Kommentar

Vom Wüstenstrom zu Energie-Nessies

16. Juli 2013, 12:46 Uhr | Heinz Arnold
Heinz Arnold, Chefredakteur Energie&Technik
© elektroniknet.de

Die Energiewende hats in sich. Letzte Woche hielt uns die Auseinandersetzung zwischen der Desertec Foundation und Dii in Atem. Am Rande der Wüstenstromquerelen war interessant zu sehen, wie in Deutschland die grundsätzliche Frontlinien zwischen Befürworten von Großprojekten wie Desertec und Gegnern, die auf rein dezentral erzeugte Energie setzen, quer durch Parteien und Verbände verlaufen.

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Gerade hielt uns noch die Auseinandersetzung zwischen der Desertec-Foundation und Dii in Atem. Interessant, wie die Wüstenstromquerelen in Deutschland die Frontlinie zwischen Befürwortern von Großprojekten wie Desertec und Gegnern, die auf rein dezentral erzeugte Energie setzen, hierzulande quer durch Parteien und Verbände verläuft.

Hier scheint es sich um einen typisch deutschen Grundsatzstreit zu handeln, in anderen europäischen Ländern wird um diese Frage weniger gestritten. Das lenkt den Blick auf Europa: es wäre ausgesprochen wichtig, in die Diskussion in Deutschland die europäischen Belange mit einzubeziehen.

In Deutschland aber dreht sich die Diskussion vor allem um interne Regulierungen, um die Frage, wie das EEG neu gestaltet werden soll (wobei auch hier die EU zumindest indirekt Einfluss nehmen kann, Stichwort Ausnahmeregelung für große Stromabnehmer) und wie die Stagnation der Energiewende zu überwinden wäre.

Als wären das nicht genug Probleme, kommt nun noch ein weiterer Stoß von außen: die Schiefergasgewinnung in den USA könnte die Preise für fossile Energieträger nicht so rasant steigen lassen, wie viele dachten. Wackelt damit eine Grundannahme, die hinter der deutschen Energiewende steht?

Das ficht viele hierzulande nicht an, nach dem Motto »die spinnen eben, die Amerikaner und sie werden schon bald sehen, was sie im eigenen Land anrichten«, schenken die Kritiker den Vorgängen in den USA wenig Beachtung.

Da war es zumindest erstaunlich zu vernehmen, dass der Minister für das Erstarken des Produktionssektors in Frankreich, Arnaud Montebourg – in der Regierung für linke Positionen zuständig – plötzlich die Gewinnung von Schiefergas in Frankreich zumindest in Betracht ziehen will. Zwar dementierte Präsident Hollande sofort – aber in Frankreich gibt es eben eine nicht zu unterschätzende parteiübergreifende Gruppierung, die weder im Schiefergas noch in der Atomkraft große Probleme sieht. Hat nicht Delphine Batho, die kürzlich gestürzte Umweltministerin, erklärt, dass ihr der Chef einer Firma Knüppel zwischen die Beine warf, die Geräte für die Schiefergasgewinnung baut? Und man darf nicht unterschätzen, dass Frankreich auf politischer wie industrieller Ebene am Export der eigenen Atomkrafttechnik sehr interessiert ist.

Würden nicht ein paar Pfund Uran ausreichen, um Wüsten zu begrünen und die Probleme der Menschheit lösen? Diese Überlegung stammt nun nicht von Montebourg, sondern von Ernst Bloch, nachzulesen in „Prinzip Hoffnung“. Sicherlich, seit der Philosoph das Buch schrieb, ist eine Menge passiert – aber das Beispiel zeigt, wie schnell sich der Wind drehen kann, besonders wenn es um Energie geht. Da erstaunt eine weitere Nachricht nicht mehr allzusehr: die Wüste wird grün, nicht durch Atomkraft, nicht durch Desertec, sondern einfach, weil CO2 für das Wachstum der Pflanzen dort sorgt. Wird also Deutschland bald dafür ausgezeichnet, dass sein CO2-Ausstoß zum ersten Mal seit zehn Jahren wieder gestiegen ist? Braunkohle für grüne Wüsten? Da dürfen wir gespannt sein, welche Energie-Nessies in diesem Jahr noch aus dem Sommerloch steigen werden!


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