Wie vorgehen bei der Digitalisierung?

Digitale Transformation erfordert offene Standards

25. November 2024, 13:00 Uhr | Von Tim Foreman, Manager Forschung und Entwicklung Europa bei Omron Europe
Eine Produktionslinie für die Batteriezellmontage
© Omron

In der industriellen Produktion ermöglichen digitalisierte Abläufe auf Basis offener Standards Echtzeit-Einblicke in die Leistungsfähigkeit und in etwaige Probleme von Maschinen und Anlagen. Dies vereinfacht die Tätigkeit von Entscheidern in den Betrieben und erspart ihnen einiges an Stress.

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Können wir die von mir gemachten Vorhersagen und den angegebenen Termin wirklich einhalten? Habe ich genug Einblicke, um das mit Sicherheit zu wissen? Wie schneidet das Werk in Bezug auf QCDE (Qualität, Kosten, Lieferzeit und Umweltauswirkungen) im Vergleich zu unseren Zielen und zur Konkurrenz ab?« Es sind Fragen wie diese, die Entscheidern in der Industrie nachts den Schlaf rauben können. Doch derartige Sorgen lassen sich durch digitalisierte Abläufe häufig ausräumen.

In einem digitalisierten Produktionsumfeld müssen sich Betriebsleiter nicht mehr um Unbekanntes, Risiken und Eventualitäten sorgen. Digitalisierung macht Schluss mit Unsicherheit und ermöglicht leistungsorientierte Verbesserungen. Sie bietet Einblicke, um die Qualität zu steigern, Kosten zu senken, Durchlaufzeiten zu verkürzen und die Umweltbelastung zu verringern. Betriebsleitern sollte es daher erspart bleiben, mitten in der Nacht aufzuwachen und vor lauter Sorgen nicht mehr einschlafen zu können. Aber wenn es doch mal passieren sollte, beruhigt ein kurzer Blick aufs Mobiltelefon: Alles läuft so, wie es laufen sollte.

Fakt ist aber auch: Von angstbedingter Schlaflosigkeit in erholsamen Schlaf zu gelangen kann schwierig sein, denn Digitalisierung ist manchmal wirklich mühsam. Projektleiter haben nur selten den Luxus, ganz von vorne anfangen zu können. Meistens arbeiten sie mit einem Flickenteppich aus zusammengestöpselten alten Technologien. Sie sollen versuchen, Produktionslinien mit Maschinen zu digitalisieren, die noch nie Daten aufgezeichnet haben, und gebaut wurden, bevor es überhaupt Datenkommunikationsprotokolle gab. All dies stellt eine große Herausforderung für die OT- und IT-Integration dar.

80 Prozent Digitalisierungsgrad anstreben

Deshalb ist es schon zu Beginn wichtig zu akzeptieren, dass es kaum möglich sein wird, jeden Quadratmeter der Produktion zu digitalisieren – es sei denn, der Betrieb hat das Glück, eine völlig neue Anlage zu digitalisieren. Nein, hundertprozentige Digitalisierung wäre vielerorts zu teuer und auch zu komplex. In den meisten Produktionsstätten, die in den vergangenen fünf Jahren gebaut wurden, lassen sich rund 80 Prozent der Arbeitsabläufe digitalisieren, und der Schlüssel dazu ist die Einführung von Standardisierung. Das bedeutet, dass die Art der erzeugten und gesammelten Daten, die Metadaten, die zur Dokumentation der Daten verwendet werden, sowie die Art und Weise des Datenaustauschs und der Datenkommunikation standardisiert werden müssen.

Foreman Tim
Tim Foreman, Omron: »Die Einführung eines Open-Standard-Ansatzes ermöglicht es Herstellern, ihre Digitalisierungsvorhaben erfolgreich zu realisieren.«
© Omron

Hierbei können zwar nichtoffene Standards zum Einsatz kommen, aber letztlich wird dies die Fähigkeit einschränken, die durch Digitalisierung mögliche Performance-Steigerung in vollem Umfang zu nutzen und über die Werksgrenzen hinaus zu kommunizieren. Deshalb tritt Omron für Digitalisierung mit offenen Standards ein.

Bei der Erfassung von Maschinen- und Prozessdaten in Echtzeit sorgt eine gemeinsame Modellierungssprache wie PackML für Standardisierung. Erfolgreiche Digitalisierung erfordert zudem ein standardisiertes Kommunikationsprotokoll, damit Maschinen untereinander und mit anderen Industrie-4.0-Komponenten kommunizieren können. OPC UA, ein Protokoll, das ursprünglich aus dem IT-Bereich stammt, hält zunehmend Einzug in die Industrieautomatisierung. Omron engagiert sich in einem Lenkungsausschuss der OPC Foundation, welcher OPC UA unter der Bezeichnung OPC UA FX auf die Field-Level-Datenkommunikation vorbereitet, sprich: für industrielle Geräte und Maschinen erweitert.

Um zu verdeutlichen, was gemeint ist, eignet sich ein Vergleich mit der englischen Sprache, der Universalsprache der internationalen Wirtschaft. Wer Englisch spricht, kann mit den meisten Menschen Geschäfte machen. Das gleiche Prinzip gilt für OPC UA FX im industriellen Kontext. Dieser offene Standard unterstützt die vollständige Interoperabilität innerhalb eines Produktionswerks. Er ermöglicht nicht nur die datengestützte Kommunikation von Maschinen untereinander, sondern auch die Kommunikation von Maschinen mit IT-Systemen wie ERP oder MES sowie mit Datenanalysesystemen, die Firmen möglicherweise in einer lokalen oder virtuellen Cloud betreiben.

Chancen erschließen, Risiken minimieren

Das eigentliche Potenzial liegt jedoch in der Fähigkeit, den gegenseitigen Informationsaustausch und die Kommunikation zwischen mehreren Standorten und im Liefernetzwerk zu unterstützen. Mithilfe von Digitalisierung auf Basis offener Standards können Hersteller mehrere Produktionsstätten miteinander vergleichen, um weitere Verbesserungen zu erzielen, und sie können Arbeitsweisen über Produktionsstandorte hinweg duplizieren. Sie können sogar Daten ihrer Zulieferer nutzen, um Fertigungspläne zu erweitern. Ein Beispiel sind Informationen, wann ein bestimmtes Teil geliefert werden soll.

Die Digitalisierung nach offenen Standards ist auch der Schlüssel zur Nutzung des Digital Product Passport (DPP). DPPs sind nicht nur ab 2027 für einige Branchen gesetzlich vorgeschrieben, sondern auch ein nützliches Instrument für die Industrie 4.0, weil sie die Zusammensetzung, die Herkunft und den Lebenszyklus eines Produkts digital aufzeichnen. Bei der Herstellung von Batterien für Elektrofahrzeuge könnten DPPs etwa zur Verbesserung der Qualität und zur Verringerung von Ausschuss und Abfall dienen. Die Kombination von Komponenten gleich hoher Qualität führt zu einer besseren Batterie. Dass dies nicht immer der Fall ist, liegt an den Abweichungen, die innerhalb der festgelegten Toleranzen auftreten. Mithilfe von DPP-Daten, die über OPC UA kommuniziert werden, wäre es möglich, einzelne Komponenten mit ähnlichen Eigenschaften auszuwählen und so das Risiko zu verringern, dass Batterien die Werkstests nicht bestehen und entsorgt werden müssen.

Eine der Fragen, die im Zusammenhang mit der Digitalisierung nach offenen Standards oft gestellt wird, lautet, ob sie »nachrüstbar« ist. Zur Beantwortung bietet sich abermals ein Vergleich mit der Sprache an, diesmal mit Google Translate. Omron hat einen Edge-Data-Controller entwickelt, der die Daten älterer Maschinen in die neuesten Sprach- und Datentypen übersetzt. Mit dieser Gateway-Box lassen sich ältere Maschinen auf einen offenen Standard bringen.

Digitalisierung nimmt immer mehr Fahrt auf, weil das Bewusstsein für die zahlreichen Vorteile wächst, die datengesteuerte Erkenntnisse bringen können. Standardisierung – in Bezug auf die Art der erfassten Daten und die Art und Weise, wie die Daten übermittelt werden – stellt jedoch eine große Herausforderung für Unternehmen dar, die industrielle Automatisierung digitalisieren wollen. Die Einführung eines Open-Standard-Ansatzes ermöglicht es Herstellern aber, ihre Digitalisierungsvorhaben erfolgreich zu realisieren, und Betriebsleiter können ruhiger schlafen.


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