseits ist der Weg der Fertigung in Richtung smarte Produktion eine Kundenanforderung, andererseits ist sie wirtschaftlich getrieben und daher „systemimmanent“. Denn wer wirtschaftlicher und effizienter produziert, hat wiederum mehr freie Kapazitäten für (neue) Kunden. Der Schlüssel zu mehr Effizienz in der Fertigung wiederum sind die richtigen (!) Daten, wie Weber erklärt: »Mit den Daten, die ich aus der Produktion gewinne, kann ich meine Prozesse verbessern. Dadurch entsteht Transparenz, und nur wer Transparenz hat, kann auch optimieren.« Aber bereits in der Planungsphase kann ein Fertigungsbetrieb nach den Worten von Weber mit Industrie 4.0 beginnen: »Wir fangen schon mit einem digitalisierten Aufbau in der Planungsphase an.« Das Sammeln von Daten dient bei Zollner und vielen anderen Fertigungsbetrieben aber nicht nur der Effizienzsteigerung, sondern ganz pragmatisch auch dem Eigenschutz vor Haftungsansprüchen und um das Risiko im „Falle X“ zu reduzieren. »Somit ist das Speichern der Daten enorm wichtig auch unter dem Stichwort Traceability«, so Weber. »Traceability ist das Speichern der entsprechenden Daten. Industrie 4.0 ist ein großer Schritt weiter, und zwar das Steuern der Prozesse.« Neben selbstregulierenden Prozessen spielt dabei auch die Unikatskennzeichnung des zu fertigenden Produktes eine große Rolle, so dass das Produkt quasi die Prozesse steuert.

Durch die vielfältigen Traceability-Anforderungen unterschiedlicher Branchen hat die Elektronikfertigung zwar bereits einen Grundstock für Industrie 4.0 gelegt, »aber Traceability ist erst einmal nur „Informationen sammeln“, und daraus wird noch kein Prozess verriegelt«, gibt Dieter Meuser zu bedenken, CTO von itac Software. Dass nun in diesem Punkt „as a Service“-Modelle, wie eingangs geschildert, weiterhelfen, ist eher unwahrscheinlich. Denn die Selbstregulierung von Prozessen erfordert ein technisch ausgeklügeltes Zusammenspiel von Datenanalyse und Maschinensteuerung. Dies zu standardisieren oder wenigstens zu harmonisieren, ist in der sehr heterogenen Landschaft einer SMT-Produktion nach den Worten von Andreas Mangler, Director Strategic Marketing von Rutronik, eine Herkulesaufgabe: »In einer großen Elektronikfertigung sind 10 oder 20 Automatisierungs-Lieferanten beteiligt. Das heißt, dass verschiedene Modelle und Serviceverträge angewendet werden.« In Teilbereichen ist Industrie 4.0 im deutschen Shopfloor sicher schon Realität, in Gänze wird dies aber noch einige Jahre dauern, und die entsprechenden Geschäftsmodelle werden sich dann in vielen Fällen nach den Anforderungen des Marktes – der Kunden – von selbst ergeben, auf Seiten des Maschinenbaus wie auf Seiten der Fertigungen.


  1. Industrie 4.0 = digitale Geschäftsmodelle?
  2. »Wir brauchen nicht die großen Data-Scientisten«
  3. Industrie 4.0 im Shopfloor

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