Die Produktion von Computerchips beeinträchtigen sogenannte Versetzungen, linienartige Defekte in Silizium-Kristallen. Das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) kann sie durch die Kombination dreier zerstörungsfreier bildgebender Verfahren jetzt besonders gut auch in normalen Wafern detektieren.
Gegenwärtig werden pro Quadratzentimeter Oberfläche eines Wafers mehrere Milliarden Transistoren untergebracht – und die Tendenz ist nach wie vor steigend. Schon jetzt führen kleinste Fehler auf und im Kristall, sogenannte »Versetzungen« zum Ausfall tausender dieser winzigen Schaltungen, was betroffene Chips unbrauchbar macht und den Produktionsausschuss erhöht.
»Daher ist es wichtig zu verstehen, wie sich ein minimaler mechanischer Oberflächenfehler unter typischen Prozesseinwirkungen, wie zum Beispiel Hitze, in die Tiefe des Kristalls entwickelt«, sagt Dr. Daniel Hänschke, Physiker am Institut für Photonenforschung und Synchrotronstrahlung des KIT.
Sein Team konnte nun Versetzungen präzise vermessen und ihre Wechselwirkung untereinander und mit äußeren Einflüssen untersuchen. Es eruierte, wie sich von einem einzigen Oberflächendefekt eine ganze Armada von hexagonalen Defektlinien ausbreitet, wobei im Zentrum eines solchen dreidimensionalen Netzwerks völlig ungestörte Bereiche verbleiben können.
»Die auftretende kollektive Bewegung kann auf der gegenüberliegenden Seite des Wafers zu einem Heben oder Senken von beträchtlichen Flächenbereichen führen und störende Stufen bilden, was sich dort dann zum Beispiel nachteilig auf die Fertigung und Funktion von Mikrostrukturen auswirkt«, betont Hänschke.
In Kombination mit mathematischen Modellrechnungen erlauben es die Ergebnisse, die zu Grunde liegenden physikalischen Prinzipien besser zu verstehen. »Bisherige Modelle beruhen vorwiegend auf Daten, die man an sehr kleinen Kristallproben mit Hilfe der Elektronenmikroskopie gewonnen hat«, erläutert Dr. Elias Hamann, ein weiteres Mitglied des Teams am KIT. »Mit unserer Methode können wir jedoch auch große, flächige Kristalle untersuchen, wie zum Beispiel handelsübliche Wafer«, fügt er an.
»Nur so können die genauen Zusammenhänge aufgedeckt werden, die zwischen anfänglichen, winzigen Originalschäden und den umfassenden daraus folgenden Kristalldeformationen bestehen, welche dann wiederum weit weg vom Ausgangspunkt zu Problemen führen können.«
Die neue Messmethode nutzt Röntgenmethoden am Synchrotron KARA des KIT und am Europäischen Synchrotron ESRF in Grenoble sowie die sogenannte CDIC-Lichtmikroskopie. Die damit möglichen Erkenntnisse können die bestehenden Modelle für die Vorhersage von Defektentstehung und -ausbreitung verbessern und damit Prozessoptimierungen bei der Herstellung von Computer-Chips ermöglichen. Genaueres haben die Forscher in der Fachzeitschrift Physical Review Letters beschrieben.