Was sind die Trendthemen 2022 in Maschinen- und Anlagenbau sowie Automatisierung? Welchen Einfluss (Impact) haben sie auf die Branche? Dr.-Ing. Dirk Artelt von der Unternehmensberatung Dr. Wieselhuber & Partner (W&P) wagt eine Prognose – im „Trendometer 2022“ anhand einer Skala von 1 bis 10.
Trend 1, Impact 10: Resiliente Wertschöpfungssysteme - Widerstandsfähigkeit gegenüber äußeren Einflüssen steigern
Die Pandemie und andere Krisen wie etwa Naturkatastrophen, Finanz- oder Branchenkrisen, Brexit & Co. und Sanktionen haben erneut gezeigt: Resiliente Wertschöpfungsketten sind von hoher Relevanz, denn externe „Schocks“ wirken aus wertschöpfender Sicht negativ auf Angebot und Nachfrage. Doch aktuell zeigt sich, dass die Kostenoptimierung der letzten Jahrzehnte aus globalen Wertschöpfungsketten zwar ein gut eingeschwungenes, aber fragiles Konstrukt gemacht hat. Vor allem mittelständische Maschinen- und Anlagenbauer müssen spätestens 2022 resilienter werden, um wirtschaftliche Verluste zu vermeiden. Dafür sollten Krisenstrategien entwickelt, Szenarien gerechnet und das Spektrum an Handlungsmöglichkeiten definiert werden.
Trend 2, Impact 10: Digitale Transformation und Künstliche Intelligenz (KI) – Tempo weiter hochhalten
Neue Technologien verändern Wirtschaft und Unternehmen grundlegend – KI ist ein elementarer Bestandteil. Der größte Hemmschuh in den Unternehmen, die damit verbundenen Chancen zu nutzen: Das Management, vor allem im Mittelstand, traut sich immer noch zu wenig an die neuen Themen heran, obwohl konkrete Applikationen bereits in der Praxis angekommen sind - von Predictive Maintenance über datenbasierte Geschäftsmodell-Innovationen und Digital Engineering bis hin zu Cloud Computing, um nur einige Themen anzusprechen. Eine entsprechende Unternehmensstrategie sollte also das Buzzword „Digitalisierung“ definieren, in konkreten Zielen prüfbar machen und in konkrete Maßnahmen überführen. Doch vor allem ohne den digitalen Mindset der Führungskräfte und Mitarbeiter geht es nicht: „Culture eats Strategy for Breakfast“ hat Peter Drucker bereits in den 90er Jahren festgestellt.
Trend 3, Impact 9: Nachhaltigkeit – die Realität kommt in der Industrie an
Das Wirtschaften ohne Rücksicht auf Verluste hat keine Zukunft mehr – und das gilt nicht nur für Branchen wie etwa die Textil- oder Lebensmittelindustrie. Auch im Maschinen- und Anlagenbau reicht es längst nicht mehr aus, ökologische Leitplanken abzuleiten und diese in CSR-Reports mit Hochglanzbildern einer kleinen interessierten Öffentlichkeit zu präsentieren. Viele Unternehmen setzen auf digitale Technologien, um die gesteckten Ziele zu erreichen. Es gilt jetzt, eine wirtschaftlich effiziente und nachhaltige Wertschöpfung auszurichten, um den Energieverbrauch, die CO2-Emissionen und die Kosten zu senken und parallel kurze Lieferketten und gesunde Arbeitsbedingungen zu schaffen – wobei auch hier die „Digitalisierung“ entsprechend unterstützen kann.
Trend 4, Impact 9: Operative Überlastung – Unternehmensorganisation in den Fokus
Wie auch in den vergangenen Jahren sind viele Auftragsbücher gut gefüllt – und viele Unternehmen der Branche versinken im operativen Geschäft. Freiraum für Gedanken über die Zukunft? Gibt es in diesen ungewöhnlichen Zeiten nicht. Doch wegen des Erfolgs der vergangenen Jahre, tektonischer Verschiebungen und Friktionen in internationalen Märkten sowie steigender Komplexität ist es in Sachen Unternehmensorganisation 5 vor 12. Zum einen sollten sich Maschinenbauer und Automatisierer möglichst agil aufstellen, um den neuen und sich laufend ändernden Anforderungen flexibel und schnell gerecht zu werden. Zum anderen müssen die Aktivitäten rund ums Kerngeschäft möglichst auf entsprechende Kundensegmente ausgerichtet und effizient, reibungsarm und kundenzentriert abgewickelt werden.
Trend 5, Impact 8: Servitization – der Boost für produzierende Unternehmen
Der Service- und Dienstleistungsanspruch der Kunden hat zugenommen – schließlich sind Maschinen immer komplexer geworden, und neue Service-Wettbewerber und zusätzliche IoT-Angebote haben sich in den Markt gemischt. Doch viele Maschinen- und Anlagenbauer tun immer noch schwer damit, Umsatz- und Ertragspotentiale ihrer Kunden beim Thema Service voll auszuschöpfen. Sie sind oftmals noch weit davon entfernt, als „Service Champion“ zu glänzen. Dieses ungenutzte Potential lässt sich mit geringerem Vertriebsaufwand im Neuproduktgeschäft und ohne hohen Kapitaleinsatz offensiv ausschöpfen, wenn man die notwendige Servicestrategie definiert hat.