Höhere Sicherheit und geringere Investitionskosten durch Supraleitung

Nexans und KIT: Supraleitender Strombegrenzer im Kraftwerk

30. Januar 2012, 15:23 Uhr | Heinz Arnold
Der Aufbau des supraleitenden Fehlerstrombegrenzers wie er im Kraftwerk in Boxberg arbeitet
© Martin Lober / KIT

Der erste supraleitende Strombegrenzer auf Basis von YBCO-Bandleitern arbeitet im Kraftwerk von Vattenfall in Boxberg. Dort schützt er das für 12.000 Volt und 800 Ampere ausgelegte Eigenbedarfs-Stromnetz vor Schäden in Folge von Kurzschlüssen und Spannungsspitzen.

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Die am Karlsruher Institut für Technologie mitentwickelte und von Nexans SuperConductors gefertigte neue Technik steigert die Eigensicherheit des Netzes und kann helfen, Investitionskosten in Anlagen zu sparen.

»Hochtemperatur-Supraleiter galten lange Zeit als schwer handhabbar, zu spröde und insbesondere zu teuer für allgemeine industrielle Anwendungen«, erklärt Projektleiter Wilfried Goldacker vom Karlsruher Institut für Technologie. »Mit der zweiten Generation von Hochtemperatur-Supraleiter-Drähten auf Basis der Keramik YBCO steht ein wesentlich robusteres Material mit verbesserten Eigenschaften zur Verfügung.«

Supraleitende Strombegrenzer sind reversibel funktionierende Bauteile. Bei Stromspitzen etwa nach Kurzschlüssen im Netz werden keine Bauteile zerstört, sondern der Begrenzer kehrt schon nach wenigen Sekunden selbsttätig in den normalen Betriebszustand zurück. Der Netzausfall ist somit wesentlich kürzer als bei konventionellen Strombegrenzern, bei denen, wie bei einer Schmelzsicherung im Haushalt, konstruktionsbedingt Bauteile zerstört werden, die jeweils zeit- und kostenintensiv ausgetauscht werden müssen.

»Für die Stabilität von Mittel- und Hochspannungsnetzen bieten supraleitende Strombegrenzer eine Reihe von Vorteilen«, sagt Mathias Noe, Leiter des Institutes für Technische Physik am Karlsruher Institut für Technologie. Verlässliche, kompakte Strombegrenzer erlauben es, Stromnetze stabiler zu betreiben und deren Struktur zu vereinfachen. Dank ihrem Schutz vor Stromspitzen lassen sich dezentrale Energieerzeuger wie Wind- und Solaranlagen einfacher in Netze integrieren. Teure Komponenten im bestehenden Stromnetz werden effektiv geschützt, Bauteile in zukünftigen Netzen können für geringere Spitzenströme ausgelegt werden und Transformatoren werden vielerorts überflüssig. Insgesamt können Investitionskosten bei Kraftwerken und Netzen eingespart werden. Zudem lässt sich das Prinzip des supraleitenden Strombegrenzers auf YBCO-Basis zukünftig auch auf Hochspannungsnetze über 100 Kilovolt ausdehnen und diese so besser vor Stromausfällen schützen.

YBCO steht für die Bestandteile des Supraleiters: Yttrium-Barium-Kupfer-Sauerstoff. Diese Kristallschicht ist nur 1 µm dick, sie wird auf einem einige Millimeter breiten Edelstahlband abgeschieden, das der Keramik die notwendige Stabilität verleiht. Unterhalb einer Temperatur von 90 K (-183 °C) wird das Material supraleitend. Allerdings bricht der supraleitende Zustand schlagartig zusammen, wenn die Stromstärke im Leiter die Auslegungsgrenzen übersteigt. Auf diesem Effekt beruht der supraleitende Strombegrenzer. Bei Stromspitzen im Netz verliert der Supraleiter seine Leitfähigkeit innerhalb von Sekundenbruchteilen und der Strom kann nur noch über das Edelstahlband fließen, das einen deutlich höheren Widerstand aufweist und den Strom damit begrenzt. Die anfallende Wärme wird über das Kühlsystem des Supraleiters abgeführt. Einige Sekunden nach dem Kurzschluss ist der Normalbetrieb im supraleitenden Zustand wieder hergestellt. YBCO-Supraleiterschichten auf Edelstahlbändern sind stabiler und betriebsfreundlicher als die Supraleiter der ersten Generation aus BSCCO-Keramiken. Zudem benötigt ihre Herstellung keine Edelmetalle wie Silber und wird vorraussichtlich günstiger sein.

Der supraleitende Strombegrenzer wurde innerhalb des Projektes ENSYSTROB in den letzten zwei Jahren entwickelt. Die Projektpartner sind neben dem Karlsruher Institut für Technologie die Firma Nexans SuperConductors, die TU Dortmund und die BTU Cottbus. Der Anwender, bei dem auch der Feldtest durchgeführt wird, ist der Stromversorger Vattenfall. Das Bundesministerium für Wirtschaft förderte das Projekt mit rund 1,3 Million Euro. Die Ergebnisse des Projektes sind von weitreichender Bedeutung, weil die Funktionalität der Strombegrenzung zukünftig auch in andere supraleitende Anwendungen wie Transformatoren und Energiekabel integriert werden kann.


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